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18.04.09 / Russki-Deutsch (13): Soljanka

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Russki-Deutsch (13):
Soljanka
von Wolf Oschlies

Wenn’s in DDR-Restaurants gar nichts zu essen gab – eine „Soljanka“ kriegte man immer, jene stets lauwarme Brühe aus Wurstresten und Erbsen. Wer diesem eigenwilligen Eintopf den russischen Namen „Soljanka“ gab, muß ein Zyniker und ausgemachter Russenfeind gewesen sein.

Natürlich kennen Russen eine „soljanka“ – als ein Kräutchen, das in der Nähe von Salzsiedereien wächst. Darauf verweist auch sein Name, denn Salz heißt auf Russisch „sol‘“. Eine Suppe gleichen Namens gab es bis Mitte des 20. Jahrhunderts nicht, wohl aber seit altersher eine „seljanka“. „Seljanka“ heißt auch „Bäuerin“, daneben bezeichnet das Wort eine deftige ländliche Suppe aus Fleisch, Fisch, Pilzen oder allem zusammen. So sagen es Wolin und Uschakow in ihrem voluminösen „Etymologischen Wörterbuch der russischen Sprache“ von 1949. 

Wann aus der „Seljanka“ eine „Soljanka“ wurde und ob beim Namenswechsel kräftige Prisen Salz mitspielten, ist immer noch eine Streitfrage unter Experten. Mich interessiert das nicht, aber ich bedauere die armen DDR’ler, denen als „Soljanka“ ein liebloses Resteessen serviert wurde, das mit dem kulinarischen Glanz einer echt russischen „Soljanka“ wirklich nichts zu tun hatte. Denn die wird nicht einfach gekocht – sie wird zelebriert: Zuerst werden Schinken und Zwiebeln angebraten, dann kommen Gemüse, gebratenes Fleisch, schließlich Fleischbrühe, was alles mit frischen Kräutern abgeschmeckt wird. Bei der „Fisch-Soljanka“ nimmt man frischen Fisch oder Flußkrebs, bei der „Pilz-Soljanka“ Pilze und viel Gemüse. Am Schluß noch etwas Zitrone und saure Sahne, dann „prijatnogo appetita“ (guten Appetit)!

Auch wenn eine Soljanka, wie es sie in HO-Gaststätten der DDR gab, nicht jedermanns Geschmack ist, hat sich durch Besuche und Korrespondentenberichte ihr exotischer Name auch bei Westdeutschen bald herumgesprochen. Dieses Schicksal teilte sie mit dem „Broiler“ (Brathähnchen), der zwar englisch benannt ist, als Fleischgericht aber um 1972 aus Bulgarien in die DDR flatterte. Seit der Wiedervereinigung können die Deutschen der neuen Bundesländer in Rußland das entdecken, was ihnen früher vermiest wurde, zum Beispiel eine echte „Soljanka“.


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