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25.04.09 / Von Preußen lernen / Werte wie Sparsamkeit, Fleiß und Pflichtbewußtsein sind in der Krise wieder gefragt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-09 vom 25. April 2009

Von Preußen lernen
Werte wie Sparsamkeit, Fleiß und Pflichtbewußtsein sind in der Krise wieder gefragt

Krisenmanagement – was wir von Preußen lernen können: – da fällt uns als erstes das politische Vermächtnis des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1713–1740) ein: „Macht keine Schulden und gebt nicht mehr aus, als ihr einnehmt!“ Der sogenannte Soldatenkönig, dessen wahre Verdienste gar nicht im militärischen Bereich lagen, hatte sich zeitlebens strikt an diese Devise gehalten. Er hat nicht nur den 20-Millionen-Taler-Schuldenberg seines ausgabenfreudigen Vorgängers abgebaut, sondern seinem Nachfolger sogar noch einen Staatsschatz von acht Millionen Taler hinterlassen. Seit wir nicht mehr von Königen, sondern von Bundeskanzlern regiert werden, erleben wir das exakte Gegenteil, mit dem Unterschied, daß die Taler zu Mark und Euro und die Millionen zu Millarden wurden.

Keine Schulden machen, nicht mehr ausgeben, als man einnimmt – hätten Millionen US-Bürger sich daran gehalten, statt mit zu wenig Eigenkapital zu teure Häuser mit zu hohen Zins- und Tilgungsraten zu finanzieren und den Rest des Lebens mit Plastikgeld zu bestreiten, dann hätte es keine Immobilienkrise gegeben, folglich kein Herüberschwappen nach Europa und Deutschland. Und hätten unsere öffentlichen Hände nicht einen Schuldenberg von 1,5 Billionen Euro aufgetürmt, dann hätten sie einen viel größeren Spielraum, um auf Krisen zu reagieren.

Ist das also der Königsweg zur Krisenbewältigung: keine Schulden, keine Krise, und alles wird gut? Richten wir unseren Blick relativierend gen Süden! Neuschwanstein, Linderhof, Herrenchiemsee – die Prunkschlösser Ludwig II., alle auf Pump gebaut. Sie hatten den Märchenkönig im wirklichen Leben dem Staatsbankrott gefährlich nahe gebracht. Bis heute hält sich das Gerücht, Majestät seien – auf welche Weise auch immer – in den Tod getrieben worden, weil nur so der Bau weiterer unbezahlbarer Schlösser zu verhindern war.

Und heute? Der Freistaat Bayern hat einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Wohlstands und seiner relativ niedrigen Staatsverschuldung den exorbitanten Einnahmen zu verdanken, die er Touristen aus aller Welt an den Kassenhäuschen der Pumpschlösser abknöpft. Schuldenmachen kann also durchaus dem Gemeinwohl förderlich sein.

Die beiden Beispiele – der sparsame Soldatenkönig und der verschwenderische Märchenkönig – zeigen, daß es gar nicht so einfach ist, dahinterzukommen, was wir aus der Geschichte lernen können, um mit der heutigen Krise fertig zu werden. Einfach anmutende Rezepte erweisen sich bei näherem Hinsehen oft als genauso untauglich wie alles, was jetzt wieder aus der sozialistischen Mottenkiste hervorgezaubert wird, nicht nur von eingefleischten Sozialisten, sondern auch von sozialdemokratisierenden Unionspolitikern.

Die jüngste „Berliner Rede“ des Bundespräsidenten bringt uns einer Antwort näher. Es fällt auf, daß sich ein Begriffs­paar wie ein Leitfaden durch den Text zieht: Freiheit und Verantwortung. „Wir erleben das Ergebnis von Freiheit ohne Verantwortung“, stellt Horst Köhler fest: Es gehe „auch um Fragen der Verantwortung und des Anstands. Was vielen abhanden gekommen ist, das ist die Haltung: So etwas tut man nicht.“

Weiter beklagt Köhler „Entgrenzung und Bindungslosigkeit. Jetzt erleben wir, daß es der Markt allein nicht richtet. Denn Marktwirtschaft lebt von Verantwortung und persönlicher Haftung für das eigene Tun. Die Krise zeigt uns: Schrankenlose Freiheit birgt Zerstörung.“

Die Soziale Marktwirtschaft ist für den Präsidenten „mehr als eine Wirtschaftsordnung. Sie ist eine Werteordnung. Sie ver­einigt Freiheit und Verantwortung zum Nutzen aller“. Punkt für Punkt zählt er auf, welche Werte er dabei im Sinn hat: Disziplin, Glaubwürdigkeit, Anstand, Gemeinsinn, Sparsamkeit, Solidarität.

Das klingt irgendwie bekannt. Richtig: bekannt wie Kant. Es ist das zentrale Denken der deutschen, genauer: der preußischen Aufklärung, wie sie der Königsberger Philosoph so trefflich formuliert hat. Bei Kant ist Freiheit nie zügel- und schrankenlos, sondern unlösbar gebunden an Verantwortung. Die Grenzen setzt zum einem die Freiheit des anderen, vor allem aber das übergeordnete Gemeinwohl.

Hinzu kommt, daß der Freiheitsbegriff, auf dem das Staatsverständnis Preußens basierte, von Anfang an eng gebunden war an einen klaren Rechtsrahmen. Da wurde klar beschrieben, welche Rechte und welche Pflichten der Bürger gegenüber der Obrigkeit hat – und umgekehrt. Nicht nur der Bürger hatte dem Staat, auch der Staat hatte dem Bürger zu dienen. Schon der sogenannte Soldatenkönig sah sich nicht als absolutistischer Herrscher von Gottes Gnaden, sondern als Inhaber eines von Gott gegebenen Amtes, dessen höchste Pflicht es war, seinen Untertanen ein fürsorglicher, wenn auch gelegentlich strenger Landesvater zu sein. Sein legendärer Satz „Hohle der Deuffel lieber meine zeitliche Wohlfahrdt, als daß so viel Leute Bettler werden und ich reich“ war keine populistische Floskel, wie man sie heute oft hört von Leuten, denen viel Geld angeblich „gar nichts sagt“ (Hauptsache, sie haben es). Der Preußenkönig meinte das ernst, lebte es selber vor. Er strich die Kosten des Hofes auf ein Fünftel zusammen, trennte sich von 18 der 24 Schlösser seines Vaters, bewohnte nur fünf der 700 Räume des Berliner Stadtschlosses, begnügte sich mit zwei persönlichen Pagen. Das war der absolute Gegenentwurf zum absolutistischen Prunk des französischen Sonnenkönigs und seiner Nachahmer auf europäischen Thronen.

Sich selber verlangte der König Arbeitseifer, Sparsamkeit, Pflichterfüllung und Fleiß genauso ab wie seinen Untertanen. Auch aus heutiger Sicht ganz modern, praktizierte er „Fordern und Fördern“. 1717 führte er die allgemeine Volksschulpflicht ein, investierte – drei Jahrhunderte vor PISA, massiv in Bildung. Das Ergebnis: Bei Einführung der Schulpflicht hatte Preußen 320 Volksschulen, 1740 bereits 1480!

Man findet in der Geschichte Preußens also einiges, dessen man sich zur Bewältigung der heutigen Krise durchaus erinnern sollte. Natürlich kann das Regierungskonzept des Soldatenkönigs kaum konkrete Handlungsanleitungen geben, wie wir heute verfahren – oder hätten verfahren – sollen. Ob man Opel überhaupt – und wenn ja, mit wieviel Milliarden – retten soll, wie man Sparer und Kleinanleger vor hemmungslosen Börsenspekulanten schützt, wie man den Kollaps von Staatsfinanzen und Sozialsystemen verhindert – Fragen, die wir Heutigen selber beantworten müssen.

Aber worauf stützen wir uns bei der Suche nach den richtigen Antworten? Da können wir von Preußen einiges lernen. Genauer: von der Idee Preußen. Das Mar­kenzeichen dieser Idee ist ihre Ausgewogenheit, ihre kluge Ba­lance von Pflichten und Rechten, von Freiheit und Verantwortung. Preußen in den guten Zeiten seiner Geschichte, das war in der Terminologie der Klassik „Athen“ und „Sparta“, in den Worten Kants der kategorische Imperativ als übergeordnetes Handlungsprinzip für den Einzelnen wie für den Staat.

Die Idee Preußen und ihre Bedeutung für uns Heutige: Dazu gehören preußische Tugenden: Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Treue, Bescheidenheit, Sparsamkeit. Letztere ist nicht zu verwechseln mit Geiz. Im Gegenteil, Geiz, wie er heute werbewirksam propagiert wird, ist nicht „geil“, sondern dumm. Geiz nimmt allem – den Waren, den Leistungen der Menschen und am Ende den Menschen selbst – ihren Wert. Sparsamkeit im preußischen Sinne hingegen respektiert den Wert, will sorgfältig damit umgehen, will ihn optimal zum Gemeinwohl nutzen. Der zitierte Werbeslogan jedenfalls wäre im sparsamen Preußen unvorstellbar gewesen. Heute aber lassen wir vor lauter Geiz hochwertige eigene Produkte in den Regalen liegen oder auf der Halde stehen und retten statt dessen Arbeitsplätze in Fernost.

Bescheidenheit, am Gemeinwohl orientiert – dieses Element der Idee Preußen ist im eigenen Lande weitgehend in Vergessenheit geraten. Jenseits unserer Grenzen hingegen hat es längst Anerkennung gefunden, trotz der jahrzehntelang praktizierten Diskriminierung Preußens und seiner Tugenden. In der Sprache des französischen Bildungsbürgertums steht „travailler pour le roi de Prusse“ (für den König von Preußen arbeiten) für ehrenamtliches Engagement, dafür, etwas zu tun, ohne schon vorher die Hand aufzuhalten. Und wenn ich französischen Freunden stolz die Preußische Allgemeine Zeitung zeige, meinen sie hintergründig „Être prusse est un honneur mais pas un plaisir“ (Preuße sein ist eine Ehre, aber kein Vergnügen). Auch dies also können wir von Preußen lernen: Weg von der egoistischen, oberflächlichen Spaßgesellschaft, zurück zur am Gemeinwohl wie am christlichen Menschenbild geprägten „Freiheit in Verantwortung“ – das ist das geistige Rüstzeug, das uns am ehesten noch einen Weg aus der Krise weist.      Hans-Jürgen Mahlitz

Dieser Text basiert auf einer Rede vor dem Autorenverband „Stimme der Mehrheit“ (siehe www.stimmedermehrheit.de).

Foto: Friedrich Wilhelm I.: „Hohle der Deuffel lieber meine zeitliche Wohlfahrdt, als daß so viel Leute Bettler werden und ich reich.“  


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