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25.04.09 / Diplomaten als Verkehrsrowdies / Berlin erlebt, wie Botschaftsangestellte rücksichtslos ihre Immunität mißbrauchen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-09 vom 25. April 2009

Diplomaten als Verkehrsrowdies
Berlin erlebt, wie Botschaftsangestellte rücksichtslos ihre Immunität mißbrauchen

Nach einigen Bieren zuviel stieg Gerd S.* ins Auto und fuhr nach Hause. Es war an einem Sonntagmorgen. An einer menschenleeren Kreuzung in Berlin-Zehlendorf krachte es dann. S. schätzte den Bremsweg falsch ein und fuhr leicht auf eine vor ihm stehende Nobelkarosse auf.

Sofort schossen dem angetrunkenen Fahrer die wildesten Gedanken durch den Kopf: Jetzt ist dein Führerschein weg! Die Versicherung kommt nicht für den Schaden auf! Wäre ich mal lieber mit dem Taxi gefahren! Da waren sie, die Schuldgefühle, die ihn besser beim Einsteigen befallen hätten.

Doch genau in diesem Moment geschah etwas Unerwartetes: Der Wagen, den er angefahren hatte, setzte sich beim Grünwerden der Ampel zügig in Bewegung und verschwand im Dunkelblau des anbrechenden Tages. S. dachte, er sehe nicht richtig, als der Wagen plötzlich mit Karacho davonfuhr. Er hatte alles erwartet. Ein Schleudertrauma des Fahrers oder eine von den Insassen eilig herbeibestellte Polizeistreife.

Eine Sache ist S. erst aufgefallen, als der andere Wagen losfuhr − er trug ein Diplomatenkennzeichen. Später reimte er sich das ganze so zusammen: Auch der andere Fahrer muß betrunken gewesen sein, sonst wäre er ja wohl ausgestiegen und hätte die Polizei geholt. Einfach wegzufahren, wenn jemand anders einen Schaden an seinem Wagen verursacht hat, das würde sonst niemand machen – es ergibt einfach keinen anderen Sinn.

Daß der angefahrene Wagen eine Diplomatenkarosse war, spricht übrigens eher für als gegen die Theorie des Gerd S. Denn die Vertreter ausländischer Staaten fallen immer wieder als schlimme Verkehrsrüpel auf.

Am Montag berichteten Berliner Medien, daß im vergangenen Jahr 8400 Verkehrsverstöße von in Berlin stationierten Diplomaten registriert worden seien. Dazu kämen 55 Verwicklungen in Unfälle. Diese Vergehen haben jedoch keine Konsequenzen, weil die Fahrer nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Immunität schützt sie vor Strafverfolgung. Meistens begehen sie einfach Fahrerflucht. An der Spitze der Verkehrsrowdies lagen 2008: Saudi-Arabien, Rußland, Ägypten und China.

Alle Hauptstädte und übrigen Diplomatenmetropolen der Welt kennen dieses Problem. Für Berlin ist diese Erkenntnis noch relativ neu, denn so richtig ist die Spreemetropole ja erst seit zehn Jahren wieder Hauptstadt. Sogar die Besatzungsmächte hatten sich früher zivilisierter benommen als so mancher Botschaftsangestellter heute.

Jede Stadt, die viele Diplomaten beherbergt, versucht auf ihre Weise mit diesem unerfreulichen Verhalten fertigzuwerden. New York zum Beispiel sorgt dafür, daß die Summe aller Bußgelder von der Entwicklungshilfe für das entsprechende Land abgezogen wird. Deutschland lehnt jedoch das New Yorker Modell ab. Das werde es „sicher nicht“ geben, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes.

Ausnahmsweise ist auch Gerd S., der den Diplomatenwagen gerammt hat, durch diese laxe Haltung der deutschen Behörden davongekommen. Er hat sich nach dieser Fahrt nicht mehr betrunken ans Steuer gesetzt. Der Vorfall war ihm eine Lehre. Denn soviel Glück wird er kein zweites Mal haben. Schließlich ist er kein Botschaftsangestellter. Patrick O’Brian

* Name der Redaktion bekannt


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