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11.04.09 / Zwischen Böhmen und Bayern / Kabinettausstellung im Glasmuseum Rheinbach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-09 vom 11. März 2009

Zwischen Böhmen und Bayern
Kabinettausstellung im Glasmuseum Rheinbach

Im Rahmen seiner thematischen Wechselausstellungen hat das Glasmuseum in Rheinbach eine kleine aber aufschlußreiche Kabinettausstellung präsentiert, die der Glasmanufaktur Franz Heide gewidmet war.

Stellvertretend für viele ähnlich gelagerte Schicksale veranschaulicht die Biographie der Manufaktur Heide ein Kapitel europäischer Glasgeschichte, das unweigerlich vom Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen – nicht zuletzt von Flucht und Vertreibung – geprägt wurde.

Die Kabinettausstellung zeigte anhand einiger ausgewählter Gläser, vor allem aber anhand von Firmenunterlagen wie Briefen, Katalogen, Schnittmustern, Fotos u.ä. den Weg der Glasmanufaktur Franz Heide aus Böhmisch Kamnitz - wenige Kilometer von der „Glasregion“ um Steinschönau/Kamenický Šenov und Haida/Nový Bor gelegen – nach Simbach am Inn in Bayern und beleuchtete auch die Gründe, die letztendlich zu ihrer Schließung führten.

Schon im 18. Jahrhundert kann die Familie Heide mit Glas in Verbindung gebracht werden. So waren zwei frühe Vorfahren von Isolde Paschko, geb. Heide – der letzten Inhaberin der „Glasmanufaktur Franz Heide“ – Glashändler in Henne, bevor der Glasveredler Anton Heide (1817–1896) 1840 dort eine Glasmanufaktur mit dem Namen „Anton Heide & Söhne“ gründete. 31 Jahre später verlegte er das Unternehmen von seinem Geburtsort Henne in das nahegelegene Böhmisch Kamnitz. Sein Sohn Franz (1846–1928) eröffnete ein Jahr vor dem Tod des Vaters im gleichen Ort eine eigene Firma mit dem Namen „Glasmanufaktur Franz Heide“, die er seinen Söhnen Herbert (1891–1961) und Franz (1890–1978) vererbte. Während Herbert als Glasraffineur die Firma übernahm, war sein Bruder Franz als Jurist Mitinhaber von „Franz Heide“. Im Zweiten Weltkrieg war Johanna Heide, die Ehefrau von Herbert Heide, während der Abwesenheit der beiden Inhaber für das Geschäft verantwortlich. 1945 wurde die Familie wie ein Großteil der Sudetendeutschen aus Böhmisch Kamnitz vertrieben, wo ihre Firma ein halbes Jahrhundert bestanden hatte.

In Simbach am Inn fanden Herbert Heide, seine Frau Johanna und die gemeinsame Tochter Isolde eine neue Heimat. Allerdings sollte noch einige Zeit verstreichen, bis 1955 alle Vorbereitungen abgeschlossen waren und die Firma in kleinerem Rahmen unter dem Namen „Isolde Ohme – vorm. Glasmanufaktur Franz Heide, Böhm.-Kamnitz“ eröffnet werden konnte. Inhaberin war nun seine 31jährige Tochter Isolde, die die Geschäfte in der Tradition und im Sinne des großen Namens ihrer Familie 32 Jahre lang führte. Während dieser Zeit hatte „Franz Heide“ Kunden in der gesamten Bundesrepublik, in Österreich, der Schweiz, Italien und in den Vereinigten Staaten. Ein in Simbach gefertigtes Stück wurde als Ehrenpokal für das Unternehmen Pan American Airlines verwendet, und Peugeot nutzte einen Flakon aus dem Hause Heide für Werbezwecke.

1983 jedoch zwangen äußere Umstände – Kostendruck, Änderungen im Kundenverhalten – Isolde Paschko dazu, die Firma nach insgesamt 82 Jahren des Bestehens aufzulösen.

Die letzte Firmeninhaberin hat mehrere Gläser und einen großen Teil des Firmenarchivs dem Glasmuseum Rheinbach überlassen. Das Material wurde von Dr. Michael Müller-Höveler und Stefanie Herden im Rahmen von berufsbezogenen und studentischen Praktika für eine Ausstellung aufgearbeitet. Die Exponate gehen in die Sammlung des Spezialmuseums ein.             Dieter Göllner

Foto: Ein Kunstwerk aus der böhmischen Manufaktur Franz Heide: Viele gläserne Exponate zieren die Ausstellung.


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