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04.04.09 / Kein Konservativer / Am Sonntag wird Bundespräsident Roman Herzog 75 Jahre alt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-09 vom 04. April 2009

Kein Konservativer
Am Sonntag wird Bundespräsident Roman Herzog 75 Jahre alt

Am 5. April 1934 kam Roman Herzog in Landshut zur Welt. Der Archivarssohn verließ das Gymnasium seiner Geburtsstadt mit der Traumnote 1,0 und studierte anschließend Rechtswissenschaften. 1958 wurde er promoviert, 1964 habilitierte er sich. Schon 1965 wurde er Lehrstuhlinhaber für Staatsrecht und Politik an der Freien Universität Berlin.

1970 wurde Herzog Mitglied der CDU, 1973 holte ihn Helmut Kohl als Staatssekretär und Bevollmächtigten beim Bund nach Rheinland-Pfalz. Als sich Herzog die Möglichkeit bot, Minister zu werden, zog er 1978 nach Baden-Württemberg, wo er erst für Kultus und Sport und ab 1980 für Inneres zuständig war.

1983 wechselte Herzog von der Exekutive in die Judikative. Nach knapp drei Jahren als Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts wurde er 1987 dessen Präsident. In dieser Funktion brachte er die vor 1949 von den Sowjets enteigneten Mitteldeutschen und deren Nachfahren gegen sich auf. Der von ihm geführte Senat wies die Verfassungsbeschwerde der Enteigneten gegen die von der Bundesregierung verweigerte Wiedergutmachung in einem bis heute umstrittenen Urteil ab.

1994, nach dem Verzicht des sächsischen Justizministers Steffen Heitmann auf eine Kandidatur, bot sich Roman Herzog die Chance, als Nachfolger Richard v. Weizsäckers Bundespräsident zu werden. Mit den Stimmen der Regierungskoalition wurde er im dritten Wahlgang gewählt.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger mit dessen intellektuellem, auf manche aristokratisch, auf andere arrogant wirkendem Habitus gab sich der Bayer betont urwüchsig und gemütlich. Mit leicht bayerischem Tonfall forderte er immer wieder, die Dinge ganz „unverkrampft“, eines seiner Lieblingswörter, anzugehen. In Erinnerung blieb seine „Ruck-Rede“ von 1997, in der er die Überwindung des Reformstaus forderte. Bei aller Verbindlichkeit im Auftreten war Herzogs Machtinstinkt nie zu unterschätzen. So versuchte er nach seiner knappen Wahl zum Bundespräsidenten, seine Machtbasis mit einigen explizit linken Duftnoten zu erweitern, etwa mit der Einführung eines eigenen, neuen Holocaust-Gedenktages im Jahre 1996.

Nicht nur deswegen und wegen des erwähnten Bodenreform-Urteils blieb Herzogs Tätigkeit als Bundespräsident nicht ohne Kritik. Im Mai 1994 offenbarte er tiefes Unwissen über Polen, als er den polnischen Nationalaufstand vom September 1944 mit dem jüdischen Aufstand im Warschauer Ghetto im April 1943 gleichsetzte. Die Vertriebenen ahnten: Wer so wenig über echtes polnisches Leid weiß, weiß auch wenig über die dunklen Seiten der polnischen Geschichte. Komplett falsch lag Herzog im Vorfeld der Weltfinanzkrise: Er gehörte zu denen, die der vollen Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte das Wort redeten. In seiner „Ruck-Rede“ pries er dabei gar die „gezielte Strategie neuartigen Wachstums“ in den USA – damals begann dort der Bau jener gigantischen Finanzpyramiden, die seit 2007 serienweise einstürzen.

Nachdem absehbar war, daß die Bundesversammlung keine bürgerliche Mehrheit haben würde, verzichtete Herzog auf eine zweite Kandidatur. 1999 wurde er durch Johannes Rau abgelöst.           M.R./K.B.


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