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11.04.09 / Das Genie kam aus Deutschland / Zum 250. Todestag des Komponisten Georg Friedrich Händel — Skandale kannte er nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-09 vom 11. März 2009

Das Genie kam aus Deutschland
Zum 250. Todestag des Komponisten Georg Friedrich Händel — Skandale kannte er nicht

Die Engländer beanspruchen ihn für sich, doch Georg Friedrich Händel wurde in Halle an der Saale geboren. Aus Anlaß seines 250. Todestages wird in Deutschland und in Großbritannien des Komponisten mit einer Reihe von Aufführungen seiner Werke gedacht.

Am Morgen des 14. April 1759 starb Georg Friedrich Händel in seinem Haus in der Lower Brook Street in London. In England, wo er fast 50 Jahre seines Lebens verbrachte. Im Herbst 1712 war der am 23. Februar 1685 in Halle an der Saale Geborene auf die Insel übergesiedelt und 15 Jahre später britischer Staatsbürger geworden. „In Anbetracht der Unbeständigkeit des menschlichen Lebens“ hatte der Komponist in seinem Testament den Wunsch geäußert, in Westminster Abbey beigesetzt zu werden. Ein selbstbewußtes Anliegen, fanden dort außer den Königen doch nur die größten Künstler und Wissenschaftler Englands ihre letzte Ruhe.

Händels Wille wurde erfüllt. Zur Beisetzung am 20. April kamen rund 3000 Londoner. Große Chöre sangen die Trauerhymne. Eine Ehre, die einzig herausragenden Persönlichkeiten zuteil wurde. Bis heute gilt Händel als der englische Nationalkomponist. Oder mit den Worten von Jonathan Swift: „Ein Deutscher und ein Genie – ein Wunder.“

Über dieses „Wunder“ erschienen bereits ein Jahr nach dessen Tod in London die „Memoirs of the Life of the Late George Frederic Handel“, verfaßt von dem erst 25jährigen Theologen John Mainwaring (1735–1807). Das Buch gilt als die erste Musikerbiographie überhaupt. Händel hat mehr als 600 Werke aller Genres hinterlassen. Er schrieb über 100 italienische Kantaten und Kammerduette, mehr als 40 große Opern, rund 30 Oratorien, dazu Serenaden und Oden sowie viele instrumentale Kompositionen.

Besonders die Oratorien wurden in England zu nationalen Institutionen, fast zu einer Art Gottesdienst. Händels Wertschätzung ist ungebrochen. Denn, so Sir Michael Anthony Arthur, Großbritanniens Botschafter in Deutschland: „Wer bei uns ein Instrument wie Klavier oder Geige lernt, lernt es mit Händel.“ Zweifelsohne werden ihm dabei die Water Music (Wassermusik) und die Music of the Royal Fireworks (Feuerwerksmusik) unter die Finger kommen, die beliebtesten und meistgespielten Instrumentalwerke des Komponisten.

Vor diesem Hintergrund übernahmen Königin Elizabeth II. und Bundespräsident Horst Köhler gemeinsam die Schirmherrschaft der diesjährigen Händel-Festspiele in Halle an der Saale. Es wird sogar ein Vertreter des englischen Königshauses erwartet. Seit 1922 lädt die Geburtsstadt des Komponisten zu Internationalen Händel-Festspielen ein. Seit 1952 finden diese jährlich statt, im Festjahr 2009 vom 4. bis 14. Juni. Schwerpunkt der etwa 50 musikalischen Veranstaltungen sind die Aufführungen der Opern „Floridante“, „Rodelinda“, „Alcina“, „Serse“, „Ariodante“ und „Belshazzar“. Verschiedene Produktionen werden in Zusammenarbeit mit den Rundfunk- und Fernsehanstalten MDR, ZDF/3sat und Arte aufgezeichnet oder live übertragen.

Höhepunkt der Gedenkwoche zu Händels 250. Todestag ist der „Special Day“ am 19. April. Über 40 Rundfunkanstalten innerhalb der European Broadcasting Union (EBU) senden an diesem Tag Konzerte aus ihren Städten. Den Reigen eröffnet Halle mit einer Übertragung aus der Marktkirche, Händels Taufkirche. Auf dem Programm steht das Gedächtniskonzert, mit dem bereits 1784 in Westminster Abbey das erste große Händel-Fest stattfand. Unter Leitung des englischen Dirigenten Howard Arman wird es von britischen und Hallenser Künstlern gemeinsam gespielt.

