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04.04.09 / Wahlfarce in Algerien / Es gibt aber keine praktikablen Alternativen zu Präsident Bouteflika

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-09 vom 04. April 2009

Wahlfarce in Algerien
Es gibt aber keine praktikablen Alternativen zu Präsident Bouteflika

Bei den algerischen Präsidentschaftswahlen am 9. April steht der Sieger schon im voraus fest. Zwar haben mehr als zwei Dutzend Bewerber ihre Kandidatur angemeldet, doch jene, die nach einer „amtlichen“ Vorauslese antreten dürfen, haben keine Chance gegen den amtierenden Präsidenten Abd-el-Aziz Bouteflika. Es war kein Risiko, Wahlbeobachter einzuladen, denn die echte Opposition – das sind vor allem die Islamisten – hat einen Wahlboykott angekündigt.

Wahlen als pseudodemokratische Pflichtübung ermöglichen es immerhin dem Westen, speziell der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, auch weiterhin gute Geschäfte mit Algerien zu machen, ohne daheim mit nennenswerten Protesten rechnen zu müssen. So wird zu den bestehenden Erdgasleitungen über Sizilien und über Andalusien derzeit eine dritte durch das Mittelmeer nach Frankreich gebaut, und algerisches Erdöl gelangt ohne Passage durch irgendwelche Krisengebiete auf direktem Weg nach Europa.

Man muß sich allerdings auch fragen, was denn die Alternativen zu Bouteflika wären, der von Anfang an in der Befreiungsbewegung und späteren Einheitspartei FLN aktiv war. Die FLN verfolgte nach Erlangung der Unabhängigkeit 1962 eine Politik der staatlichen Planwirtschaft, einen „algerischen Sozialismus“. Die zunächst starke Anlehnung an die Sowjetunion wich allmählich einer „neutralistischen“ Außenpolitik, und es normalisierte sich auch die Beziehung zu Frankreich, das nicht zuletzt ein Auffangbecken für algerische Arbeitssuchende wurde.

Die schweren Unruhen von 1988 führten 1989 zur Einführung eines pluralistischen Systems. Mit ungeplanten Folgen, denn bei der Parlamentswahl von 1991 zeichnete sich ein überwältigender Sieg der „Islamischen Heilsfront“ (FIS) ab. Die Armee brach daraufhin die Wahl ab und verbot die FIS. Das löste einen mehrjährigen Bürgerkrieg aus, der mindestens 120000 Menschenleben forderte.

Als Bouteflika 1999 mit Hilfe des Militärs Präsident wurde, leitete er eine Versöhnungspolitik ein – 2005 wurde sogar eine Generalamnestie erlassen. Das führte zu einer deutlichen Entspannung und brachte dank der Einnahmen aus Erdöl und Erdgas auch eine Konsolidierung der Finanzen und sogar einen gewissen Wohlstand.

Es gibt allerdings arge Schönheitsfehler: Um den Islamisten Wind aus den Segeln zu nehmen, wurde ein Religionsgesetz erlassen, das alle nicht-islamischen Gottesdienste verbietet und die 12000 Christen Schikanen und Verhaftungen aussetzt. Auch wenn die Übergriffe in den letzten Monaten nachgelassen haben, ist nach der Wahl wieder mit einer Verschlechterung zu rechnen. Allgemein ist es um Meinungsfreiheit und Menschenrechte schlecht bestellt.

Die Unterschiede zwischen rückständigen ländlichen Gebieten und westlich orientierten Städten, die hohe Arbeitslosigkeit und die im Staatsapparat grassierende Korruption – zuletzt auch im Zusammenhang mit Privatisierungen – sorgen weiter für soziale Spannungen und spielen Fundamentalisten in die Hände. Dementsprechend gibt es weiterhin Terroranschläge islamistischer Gruppen, die seit einigen Jahren auch den Markennamen „Al-Kaida“ benutzen. Es ist nicht auszuschließen, daß es nach Amtsunfähigkeit oder Tod des bereits 72jährigen Bouteflika zu einer Neuauflage des Bürgerkriegs kommt.         Richard G. Kerschhofer


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