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18.04.09 / Zögernder Aufstieg zur Kolonialmacht / Vor 125 Jahren stellte die Reichsregierung westafrikanische Erwerbungen deutscher Kaufleute unter den Schutz des Reiches

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-09 vom 18. April 2009

Zögernder Aufstieg zur Kolonialmacht
Vor 125 Jahren stellte die Reichsregierung westafrikanische Erwerbungen deutscher Kaufleute unter den Schutz des Reiches

„Die Flagge folgt dem Handel.“ Entsprechend dieser Maxime wurden vor 125 Jahren erst die südwestafrikanischen Besitzungen des Bremers Adolf Lüderitz und wenige Monate darauf die des Hamburgers Adolph Woermann in Kamerun und Togo zu den ersten Kolonien des Deutschen Reiches.

„… nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut.“ Nur zu gerne werden diese Worte dem preußischen Ministerpräsidenten und späteren ersten deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck angekreidet, als ob jemand einen traurigen Zustand dadurch guthieße, daß er ihn beschreibt. Statt von Chauvinismus zeugen diese Worte eher von der Nüchternheit und dem Pragmatismus, welche die Politik des Reichsgründers auszeichneten.

Nüchtern und pragmatisch war auch seine Haltung in der Kolonialfrage. Prestigedenken und Eitelkeit waren seiner Kolonialpolitik ebenso fremd wie illusionäre Erwartungen hinsichtlich des volkswirtschaftlichen Nutzens deutscher Kolonien. Anders als für die wilhelminische war für die Bismarcksche Politik das, was wir heute die „Dritte Welt“ nennen, unwichtig. Gegenüber dem Afrikaforscher Eugen Wolf formulierte er es wie folgt: „Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Hier liegt Rußland. Und hier liegt Frankreich, und wir sind in der Mitte, das ist meine Karte von Afrika.“ Bismarck war nicht willens, die aus seiner geographischen Lage resultierende ohnehin schon schwierige Situation Deutschlands durch eine offensive oder gar aggressive Kolonialpolitik zusätzlich zu gefährden. Folglich lehnte er es erklärtermaßen ab, daß das Reich auf fremden Kontinenten Gebiete eroberte und seiner Herrschaft unterwarf. Er war nur bereit, Gebiete, in denen deutsche Kaufleute auf friedlichem Wege Rechte erworben hatten, unter den Schutz des Reiches zu stellen. Auf den Punkt gebracht wurde diese Vorgehensweise mit der Metapher „Die Flagge folgt dem Handel.“ Bei dieser Form von Kolonialpolitik kam den Großkaufleuten die Rolle des Initiators zu. Im Falle der ersten Kolonie des Deutschen Reiches war dieses Franz Adolf Lüderitz.

Der 1834 geborene Bremer war der Sohn eines Tabakhändlers. Der Beruf seines Vaters und Abenteuerlust zogen ihn ins Ausland, zunächst in die USA und nach Mexiko. 1859 kehrte er zu seinem Vater zurück und trat in dessen Tabakgeschäft ein. 1866 heiratete er die vermögende Bremerin Emmy von Lingen. Diese Ehe machte ihn finanziell unabhängig.

Im Jahre 1878 übernahm er nach dem Tode seines Vaters dessen Tabakgeschäft, doch erfüllte ihn diese Tätigkeit nicht. Er erwarb ein Landgut, das er bewirtschaftete, und versuchte wieder, im fernen Ausland Fuß zu fassen. Sein Auge fiel dabei auf Südwestafrika, das noch keine der Kolonialmächte für sich reklamiert hatte. 1882 entsandte er seinen Mitarbeiter Heinrich Vogelsang nach Kapstadt, um von dort aus ein geeignetes Gebiet für die Gründung einer deutschen Siedlungskolonie ausfindig zu machen. Vor Ort machte der Sohn eines dort wirkenden Missionars Vogelsang auf die Bucht von Angra Pequena, die spätere Lüderitzbucht, als günstigen Landeplatz aufmerksam.

Am 1. Mai 1883 kaufte Vogelsang in Bethanien für seinen Arbeitgeber vom Nama-Häuptling Josef Frederiks die Bucht von Angra Pequena einschließlich des Landes im Umkreis von fünf Meilen für 100 Pfund und 200 Gewehre. Ein Vierteljahr später erwarb er in einem weiteren Vertrag für 500 Pfund und 60 Gewehre einen 20 Meilen breiten Küstenstreifen der vom 26. südlichen Breitengrad im Norden bis zur Mündung des Flusses Oranje, der späteren Südgrenze von Deutsch-Südwestafrika, im Süden. Ob es sich bei den Meilen um englische mit einer Länge von 1,6 Kilometern oder preußische mit einer Länge von 7,5 Kilometern handelte, blieb offen und gab später Grund zum Streit zwischen den Vertragsparteien, wobei sich die deutsche Seite durchsetzte.

Angesichts des sogenannten Meilenschwindels ist es um so verständlicher, daß Lüderitz seine Erwerbung unter den Schutz des Reiches gestellt wissen wollte. Aufgrund Bismarcks Desinteresse an Afrika erhielt Lüderitz vom Auswärtigen Amt jedoch nur den üblichen Schutz für Deutsche im Ausland zugesagt.

Lüderitz hatte jedoch das Glück, daß sich der einflußreiche Großkaufmann Adolph Woermann in einer ähnlichen Situation mit vergleichbaren Interessen befand. Dem Hamburger gelang es, daß sich die Handelskammer seiner Stadt eine Denkschrift von ihm zu eigen machte und an die Reichsregierung weiterleitete. In dieser Schrift vom Juni 1883 wurde von Berlin eine neue, aktive Afrikapolitik gefordert. Zu den konkreten Forderungen gehörte die „Erwerbung eines Küstenstriches in West-Afrika zur Gründung einer Handelskolonie Biafra Bai“. So wie Lüderitz für Südwestafrika war Woer­mann für Kamerun und Togo am Schutz des Reiches interessiert. Nach einem Gespräch mit Woermann und Lüderitz glaubte Bismarck die momentane weltpolitische Lage für das Reich gut genug, es verantworten zu können, dem Wunsche der beiden hansestädtischen Großkaufleute entsprechen zu können. Das Deutsche Reich begann mit der Gründung von Kolonien, wurde nun auch Kolonialmacht. Der Startschuß fiel vor 125 Jahren. Am 24. April 1884 wurden Adolf Lüderitz’ Erwerbungen als Deutsch-Südwestafrika unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt.           Manuel Ruoff

Foto: Deutsch-Südwestafrika: Den Nukleus stellte Angra Pequena, das spätere Lüderitz, dar.


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