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04.04.09 / Preußens nackte Venus / Olga Desmond verzauberte vor dem Ersten Weltkrieg ihr Publikum durch anmutige Tänze

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-09 vom 04. April 2009

Preußens nackte Venus
Olga Desmond verzauberte vor dem Ersten Weltkrieg ihr Publikum durch anmutige Tänze

Das Publikum konnte es nicht fassen und war gleichermaßen fasziniert: Da trat eine junge Frau auf, tanzte wie eine Elfe, und zwar so wie Gott sie geschaffen hatte. Und das in einer Zeit, da es schon als unschicklich galt, ohne Schuhe zu tanzen. Die Desmond aber war nicht nur barfuß, sie war nackt.

Eine Ausstellung im Verborgenen Museum, Berlin, erinnert jetzt an „Preußens nackte Venus“. Als Olga Antonie Sellin wurde sie am 2. November 1890 im ostpreußischen Allenstein geboren. „Schon als kleines Mädchen schwärmte ich übermäßig für schöne Formen und Farben. Am liebsten hätte ich mich in den Kunstausstellungen und Museen einschließen lassen“, erinnert sie sich. Als die Familie nach Berlin umzieht, erlauben ihr die Eltern, ein Studium an der Marie-Seebach-Schule des Königlichen Schauspielhauses aufzunehmen, einer der angesehensten Ausbildungsstätten Preußens. Um ein wenig Geld zu verdienen und so die Eltern zu entlasten, steht die noch minderjährige Olga Malern und Bildhauern wie Reinhold Begas und Lovis Corinth Modell. Das kunstverliebte Mädchen hatte kein Problem damit, ihren Körper zu präsentieren. Und so mag der Schritt zu den öffentlichen Auftritten keine große Überwindung gekostet haben.

Zunächst aber war Olga Desmond, wie sie sich bald nannte, in den damals sehr beliebten lebendigen Bildern zu bewundern. Gemeinsam mit Albert Salge, einem Artisten und Künstler-Modell, sowie dessen Bruder erstaunte Olga das Publikum als Nachahmerin von berühmten Statuen, „Lebender Marmor“ genannt. Einzelne Posen wurden völlig nackt geboten, die Haut lediglich mit weißer Farbe marmorisiert. Das Publikum konnte nicht genug von diesen Präsentationen bekommen; selbst in London wollte man die Truppe sehen. Die Presse war begeistert: „Nichts könnte keuscher, anmutiger und ansehnlicher sein als diese Präsentationen.“

Im Rahmen sogenannter Schönheit-Abende tanzte Olga Desmond, bis das Preußische Abgeordnetenhaus aufgrund von massiven Beschwerden des Zentrums-Abgeordneten Hermann Roeren sich ihrer Kunst annahm und Innenminister Friedrich von Moltke erklärte, er werde „die Nacktaufführungen vollständig ausschließen“. Olga trat jedoch weiter auf, allerdings nun in zarte Schleier gehüllt. Bald erzielte sie sensationelle Gagen bis 15000 Mark monatlich. Überhaupt verstand sie ihr Image zu versilbern, etwa durch eine Kosmetikserie.

Über das bewegte Leben der Ostpreußin, die als Tänzerin begann, als  Stummfilmstar Karriere machte und 1964 vergessen in Berlin starb, erfährt man Wissenswertes  in dem unterhaltsamen Buch von Jörn E. Runge, das die Ausstellung begleitet.

Silke Osman

Die Ausstellung „Preußenes nack-te Venus“ im Verborgenen Museum — Dokumentation der Kunst von Frauen e. V., Schlüterstraße 70, Berlin, ist bis 31. Mai donnerstags und freitags von 15 bis 19 Uhr und am Wochenende von 12 bis 16 Uhr zu sehen. Das Begleitbuch zur Ausstellung ist im Steffen-Verlag, Friedland, erschienen; es umfaßt 180 Seiten und kostet 19,95 Euro.

Foto: Anmutig und sensationell: Die Tänze der Olga Desmond erregen die Gemüter.


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