29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.04.09 / Keine Kontrolle, keine Haftung / Experten warnen vor Folgen der G20-Milliardenbeschlüsse – China und Rußland wollen neue Leitwährung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Keine Kontrolle, keine Haftung
Experten warnen vor Folgen der G20-Milliardenbeschlüsse – China und Rußland wollen neue Leitwährung

Manch spontaner Kommentar feierte den G20-Gipfel als strahlenden „Beweis für internationale Handlungsfähigkeit“. Bei genauer Betrachtung wird jedoch klar: Die Gipfel-Teilnehmer sind weitere, enorme Risiken für das Weltfinanzsystem eingegangen.

Der Beschluß der G20 war erst wenige Stunden alt, da griff Mexiko als erstes Land schon kräftig zu. 47 Milliarden Dollar verschaffte sich der mittelamerikanische Staat per Kredit vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Die 20 größten Wirtschaftsmächte der Welt hatten auf ihrem Gipfel in London beschlossen, die Kreditmittel des IWF zunächst auf 500 Milliarden Dollar zu verdoppeln und mittelfristig mehr als zu verdreifachen.

Parallel dazu wurden die Kreditbedingungen spürbar gelockert. Bislang mußten Bittsteller beim IWF strenge Auflagen erfüllen, um an Geld zu kommen. Damit sollte verhindert werden, daß mit der internationalen Hilfe bloß der Schlendrian oder die verkrusteten Strukturen weiterfinanziert werden, die den Antragsteller in die Krise gestürzt hatten. Nach der in London beschlossenen Lockerung aber hat Experten zufolge niemand mehr eine wirksame Kontrolle darüber, ob das Geld nutzbringend verwendet wird.

Neben der erweiterten Kreditlinie haben die G20 auch eine Ausweitung der sogenannten „Sonderziehungsrechte“ (SZR) um 250 Milliarden Dollar beschlossen. Die SZR sind eine 1969 eingeführte, künstliche Währungseinheit, die aus einem Korb von Dollar, Euro, Yen und Pfund errechnet wird. Ein SZR entspricht derzeit rund 90 Euro-Cent.

Der IWF teilt den Ländern SZR nach einem bestimmten Schlüssel zu, für den unter anderem ihre Wirtschaftskraft, Zahlungsfähigkeit sowie Gold- und Devisenreserven herangezogen werden. Für ihre SZR können sich die Länder im Bedarfsfall beim IWF „echtes“ Geld leihen. Durch die sorgsam überprüfte Zuteilung von SZR wird verhindert, daß unkontrolliert Geld über Kredite geschöpft wird, ohne daß entsprechende Deckungswerte vorhanden wären. So soll die Gefahr von Inflation durch ungedeckte Kreditvergabe gebannt werden.

Daß nunmehr, ähnlich wie bei den direkten IWF-Krediten, auch SZR ohne solche peniblen Prüfungen verteilt werden sollen, versetzt stabilitätsbewußte Währungshüter ebenso in Aufruhr wie die deutlich erleichterte Kreditvergabe. Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, schimpft: „Das ist reine Geldschöpfung. Das ist Helikopter-Geld für den Globus.“ Stark ist neben Bundesbank-Chef Axel Weber einer der beiden Deutschen im 22köpfigen Direktorium der EZB.

Als „Helikopter-Geld“ bezeichnen Währungsexperten Geld, das bewußt über jede realwirtschaftliche Deckung hinaus hergestellt wird, um die Wirtschaft zu stimulieren. Wie gefährlich solche „reine Geldschöpfung“ ist, erweist sich erst, wenn die Wirtschaft wieder in Gang kommt, und das neue Geld nachfragewirksam wird. Dann droht drastische Geldentwertung, weil die erhöhte Geldmenge auf zu wenig kaufbare Güter trifft.

Moniert wird zudem, daß wegen der ausbleibenden Prüfung der Kredit- und SZR-Empfänger mit erhöhten Ausfällen bei der Rück-zahlung zu rechnen sei. Erst wenn Rückzahlungen tatsächlich ausfallen, werden auch die Bürger in den großen Geberländern wie Deutschland das umgestüme Gebahren des IWF in ihren eigenen Staatshaushalten zu spüren bekommen.

Kritiker bemängeln in diesem Zusammenhang, daß wieder einmal niemand haftet, wenn die gewaltigen Summen einfach verschleudert werden, etwa, weil Kreditnehmer das IWF-Geld lediglich für gesamtwirtschaftlich unsinnige Wahlgeschenke verplempern. Die bittere Ironie sei, daß die derzeitige Krise gerade deswegen entstanden sei, weil die Verursacher von Milliardenschäden nicht ernsthaft damit rechnen mußten, im Falle des Scheiterns ihrer Spekulation zur Rechenschaft gezogen zu werden.  Eigentlich sollte es bei dem Gipfel doch um mehr Verantwortung, mehr Haftung gehen. Statt dessen sei abermals das Gegenteil herausgekommen.

Fachleute sehen die Gefahr, daß auf diese Weise das Vertrauen weiter untergraben werde. Dabei sei die derzeitge Krise auch und vor allem eine Vertrauenskrise, und das Mißtrauen in die Stabilität des Weltfinanzsystems wachse mit solchen Beschlüssen weiter, weshalb die Wirtschaft nicht in Schwung komme. Wie weit die Verunsicherung mittlerweile geht, zeigt der Vorstoß Chinas und Rußlands, den US-Dollar als Leitwährung längerfristig abzulösen. Sicher stecken dahinter auch machtpolitische Motive: Die Rivalen der USA wollen die Lage dazu nutzen, um die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten an einem entscheidenden Punkt zu brechen, der Dominanz des Dollar.

Darüber hinaus aber schwingt echte Sorge mit: China ist größter Gläubiger der USA, die Volksrepublik sitzt auf 2000 Milliarden US-Dollar an Devisenreserven, die das bevölkerungsreichste Land der Erde durch seine Exportüberschüsse gegenüber den USA angehäuft hat. Peking fürchtet die Entwertung seiner Dollar-Ersparnisse durch die laxe Geldpolitik der US-Notenbank.

Für die Zukunft läge es in der Logik von Chinas Linie, den Dollar als Weltreservewährung durch die SZR des IWF zu ersetzen. Der weltweite Zahlungsverkehr würde dann nicht mehr vorwiegend in Dollar, sondern in SZR erfolgen. Somit würden die Devisenreserven aus Exporterlösen nicht mehr ganz überwiegend in Dollar, sondern in SZR anfallen. Durch ihre Mischstruktur wäre die neue Weltwährung nicht mehr allein abhängig von der Politik einer einzigen Notenbank, wie es beim Dollar der Fall ist. Trotz der starken Stellung des Dollar im SZR-Währungskorb würde eine solche Umstellung den globalen Einfluß Washingtons beträchtlich schmälern.                        Hans Heckel

Foto: Schafft sich seine eigenen Regeln: Die Arbeit des IWF ist für viele zu abstrakt und undurchschaubar.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren