25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.04.09 / Die Soziale Marktwirtschaft als Retter aus der Krise

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Auf ein Wort
Die Soziale Marktwirtschaft als Retter aus der Krise
von Jörg Schönbohm

Die Große Koalition kann auch anders. Einträchtig wie lange nicht mehr verabschiedeten die Bundestagsfraktionen von  CDU/CSU und SPD Ende März das umstrittene Enteignungsgesetz. Damit steht der Regierung nun erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik die Möglichkeit offen, Aktionäre zu enteignen und Banken gegebenenfalls vollständig zu verstaatlichen. Die Befürworter des Gesetzes argumentieren, daß die Ban-kenholding „Hypo Real Estate“, auf die das zeitlich befristete Gesetz zugeschneidert ist, eine systemrelevante Bedeutung für unseren Finanzmarkt habe. Eine Insolvenz würde ungeahnte Konsequenzen nach sich ziehen. Doch egal wie nachvollziehbar diese Argumentation auch sein mag, bleibt es dabei, daß die Enteignung von Banken durch den Staat einen ordnungspolitischen Tabubruch darstellt. Enteignungen widersprechen der Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft. Wer Firmen erhalten und stärken will, darf keine Enteignungspolitik betreiben. Das Eigentum ist ein Grundprinzip unserer Gesellschaftsordnung und wird nicht ohne Grund durch unsere Verfassung besonders geschützt.

Natürlich ist es in der aktuellen Krise notwendig und auch gerechtfertigt, wichtige Banken und Unternehmen staatlicherseits zu unterstützen, wenn damit eine Verschlimmerung der Krise verhindert werden kann. Es muß jedoch auch eine klare Grenze gezogen werden. Der Staat kann nicht jedem kriselnden Unternehmen finanziell unter die Arme greifen, geschweige denn, jede in Not geratene Bank verstaatlichen.

Enteignung und Verstaatlichung sind Instrumente der sozialistischen Planwirtschaft und nicht der Sozialen Marktwirtschaft. Es kann nicht die Aufgabe des Staates sein, reihenweise Unternehmen vor der Insolvenz zu retten. Vielmehr muß der Staat die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Firmen aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommen. Die Regierung darf nicht den Eindruck vermitteln, daß jedem Bittsteller mit Staatsgeld geholfen werden könne.

Die Liste der angeschlagenen Unternehmen und Banken ist lang und sie wird jeden Tag länger: Opel, Schaeffler, Hypo Real Estate, die IKB, die Landesbanken. Es wäre jedoch keinem geholfen, wenn sich der Staat aus falsch verstandener Solidarität auf finanzpolitische Vabanquespiele einlassen würde. Experten warnen davor, daß die Bundesrepublik nach der Rettung der angeschlagenen Firmen selber Konkurs anmelden müßte. Der Staat kann niemals die Heilungsprozesse in der Wirtschaft ersetzen, sondern höchstens die Selbstheilung durch sinnvolle strukturelle Reformen befördern.

Die Krise hat deutlich gemacht, daß der Markt bestimmte Regeln braucht. Hier ist der Staat gefragt. Es ist seine Aufgabe, entsprechende Regeln zu machen, über ihre Einhaltung zu wachen und wo nötig Fehlentwicklungen zu korrigieren und Exzesse in der Wirtschaft zu verhindern. Rettungsschirme, Staatsbürgschaften und Finanzspritzen können kein Ersatz sein.

Im Angesicht der globalen Wirtschaftskrise ist die Rückbesinnung auf die Stärken unserer Sozialen Marktwirtschaft wichtiger denn je. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte uns das freiheitliche Wirtschaftssystem innerhalb kürzester Zeit von der Mangelwirtschaft zum Wirtschaftswunder. Nur wenige Jahre nach dem unfaßbaren Elend der Nachkriegszeit war Ludwig Erhards Vision vom „Wohlstand für alle“ Wirklichkeit geworden.

Die Soziale Marktwirtschaft sorgte nicht nur für eine Stabilisierung der Wirtschaft, sondern auch für die Stabilisierung unserer demokratischen Ordnung. Der Erfolg des Wirtschaftssystems und der Wohlstand der Bundesrepublik wurden für Generationen zu einer nationalen Identifikationsklammer. Ohne den wirtschaftlichen Erfolg des Westens wäre die Deutsche Einheit 1989/1990 nicht denkbar gewesen.

