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04.04.09 / Russki-Deutsch (11): Pajok

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-09 vom 04. April 2009

Russki-Deutsch (11):
Pajok
von Wolf Oschlies

Auch Wörter haben ihr Verfallsdatum. Wer weiß heute noch etwas mit dem russischen „pajok“ anzufangen? Bei Kriegsende war es in Ost-Berlin in aller Munde, was wortwörtlich zu nehmen ist. Walter Heynowski, damals Chefredakteur eines Ost-Berliner Satireblattes, erinnerte sich, daß in jener Hunger- und Notzeit auch Zeichner und Texter aus dem Westen gern für ihn arbeiteten. Denn „bei uns erhielten sie jeden Monat das von der sowjetischen Administration für die Intelligenz spendierte ,Pajok‘, ein Überlebenspaket mit Butter, Mehl, Wodka und Zigaretten. Nach der Währungsreform 1949 waren sie alle verschwunden“, die West-Künstler nämlich.

„Drüben“ machte der „Pajok“ Karriere, wie die Hamburger „Zeit“ im 1949 berichtete: „Nun ist er zum offiziellen Bestandteil der ,Sozialordnung‘ der Sowjetzone geworden. Ein Befehl des Marschalls Sokolowski hat den ,Pajok‘ für die Intelligenzberufe zum amtlichen Zuteilungsfaktor gemacht. Natürlich sind Inhalt und Kalorien dieser Pakete wieder nach ,Verdienst‘ gepackt. Die höchste Kalorienstufe mit 10 kg Kartoffeln, 3 kg Fleisch und 1 kg Zucker ist den ,besonders verdienten‘ Intellektuellen vorbehalten. Die nächste Stufe erhält etwa die Hälfte dieser Zuteilungen, Und die dritte Stufe ist lediglich ,namhaft‘ und wird sich mit einem kleineren Prozentsatz der obersten Pajok-Gruppe begnügen müssen.“

Der russische „Pajok“ ist eine Verkleinerungsform von „paj“, was im Tatarischen und in Turksprachen „Teil“ heißt. Russische etymologische Wörterbücher definieren „pajok“ als „periodisch auszugebende Nahrungsmittel- oder Sachleistung“, wie in der Armee seit Jahrhunderten üblich.

Bei Deutschen ist der „Pajok“ fast ganz vergessen – bei Polen und Ukrainern kommt er jetzt erst richtig in Erinnerung. Dort werden seit Jahren die Memoiren von Überlebenden der ukrainischen Hungersnot in den 1930er Jahren oder der Deportationen von Polen 1941 bis 1944 publiziert. In denen spielt der „dodatkowy pajok“, die „zusätzliche Nahrungsmittelration“, eine große Rolle. „Pajki“, wie der Plural korrekt lauten muß, haben manches Leben gerettet. Im Nachkriegs-Deutschland waren  die Pakete üppiger, auch irgendwie „heimisch“, – wie der sehr deutsche Plural „Pajoks“ bezeugt. 


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