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11.04.09 / »Hinauf, hinauf zum Schloß« / Neue Dauerausstellung hebt penetrant die »europäische Dimension« des Hambacher Festes hervor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-09 vom 11. März 2009

»Hinauf, hinauf zum Schloß«
Neue Dauerausstellung hebt penetrant die »europäische Dimension« des Hambacher Festes hervor

Das geschichtsträchtige Hambacher Schloß wurde im vergangenen Jahr umgestaltet. Die neue Dauerausstellung dort über das Hambacher Fest und die deutsche Demokratiegeschichte ist ein Spiegelbild des heutigen Selbstverständnisses der Bundesrepublik Deutschland.

Hambach ist ein kleines Winzerdorf, das zu Neustadt an der Weinstraße gehört. Über dem Ort thront, weithin sichtbar, auf einem dem Pfälzerwald vorgelagerten Bergkegel das Hambacher Schloß. Schon das aufs engste mit der Region verbundene Kaisergeschlecht der Salier hatte an dieser strategisch bedeutenden Stelle im 11. Jahrhundert eine Befestigung errichtet: die Kästenburg. Nach den Befreiungskriegen gegen das napoleonische Frankreich fiel die Pfalz als „Rheinkreis“ an Bayern. Der Versuch des bayerischen Kronprinzen Max, die verfallene Burgruine zu einem Königsschloß „Maxburg“ umzubauen, blieb Episode. Ein anderes historisches Ereignis drückt Hambach bis heute seinen Stempel auf: die erste deutsche Massendemonstration für Freiheit, Einheit und Bürgerrechte unter schwarzrotgoldenen Bannern am 27. Mai 1832.

Noch bis vor etwas mehr als einem Jahr konnten sich Besucher dazu eine wohltuend unideologische Ausstellung ansehen. Die damalige Multivisionsschau vermittelte ein Bild, auf dem das Freiheitsstreben der Hambacher gleichrangig mit dem untrennbaren Ziel der nationalen Einheit erschien. Bezeichnenderweise en­dete die Schau mit der Melodie des Deutschlandliedes. Von der sonst so oft behaupteten europäischen Dimension des Hambacher Festes war nur insoweit die Rede, wie es die geschichtlichen Fakten zulassen. Diese erlauben es, von der Vision eines demokratischen Europas der Nationalstaaten zu sprechen, welche die 1832 versammelten Journalisten, Advokaten, Lehrer, Ärzte, Bürgermeister, Winzer und die Hunderte anwesender Burschenschafter umtrieb.

Das jüngsten Umbaumaßnahmen des Schlosses sorgten nun nicht nur für eine moderne Decke im Festsaal, für freie Ausblicke durch unverstellte Fenster in die Rheinebene und für technische Neuerungen wie Beamer und moderne Beleuchtung, die dazu beitragen sollen, den Bau zu einem hochkarätigen Tagungszentrum zu machen. Es gab auch ein von Hedwig Brüchert und Elmar Rettinger vom Institut für geschichtliche Landeskunde der Universität Mainz sowie einem Karlsruher Konzeptionsbüro verantwortetes didaktisches und geschichtspolitisches „Face-lift“. Statt einer Vielzahl von Stellwänden, mit denen das von medialen Reizen überflutete Publikum angeblich kaum zu interessieren ist, finden sich Schubladen mit historischen Dokumenten und Landkarten oder, für weniger Lesewillige, zeitgenössische Kleider zum Anprobieren, Billets mit der Aufschrift „Es lebe die Freiheit“ zum Selberdrucken, Reden von Aktivisten des Hambacher Festes via Lautsprecher oder Stimmungsberichte vom Mai 1832 an einer Audiosäule.

Zeitlich spannt sich der Bogen von der Mainzer Republik 1792 über den Wiener Kongreß von 1814/15, das Wartburgfest 1817, den Aufstand in Polen 1830, das Hambacher Fest und die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848 bis zum Grundgesetz, der deutschen Teilung und der Europäischen Union. Während Mauerfall und Wiedervereinigung weitgehend unberücksichtigt bleiben, stößt der Besucher auf zeitgeistig angehauchte Themenblöcke wie „Frauen in der Revolution“ und auf eine völlig unkritische Würdigung der aktuellen Pläne für eine „Europäische Verfassung“. Besonders auffällig ist die penetrante Hervorhebung der „europäischen Dimension“ des Hambacher Festes.

Die „Wiege der deutschen Demokratie“ in der Südpfalz, die im Mai 1832 auch die erste Massenpräsentation der schwarzrotgoldene Fahne erlebte, wird nach Kräften europäisiert. Historisch ist das nur eingeschränkt gerechtfertigt. Zwar befanden sich unter den schätzungsweise 30000 Teilnehmern auch einige Elsässer mit der französischen Trikolore, Engländer sowie polnische Emigranten (vom Turm der Burgruine wehte neben Schwarz-Rot-Gold auch Rot-Weiß, aber der Protest war zuvorderst eine deutsche Angelegenheit; ganz gemäß dem in Hambach von Philipp Jakob Siebenpfeiffer eingeforderten „heilige[n] Gesetz deutscher Freiheit“ und dem „leuchtende[n] Ziel deutscher Nationaleinheit, deutscher Größe“.

Die allzu effekthascherische, inhaltlich teils zweifelhafte Gestaltung der erneuerten Dauerausstellung im Hambacher Schloß ist aber nicht nur Folge einer modernen Europaeuphorie, sondern läßt sich ebenso auf die weitgehende Geschichtslosigkeit und Entpolitisierung der heutigen bundesdeutschen Bevölkerung und ihrer Eliten zurückführen. Eine Situation, die durchaus mit dem biedermeierlichen, intellektuell ummäntelten bürgerlichen Zurückweichen vor der Restauration nach 1815 vergleichbar ist. Denn wie klagte schon Ernst Moritz Arndt, einer jener in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wegen ihrer national-freiheitlichen Ideen geächteten oppositionellen Wortführer, über sein von ihm über alles geliebtes Volk: „Die Deutschen sind Kosmopoliten geworden und verachten die elende Eitelkeit, ein Volk zu sein; feine, leichte und aufgeklärte Gesellen sind es, ohne Vaterland, Religion und Zorn, die nur von Barbaren für etwas Großes gehalten wurden.“ Martin Schmidt

Die Ausstellung „Hinauf, hinauf zum Schloß“, Telefon (06321) 926290, E-Mail: info@hambacher-schloss.de, Internet: www.hambacher-schloss.de, ist vom November bis zum März täglich von 11 bis 17 Uhr und vom April bis zum Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Ergänzend zu den Ausstellungsinhalten wurde eine neue Internetseite www.demokratiegeschichte.eu ins Netz gestellt. Darüber hinaus kann der „Audioguide“ per Telefon unter der Nummer (06321) 9569979 und der anschließenden Zugabe der Nummern 1 bis 23 abgehört werden.

Foto: Die Botschaft ist klar: Neben den deutschen Farben auch jene Frankreichs und Polens


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