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11.04.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-09 vom 11. März 2009

Taube Unschuld / Warum die Politiker vom Ausmaß nichts wußten, was eigentlich »somalische Behörden« sind, und wie man höchste Güter verhökert
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die Petze wird gefährlich: Über vier Seiten plaudert Schleswig-Holsteins Ex-Wirtschaftsminister Werner Marnette im „Spiegel“ über das Desaster der HSH Nordbank und eröffnet uns abgrundtiefe Einblicke. Was hatten wir uns den Kopf zermartert: Wie konnte es sein, daß die „politisch Verantwortlichen“ von den heraufziehenden Debakeln bei den Landesbanken oder der KfW so gar nichts mitbekommen hatten?

Jetzt ahnen wir es, der Nebel verfliegt. Was sich herausstellt, ist ärgerlich, denn: Wir hätten die Erklärung für das Mysterium eigentlich schon aus den flaumweichen Rechtfertigungen der Politiker herauslesen können. Da hieß es unisono, daß ihnen leider, leider gar nicht bekannt war, wie ernst die Lage sei.

Ach wirklich? Und wer waren die dunklen Mächte, die unseren fürsorglichen Politikern die wichtigen Informationen hinterlistig vorenthalten hatten? Wir wollten Köpfe plumpsen sehen, Schuldige! Da ließen uns die Politiker nicht lange schmachten und präsentierten uns einen Bankchef oder so zur öffentlichen Opferung.

Danach wurde alles wieder gut, denn nun kamen die Krisenmanager aus der Politik und räumten die Trümmer weg, die ohne ihr Zutun und Wissen von anderen verursacht worden waren. Die weißen Ritter von den Kabinettsbänken hatten ergreifende Texte dabei, um uns zu ihren verschworenen Mitkämpfern zu machen in ihrem heroischen Ringen. Viel von Gemeinsamkeit war die Rede  und natürlich: „Wäre die Politik frühzeitig über das Ausmaß der Krise informiert gewesen, hätte sie rechtzeitig alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen und ...“ Die Rede kennen Sie alle, aus den unterschiedlichsten Mündern drang sie an unser Ohr.

Dieses Zusammenstehen, dieses gemeinsam Opfer und Kämpfer sein von Politik und Bürgern, das war besonders schön. Nur leider nicht besonders wahr. Marnette läßt uns in seinem Interview unter den bunten Teppich der Rhetorik gucken, wo sich der Unrat türmt: Sie, die Politiker, hätten selber dafür gesorgt, daß nichts Häßliches zu ihnen durchdrang, damit sie keine „Mitwisser“ würden, um später genau das sagen zu können, was sie schließlich auch sagen konnten: „Mir persönlich war nicht bekannt, daß ...“

Sogar als Wirtschaftsminister sei es zwar schwierig gewesen, überhaupt an Informationen aus der HSH Nordbank oder dem Kieler Finanzministerium heranzukommen. Von den Socken gehauen habe ihn aber erst, daß der Ministerpräsident Peter Harry Carstensen von seinen Entdeckungen gar nichts wissen wollte. Der habe offenbar um seine Unschuld als Nichtwisser gefürchtet, und er, Marnette, war mit Penetranz dabei, ihm die zu nehmen. Ähnliche Erfahrungen, Blockade bei der Informationsbeschaffung und Weghören bei ihrer Weitergabe, will der langjährige Manager und Minister a. D. von diversen Verantwortlichen in Kiel und Hamburg erfahren haben.

An Förde und Alster haben Werner Marnettes Ausführungen Empörung ausgelöst. Nein, selbstverständlich nicht über das Enthüllte, sondern über seine Enthüllung. Die Kieler Regierung prüft laut „Hamburger Abendblatt“, ob man den Mann wegen Geheimnisverrats drankriegen könnte.

Weiß einer, womit „Geheimnisverrat“ eigentlich bestraft wird? Das Bild hätte schon was: Marnette hockt im Knast, während sich draußen die Nordpolitiker als „Krisenmanager“ feiern lassen. Bemerkenswert, daß in den beiden Republiken an der Küste Bananen nur unter Glas wachsen, wo sie doch so wunderbar in die windige Landschaft passen würden.

Allerdings, ob sie den geschwätzigen Ex-Wirtschaftsminister wirklich in Kiel vor Gericht stellen, ist recht fraglich. Wer weiß, was der auf der Anklagebank noch alles ausplaudert? Nein, lieber ruhen lassen, die leidige Sache. Außerdem haben wir von den Politikern doch alle gelernt, daß „Schuldzuweisungen in der Krise nicht weiterführen“, weshalb wir jetzt „alle gemeinsam ...“, aber das hatten wir ja schon.