In Händels Geburtshaus, Große Nikolaistraße 5, schlägt heute nicht nur das Herz der Händel-Festspiele. Mit seinen Nebengebäuden ist es ein Zentrum der Händel-Forschung. Dazu beherbergt das Händel-Haus ein umfangreiches Museum historischer Musikinstrumente. Nach grundlegenden Umbauten zum Händel-Jubiläum wird es sich ab dem 15. April mit neuer interaktiver Dauerausstellung präsentieren. Ihr Motto: Händel – der Europäer.

Noch heute denken viele Briten, Händels Wiege hätte an der Themse gestanden. Hatte man ihm doch schon zu Lebzeiten ein Denkmal in den Vauxhall Gardens gesetzt. Eine lebensgroße Marmorstatue, die jetzt im Victoria und Albert Museum zu sehen ist.

In seiner Geburtsstadt blickt der Komponist, auf einen Sockel gehoben, erst seit 1859, seinem 100. Todestag, über den Marktplatz. Und das, obwohl er seine Wurzeln nie vergaß. Denn auch wenn sich Händels Leben in Europa abspielte, kehrte der Musiker doch so oft er konnte ins heimatliche Halle zurück, um bis zu ihrem Tod 1730 seine Mutter zu besuchen. Sein Vater war schon 1697 gestorben.

Auch am Schicksal der übrigen Familie nahm er regen Anteil, wie seine Briefe belegen. Schließlich machte er seine Nichte Friederike zur Haupterbin und hinterließ ihr ein stattliches Vermögen von 20000 Pfund Sterling, was heute etwa sechs Millionen Euro entspräche. Händel selbst war nie verheiratet, hatte keine Kinder, sorgte für keinen Klatsch, keinen Skandal. Wie kaum einem anderen Prominenten gelang es ihm, sein Privatleben konsequent geheimzuhalten. „Ich führe kein Tagebuch, ich lebe“, soll er geäußert haben – und das 74 Jahre lang!

Nach ersten Opern-Erfolgen in Hamburg ging der junge Musiker 1707 nach Italien, hielt sich zwei Jahre lang in Florenz, Rom, Neapel und Venedig auf, war als „caro sassone“, „liebenswürdiger Sachse“, gern gesehener Gast des Adels und der Geistlichkeit.

Als 1709 seine Oper „Agrippina“ in Venedig gleich 27mal aufgeführt wurde, hatte er den Grundstein für seine spätere Karriere in London gelegt. Händel komponierte aber nicht nur eine Oper nach der anderen. Als Direktor der 1719 gegründeten Royal Academy of Music brachte er sie zusammen mit denen anderer Komponisten bis 1728 auch auf die Bühne. Eine Tätigkeit, die er die nächsten zehn Jahre als Privatmann fortsetzte, und wobei er nicht nur den finanziellen Ruin riskierte, sondern auch seine Gesundheit.

Finanziell gerettet hat den unverzagten Opern-Unternehmer wohl die lebenslange Pension von 200 Pfund, die ihm das Königshaus seit dem Auftrag für das Utrechter „Te Deum“ ab 1713 zahlte. Nach 1741 verlegte Händel seinen Schwerpunkt auf Oratorien. 1752 wurde sein letztes Oratorium „Jephta“ uraufgeführt.

Trotz seiner Wahlheimat jenseits des Kanals stand Händel lebenslang in Kontakt mit den preußischen Königen.

Schon Friedrich I. soll, damals noch Kurfürst, dem zwölfjährigen Händel angeboten haben, eine Musikausbildung in Italien zu finanzieren und ihn am Berliner Hof anzustellen. Beides fiel nicht auf fruchtbaren Boden. Und von Friedrich II. wird berichtet, daß dieser, selbst Komponist und zudem ein exzellenter Flötist, sich nach Händels Tod bemühte, dessen Autographe zu erwerben. Auch dies vergeblich! Helga Schnehagen

Foto: Georg Friedrich Händel: Der Komponist fand seine Wahlheimat in Großbritannien.


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