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25.04.09 / Wie es zum Sardinischen Krieg kam / Vor 150 Jahren wurde Österreich Opfer einer tragischen Fehleinschätzung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-09 vom 25. April 2009

Wie es zum Sardinischen Krieg kam
Vor 150 Jahren wurde Österreich Opfer einer tragischen Fehleinschätzung

Der Kaiser der Franzosen Napoleon III. und der Ministerpräsident des aus Piemont und der Insel Sardinien bestehenden Königreichs Sardinien Camillo Graf Benso di Cavour hatten eine wichtige Gemeinsamkeit. Sie waren nicht saturiert. Napoleon III. wollte mit seinem Land aus der Wiener Gleichgewichtsordnung von 1815 ausbrechen und auf den Spuren seines berühmten Oheims wandeln. Und Cavour wollte eine Ausdehnung der sardischen Macht im von den Habsburgern dominierten (Nord-)Italien. Beide Männer stießen bei der Verfolgung ihrer Pläne auf den Widerstand des konservativen Österreichs und schmiedeten deshalb gegen dieses bei einer Zusammenkunft im französischen Plombières einen Geheimpakt.

In dem abgeschiedenen Vogesenbad planten beide Staatenlenker im Sommer 1858 den im darauffolgenden Jahr ausbrechenden Sardinischen Krieg. In dem von einem habsburgischen Herzog regierten Modena sollten Bewohner in einer Petition an den sardischen König den Anschluß ihres Herzogtums an dessen Königreich fordern. Der habsburgische Herzog von Modena sollte sich dann hilfesuchend an den habsburgischen Kaiser von Österreich wenden, während Sardinien Beistand bei Frankreich findet, und dann sollte es per Eskalation zum Krieg kommen. Mit 200000 französischen und 100000 österreichischen Soldaten wollte man dann Wien erobern.

Nach der Niederlage sollte Österreich die Lombardei und Venetien an Sardinien abtreten. Zudem sollten Modena und das ebenfalls mit Österreich verbündete Herzogtum Parma sowie mit der Romagna der nördliche Teil des Kirchenstaates an Sardinien fallen. Neben dem dann ganz Norditalien umfassenden sardischen Königreich sollte es noch drei weitere italienische Staaten geben. Der Kirchenstaat sollte auf Rom und das Umland beschränkt werden. Der verbleibende Rest des Kirchenstaates mit Umbrien und den Marken sollte mit dem von einem Habsburger regierten Großherzogtum Toskana zu einem mittelitalienischen Königreich verbunden werden. Für dieses Königreich hatte Napoleon III. als Herrscher seinen Vetter Napoleon Joseph Charles Paul Bonaparte vorgesehen. Im Süden Italiens sollte das aus dem Südteil der Halbinsel und der Insel Sizilien bestehende Königreich beider Sizilien erhalten bleiben, wobei Napoleon III. daran dachte, den dort herrschenden Bourbonen nach dem Vorbild seines Onkels durch einen Angehörigen der Familie Murat zu ersetzen. Nord-, Mittel- und Süditalien sowie der Kirchenstaat sollten dann analog zum Deutschen Bund einen italienischen Bund bilden, an dessen Spitze der Papst stehen sollte, um diesen mit der Beschränkung seines Kirchenstaates auf Rom samt Umland zu versöhnen. Als Gegenleistung für die Unterstützung Sardiniens beim Erwerb der Lombardei und Venetiens von Österreich sollte Frankreich seinerseits von Sardinien Savoyen und Nizza erhalten. Im Januar 1859 wurde diese in Plombières getroffene Verständigung mit einem formellen Geheimvertrag und der Heirat zwischen Napoleon Joseph Charles Paul Bonaparte und der Tochter des sardischen Königs Prinzessin Marie Clothilde besiegelt.

Durch die Vereinbarung mit Frankreich abgesichert, begann nun dessen sardischer Verbündeter mit der Provozierung Österreichs. Das Königreich begann aufzurüsten. Sein Regierungschef lancierte antiösterreichische Artikel in der Presse, brüstete sich mit der Aufnahme österreichischer Fahnenflüchtlinge in die sardischen Streitkräfte und nahm Verbindung mit ungarischen, rumänischen und serbischen Revolutionären auf. Am 9. März 1859 wurde die sardische Armee mobilisiert.

Währenddessen versuchte Sardiniens großer Verbündeter das Wohlwollen der anderen Großmächte für den geplanten Krieg gegen Österreich zu gewinnen. Anders als bei den Russen, die sich am 3. März 1859 in einem Geheimvertrag für den Kriegsfall zu wohlwollender Neutralität verpflichteten, gelang dieses bei den damals gerade von den Konservativen regierten Briten und bei den Preußen nicht. Nolens volens stimmte Napoleon III. Rußlands Vorschlag zu, einen Kongreß der Großmächte zur Lösung der Italienischen Frage einzuberufen. Österreich schien die geplante Kriegsniederlage erspart zu bleiben.

Da wurde Wien Opfer einer tragischen Fehleinschätzung. Frankreichs Unterstützung des russischen Verständigungsvorschlages interpretierte die österreichische Regierung statt als Abrücken von seinen Kriegsplänen vielmehr als Versuch, Zeit für den Abschluß der Kriegsvorbereitungen zu gewinnen, um dann um so stärker loszuschlagen. Die Österreicher wollten es nicht soweit kommen lassen und forderten von ihrem italienischen Nachbarn am 19. April 1859 die Demobilisierung innerhalb dreier Tage. Das Königreich kam der Forderung nicht nach, worauf Österreich am 26. April 1859 Sardinien den Krieg erklärte, dem vertragsgemäß Frankreich beisprang. Österreich stand nun dort, wo der Macht- und Realpolitiker Cavour es hatte haben wollen: im Kriegszustand mit Sardinien wie Frankreich und als Aggressor vor den Augen der Welt.          Manuel Ruoff


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