Überdies ist die Justiz sowieso überlastet, zumal die an der Küste, auf die bald noch mehr Arbeit zukommen könnte: Die deutschen Anwälte der somalischen Piraten, die derzeit in Kenia einsitzen, weil sie ein deutsches Schiff angegriffen haben sollen, würden ihre Klienten am liebsten nach Deutschland holen. Sicherheitsexperten sind da anderer Meinung: Wenn die erstmal hier sind, heißt es, würden die höchstens eine Bewährungsstrafe bekommen und danach Asyl und Hartz IV genießen.

Wir hatten schon an früherer Stelle angemerkt, daß ein derartiges Verfahren die Seeräuberei noch weitaus attraktiver machen könnte, und deshalb eher nicht zu empfehlen sei. Allerdings darf das nicht auf Kosten der Menschenrechte gehen: Die Anwälte haben herausgefunden, daß die afrikanischen Piraten in dem afrikanischen Gefängnis von Mombasa ungeheuerlicherweise behandelt werden wie Insassen von Gefängnissen in Afrika. Den Skandal bestätigt angeblich auch das Auswärtige Amt.

Daher müsse nun dringend interveniert werden. Zumal noch völlig unklar sei, ob es sich bei den Gefaßten überhaupt um Piraten handele. Das behaupte bloß die deutsche Marine. Der somalische Kapitän hingegen bestehe darauf, daß er mit Genehmigung der somalischen Behörden ganz friedlich Waffen in den Jemen transportieren wollte. Und seine  acht Mitgefangenen seien harmlose Touristen gewesen. Ah ja, die somalischen Behörden also. Nach Kenntnis der Uno ist Somalia ein sogenannter „gescheiterter Staat“,  dessen „Behörden“-Struktur dem Aufbau lateinamerikanischer Straßengangs ähnelt, wo die Ablehnung von Anträgen durchs Mündungsfeuer erteilt wird.

Bevor nun der Abtransport friedlicher Waffenschieber und ihrer reizenden Mitreisenden nach Deutschland die Wanderungsströme aus Afrika nach Europa von Atlantik und Mittelmeer in den Indischen Ozean umleitet, sollten wir uns noch einmal die Frage stellen, warum unsere Marine da unten überhaupt herumkreuzt: Es geht den Seemächten, allen voran denen in der Nato, darum, die Freiheit der Meere zu schützen vor dem Gesindel. Die Nato ist das Bündnis der Freiheit schlechthin. Freiheit ist ein hohes Gut! Da gibt es nichts zu rütteln.

Oder? Güter sind handelbar, wie uns beim Geschacher um den Posten des Nato-Generalsekretärs in Erinnerung gerufen wurde. Anders Fogh Rasmussen hatte 2005 das Gut der Pressefreiheit verteidigt, was ihm die Türken bis heute nicht verziehen haben. Deshalb ließen sie sich seine Ernennung abkaufen für das Verbot eines kurdischen TV-Senders in Dänemark, die Erweiterung ihrer EU-Beitrittsverhandlungen und ein paar hohe Posten bei der Nato.

Man muß sich diese Delikatesse  sachte über die Zunge laufen lassen, um sie in ihrer ganzen Schmierigkeit zu kosten: Das Bündnis der Freiheit tut Buße bei einem von „gemäßigten Islamisten“ regierten Mitgliedstaat, um seine Schuld zu sühnen, die darin bestand, daß ein anderes Mitglied gewisse Karikaturen nicht verboten hat.

Ja, da haben die großen Führer des Nordatlantikpaktes recht, wenn sie seit 20 Jahren verkünden: Die Hauptaufgaben des Bündnisses sind heute nicht mehr militärischer, sondern politischer Natur. Heißt: Es bedarf heute keiner Kriegsdrohungen mehr, um die Nato in Schrecken zu versetzen. Es reicht ein bißchen politischer Druck, und die Allianz liefert ihre einst unverrückbaren Prinzipien artig ab.

Immerhin hat sich Rasmussen nicht auch noch entschuldigt dafür, daß er 2005 noch wußte, was Freiheit ist. Ursprünglich soll er auch das angeboten haben. Vielleicht glaubt er ja an Zeichen? Der Däne ist kurz vor seiner Rede in Istanbul, von der die Entschuldigung erwartet worden war, in der Toilette übel ausgerutscht, wobei er sich die Schulter verstauchte. Schöne Vorstellung, wie ihn da ein guter Geist ganz böse am Oberarm gepackt hat.


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