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25.04.09 / Die endliche Geduld der Mitte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-09 vom 25. April 2009

Die endliche Geduld der Mitte
von Harald Fourier

Wenn jemand ein demokratiekritisches Buch schreiben wollte, müßte er derzeit lediglich einige Aussagen führender Spitzenpolitiker aus dem politischen Berlin zusammentragen: Norbert Lammert (CDU) will nicht, daß die Bundesregierung komplett nach Berlin umzieht. Wolfgang Thierse (SPD) hingegen ist lautstark für den endgültigen Abschied von Bonn.

Die Haltung Lammerts hat in Berlin niemanden überrascht. Lammert stammt aus Nordrhein-Westfalen. Für ihn wäre es politisches Harakiri, wenn er nicht seine Hand schützend über die Pfründe von Bonn am Rhein hielte. Das gilt umgekehrt natürlich auch für Wolfgang Thierse: Er ist Abgeordneter aus Berlin. Er fordert das, was in der Hauptstadt gut ankommt. Ob es sich auch verwirklichen läßt, steht auf einem anderen Blatt.

Die Berliner Politik gleicht dieser Tage der Wünsch-dir-was-Sendung aus den frühen 70er Jahren. Parteienvertreter treten mit allerlei populären Forderungen an die Öffentlichkeit, den Wahltermin im September immer fest im Blick. So forderte vor einer Woche ein CDU-Promi aus der zweiten Reihe (natürlich einer aus Westdeutschland) die  Abschaffung des Solidaritätszuschlages zur Einkommensteuer.

Die SPD will jedem 300 Euro schenken, der auf eine Steuererklärung verzichtet. Als sie sich diesen Vorschlag ausgedacht haben, lagen die SPD-Oberen bestimmt vor Lachen unterm Tisch. „Erst erhöhen wir die Steuern und machen das Steuerrecht so kompliziert, daß es keiner mehr versteht. Dann schenken wir jedem 300 Euro von seinem eigenen Geld zurück – wenn er keine Steuererklärung macht, die sowieso viel zu schwer geworden ist. Und dafür sind die uns dann auch noch dankbar.“ So ein Wahljahr schreibt die  schönste Satire, ganz ohne Drehbuch.

Die entscheidende Frage ist: Was passiert, wenn nach der Bundestagswahl die Erwartungen enttäuscht werden? Dann sinkt die Wahlbeteiligung, oder Radikale profitieren von dem Frust der Wähler, die sich ein ums andere Mal betrogen fühlen.

Schon bei einigen der jüngsten Demonstrationen auf den Straßen und Plätzen Berlins zogen auffallend viele Menschen mit, die nach eigenem Bekunden bislang noch nie auf einer politischen Kundgebung waren.

Es sind die Opfer der Krise. Denn diese Krise schlägt in der Mitte des Volkes ein. Die Geduld dieser Mitte wird durch den Absturz der Weltwirtschaft somit auf eine harte Probe gestellt, weshalb populäre Mätzchen schlechter ankommen dürften denn je.


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