Eigeninitiative, Eigenverantwortung und die Freiheit des Individuums sind die Prinzipien, die nach 1945 zum Aufbau dieses Lands beitrugen. Erhard faßte die Essenz der Sozialen Marktwirtschaft in einer knappen Formel zusammen: „Ich will mich aus eigener Kraft bewähren, ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du, Staat, dafür, daß ich dazu in der Lage bin.“ Nur jene, die durch Krankheit oder Alter nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, sollen solidarisch von den anderen gestützt werden. 

Bereits vor über 50 Jahren warnte Erhard vor dem „übermächtigen Ruf“ nach kollektiver Sicherheit. Niemand solle sich der gefährlichen Illusion hingeben, der Staat könne eine Rundum-Versorgung aller Bürger gewährleisten: „Wo … sollen wir hinkommen und wie wollen wir den Fortschritt aufrechterhalten, wenn wir uns immer mehr in eine Form des Zusammenlebens von Menschen begeben, in der niemand mehr die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen bereit ist und jedermann Sicherheit im Kollektiv gewinnen möchte? Ich habe diese Flucht vor der Eigenverantwortung drastisch genug gekennzeichnet, wenn ich sagte, daß, falls diese Sucht weiter um sich greift, wir in eine gesellschaftliche Ordnung schlittern, in der jeder die Hand in der Tasche des anderen hat.“ 

Ein solches Denken, so fuhr Erhard fort, führe letztendlich dazu, daß die echten menschlichen Tugenden, wie „Verantwortungsfreudigkeit, Nächsten- und Menschenliebe, das Verlangen nach Bewährung, die Bereitschaft zur Selbstvorsorge und noch vieles Gute mehr“ zunehmend absterben würden. Am Ende stünde dann nicht eine klassenlose, sondern eine „seelenlos mechanisierte Gesellschaft“. Erhards Warnung aus dem Jahr 1958 hat bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüßt.

Daß wir in der Vergangenheit die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zunehmend aus den Augen verloren haben, ist durchaus mit schuld an der gegenwärtigen Krise. Ehrlichkeit, Fairness, Gerechtigkeitssinn, aber auch Leistungsbereitschaft, Selbstdisziplin und Maßhalten müssen wieder zum Wertekanon unseres Wirtschaftssystems gehören. Gemeinsam mit kaufmännischen Tugenden wie Fleiß, Pflichtgefühl, Sparsamkeit und Tüchtigkeit sind diese Prinzipien unentbehrliche Stützen unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Wir brauchen wieder ein Bekenntnis zu mehr Eigenleistung und Selbstverantwortung. Unser auf den Staat konzentriertes Anspruchsdenken muß ein Ende haben. Unser Wirtschaftssystem bezieht seine Stärke daraus, daß es Freiheit und Verantwortung, Wettbewerb und Solidarität miteinander versöhnt. Wie kein anderes Wirtschaftssystem verbindet es ökonomische Vernunft mit sozialer Gerechtigkeit und bringt die Bedürfnisse der Menschen mit den Erfordernissen der Wirtschaft in Einklang.

Die Wirtschaftskrise ist eine Bewährungsprobe für unser Land. Sie ist eine Bewährungsprobe für unsere Wirtschaftsordnung, sie ist aber auch eine Bewährungsprobe für unsere Demokratie. Auf die anstehenden Herausforderungen mit weiteren Enteignungen zu antworten, wäre auf jeden Fall der falsche Weg. Jede Form der Enteignung zerstört die Basis unserer freiheitlichen Ordnung. Verstaatlichungen und flächendeckende Staatsbürgschaften führen die Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft ad absurdum und werden daher niemals ihrem Schutz dienen.

Statt in Krisenzeiten die Fundamente unserer Wirtschaftsordnung in Frage zu stellen, sollten wir uns daran erinnern, was wir der Sozialen Marktwirtschaft zu verdanken haben und was es auch in der Zukunft zu verteidigen gilt: Einheit, Frieden und Wohlstand für unser Vaterland. 


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren