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25.04.09 / Gute Seiten der Globalisierung / Indischer Wirtschaftswissenschaftler erklärt Entwicklungen im Plauderton

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-09 vom 25. April 2009

Gute Seiten der Globalisierung
Indischer Wirtschaftswissenschaftler erklärt Entwicklungen im Plauderton

Der Autor Jagdish Bhagwati, über 70 Jahre, aus Bombay stammend, gilt als nobelpreisverdächtiger Wirtschaftswissenschaftler. Er lehrt an der Columbia-Universität und hat auch schon die WTO und die Uno beraten. Also ist er kompetent, zur „Verteidigung der Globalisierung“ etwas Relevantes zu sagen, und er tut das mit viel akademischem Optimismus, gegen die aggressiven „Säbelschwinger“ und gegen die eher argumentativen „Geltendmacher“. Sein Stil ist dabei so plauderhaft, daß ein deutscher Wissenschaftler ihn schon als standeswidrig empfinden würde. Damit geht allerdings Raum für seriöse Argumentation verloren, die dann aber doch immer wieder einsetzt und ein Vorbild an Allgemeinverständlichkeit abgibt.

Der Autor nimmt die möglichen Einwände gegen die Globalisierung ernst, entkräftet sie teilweise auch nicht, besonders wenn er dabei ins Gebiet des Nicht-Ökonomischen geraten müßte. Vergrößert die Globalisierung in den reichen und den armen Ländern die Armut? Das könne nicht sein, denn Globalisierung führe zu mehr Produktion und Handel, erklärt Bhagwati. Ob die Güter dann auch immer so verteilt werden, daß keine sozialen Spannungen auftreten, kann man jedoch nicht so abstrakt feststellen.

Auch könnte die in der Dritten Welt weit verbreitete Kinderarbeit durch den insgesamt wachsendem Wohlstand eingedämmt werden, denn sie hat als Nährboden die Armut, argumentiert der Inder. Allerdings sei es problematisch, das Verbot von Kinderarbeit mit Hilfe der WTO in Handelsabkommen festzuschreiben, denn in solchen Konstellationen überlappen sich üblicherweise humanitäre und wirtschaftlich-egoistische Motive, was leicht zur Unglaubwürdigkeit der ersteren führt. Zudem bräuchte es zur Überwachung der vertraglichen Standards ein Sanktionsregime, also teuren Zusatzaufwand, wobei Dunkelziffern unvermeidbar und die Sanktionen wahrscheinlich unwirksam seien und das Partnerland zudem leicht mit defensivem Protektionismus reagieren könne, wo doch Freihandel unbedingt vorzuziehen sei.

Angesichts der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise muß festgehalten werden, daß der Autor sorgfältig zwischen freiem Handel und freiem Kapitalverkehr unterscheidet. Die Asien-Krise von 1997 hat ja gezeigt, daß die übereilte Liberalisierung der Kapitalmärkte zu unverantwortlicher Kreditaufnahme führt. Der Autor sieht die Verursacher der Asien-Krise auch und gerade in der US-Finanzwelt (die er „Wall-Street-Finanzministeriums-Komplex“ tauft) und in deren Druck zugunsten der genannten Liberalisierung.

Wie steht es mit der im Wege der Globalisierung zu befürchtenden Erosion des Einflusses der Gewerkschaften oder mit dem Demokratie-Defizit, das durch den Ausbau internationaler Strukturen begünstigt wird? Hier lauern wiederum ideologische Untiefen, weshalb der Autor gar nicht erst eine Antwort versucht.

So werden die verschiedenen Themen berührt. Ein Beispiel: Die legale wie illegale Migration gehört zu den Phänomenen der Globalisierung, die man nach der Auffassung des Autors im Grundsatz am besten hinnehmen sollte. Statt Zwangsmaßnahmen gegen Migranten oder Arbeitgeber, die Migranten illegal beschäftigen, sollte nach Ansicht von Bhagwati lieber eine „World Migration Organization“ gegründet werden, die, wie den nicht besonders konkreten Ausführungen des Autors entnommen werden könnte, die Migrationspolitiken der verschiedenen Staaten miteinander vergleicht – und daraus (vermutet der Rezensent) für die Uno einen Vorschlag zur Schaffung eines Welt-Migrationspaktes herausdestilliert.

Natürlich geht ein gebürtiger Inder, der Bilder zahlreicher und insgesamt hochqualifizierter nationaler Diaspora vor Augen hat, nicht weiter auf die Schattenseiten der internationalen Migration ein.      Bernd Rill

Jagdish Bhagwati: „Verteidigung der Globalisierung“, Pantheon-Verlag, München 2008, broschiert, 524 Seiten, 16,95 Euro


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