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04.04.09 / Stabile Preise als einziger Lichtblick / Deutschland in der Krise: Abwrackprämie als Feigenblatt – Wenig Optimismus mit Blick auf G 20-Gipfel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-09 vom 04. April 2009

Stabile Preise als einziger Lichtblick
Deutschland in der Krise: Abwrackprämie als Feigenblatt – Wenig Optimismus mit Blick auf G 20-Gipfel

Der Abschwung hat die deutsche Wirtschaft in voller Breite erreicht. Die Bundesregierung findet vor der Wahl nicht mehr die Kraft für größere Gegenmaßnahmen. Ein Lichtblick: Die Inflation ist fast auf Null gesunken.

Deutschland liegt nach wie vor im Trend des weltweiten Abschwungs. Das produzierende Gewerbe mußte im Januar im Vergleich zum Vorjahreswert einen Abschwung von 7,5 Prozent hinnehmen, die exportierende Industrie gar um 8,4 Prozent. Auch der Inlandsmarkt leidet. Das Bauhauptgewerbe erlitt im Januar einen Einbruch von 7,8 Prozent. Im Januar gingen die Auftragseingänge in der Industrie drastisch um 37,9 Prozent zurück.

Die Konjunkturschwäche schlägt mittlerweile auf den Stellenmarkt durch. Im Februar nahm die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt um rund 40000 Personen zu. Der Beschäftigungsrückgang im März ist wegen des ausklingenden Winters weniger massiv. Insgesamt sind momentan 3,55 Millionen Menschen als arbeitslos gemeldet, was einer Quote von 8,5 Prozent entspricht. Die Werte sind zwar nied-riger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, aber deutlich im Steigen begriffen. Beobachter sehen bereits am Jahresende die Schwelle von vier Millionen überschritten.

Einer der wenigen Lichtblicke ist die Teuerungsrate. Sie fiel im März auf 0,5 Prozent. Der nachlassende Preisdruck verdankt sich im wesentlichen wieder billigerem Öl und Benzin. Auch die Nahrungsmittelpreise, in den letzten Jahren zum Teil für die Inflationsrate verantwortlich, stabilisierten sich. „Die niedrige Inflation stärkt die Kaufkraft der Konsumenten“, erklärt Commerzbank-Experte Simon Junker. Andere Fachleute rechnen bis Mitte des Jahres mit einer Teuerungsrate von Null. Die Gesamtlage dürfte allerdings verhindern, daß sich die Verbraucher trotz moderater Preise in Konsumexzesse hineinsteigern.

Für den Automarkt erhofft die Bundesregierung jedoch eine Belebung. Unionsparteien und SPD haben einvernehmlich die Verlängerung der sogenannten Abwrack-prämie für mindestens neun Jahre alte Autos in die Wege geleitet. 2500 Euro „Umweltprämie“ erhält vom Bund, wer sein Kraftfahrzeug verschrottet und ein Neufahrzeug oder einen Jahreswagen erwirbt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Vize Frank-Walter Steinmeier (SPD) vertagten allerdings die Regelung der Einzelheiten wie etwa die Frage des Gesamtvolumens auf die Zeit nach Ostern. Bisher sollte das staatliche Füllhorn versiegen, sobald ein Fördervolumen von 1,5 Milliarden Euro abgerufen ist. Jetzt kommen deutlich mehr als 600 000 Anspruchsteller zum Zug.

Ein Schelm, wer glaubt, die Regierungsparteien erkauften sich mit dem Geldsegen das Wohlwollen der Wähler für die bevorstehenden Wahlen. Voll funktionsfähige neunjährige Autos in die Schrottpresse zu schieben, verträgt sich kaum mit dem sonst gern besungenen Gedanken der Nachhaltigkeit. Ökonomisch führt die Subvention nur zu einem Strohfeuer mit Verdrängungswirkung. Heftige Kritik kam daher von Grünen und Liberalen. „Die Abwrackprämie ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch Unfug“, wetterte Fritz Kuhn, Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke sieht die Bundesregierung nur noch fähig, sich auf Geldausgeben zu einigen. Vermutlich werde der Bund „bei 75 Milliarden Euro Schulden in diesem Jahr landen“.

Zweifel bestehen aber auch in der Koalition. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mutmaßt, die Autoindustrie könne auf Dauer von der Prämie abhängig werden und nicht selbständig auf die Beine kommen. Der CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs sieht die Probleme der Autohersteller, nämlich Überkapazitäten und falsche Modellpolitik, dadurch nicht gelöst. Außerdem fordert er, auch anderen notleidenden Branchen zu helfen, etwa mit besseren Abschreibungsbedingungen für geringwertige Wirtschaftsgüter wie Möbel.

Der auf höchster Koalitionsebene eingefädelte „Verlängerungscoup“ ist jedenfalls geeignet, das Publikum vom Stillstand der Großen Koalition abzulenken. Das Debakel um die Jobcenterreform hat die Koalitionsspitze aufgescheucht. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Mischverwaltung aus kommunalen und Arbeitsagentur-Personal Ende 2007 für grundgesetzwidrig erklärt. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich deshalb mit NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) auf eine „heilende“ Verfassungsänderung verständigt. Die wurde indes von der Unionsfraktion im Bundestag kategorisch abgelehnt. Die SPD zürnte, Rüttgers war blamiert. Jetzt muß bis Ende 2010 eine andere Lösung her.

Unter Experten war bis zuletzt umstritten, ob die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer auf ihrem G 20-Gipfel in London tatsächlich mittelfristig wirksame Mittel gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise finden würden. Dazu zählen eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte, mehr Zusammenarbeit im Kampf gegen die Krise sowie stärkerer Druck auf Steuer-oasen. Die Citygroup gab sich ernüchtert: Die schwierigen Ursachen der Krise habe man kaum in den Blick genommen. Auch die Kanzlerin äußerte sich vor dem Treffen – das nach Redaktionsschluß der PAZ stattfand – recht zurückhaltend.     Jost Vielhaber


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