28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.05.09 / Gute Hoffnung am Kap / Bei den Wahlen in Südafrika überrascht die deutschstämmige Helen Zille

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

Gute Hoffnung am Kap
Bei den Wahlen in Südafrika überrascht die deutschstämmige Helen Zille

Südafrika hat gewählt: 15 Jahre nach dem Ende der Apartheid konnte die Partei der Nichtweißen mit ihrem umstrittenen Spitzenkandidaten Jacob Zuma zwar ihre Dominanz behaupten, büßte aber vier Prozentpunkte gegenüber der letzten Wahl ein. In der wichtigen Kapregion verlor sie gar die Regierungsmehrheit an die Partei der deutschstämmigen Helen Zille.

Der Sieger stand schon vorher fest: Wahlen in Südafrika laufen nach einem ähnlichen Muster ab wie in höhergelegenen Alpentälern Bayerns – die Marschzahl heißt 60 + x. Insofern bewegt sich der in christsozialen Kreisen beliebte Kalauer „Wir Schwarzen unter uns“ zwar am Rande des guten Geschmacks, liegt in der Sache aber durchaus richtig. Die Partei der „Schwarzen“ – hier die CSU, da der ANC – kann aufstellen, wen sie will, gewinnen tut sie immer.

Ähnlichkeiten zeigten sich auch wieder bei den jüngsten Wahlgängen. In Bayern mußten die staatstragenden „Schwarzen“ schmerzlich erfahren, daß man den Wählern eben doch nicht alles und jeden vorsetzen kann; sie rutschten  unter die absolute Mehrheit. In Südafrika traf es den staatstragenden ANC, also den nicht immer nur politischen Arm des Widerstands gegen die Apartheid, zwar nicht ganz so schlimm; immerhin aber kam ihm die ver-fassungsändernde Zweidrittel­mehrheit abhanden. Die war zwar in der abgelaufenen Wahlperiode nicht ein einziges Mal zum Einsatz gekommen, dennoch hatten die am Kap Regierenden sie zum wichtigsten Symbol der eigenen Stärke hochstilisiert.

Landesweit kam der ANC auf „nur“ 65,9 Prozent, bei einer erfreulich hohen Wahlbeteiligung von 77,3 Prozent. Damit steht fest, daß der umstrittene Spitzenkandidat Jacob Zuma Staatspräsident wird. Was von ihm zu halten ist, erfahren wir von den drei Friedensnobelpreisträgern des Landes. Nelson Mandela, Symbolfigur des Befreiungskampfes und erster schwarzer Präsident, hielt sich mit offener Kritik zurück, verweigerte dem Kandidaten aber jede Unterstützung im Wahlkampf. Frederic de Klerk, letzter weißer Präsident, sieht Südafrika „im Morast versinken“. Und der dritte im noblen Bunde, Altbischof Desmond Tutu, schämt sich gar, unter Zuma Südafrikaner zu sein.

Der 67jährige, der sich Ende der 90er Jahre rück-sichtslos zum zweiten Mann in Partei und Staat emporgeboxt hatte, stand immer wieder im Fokus von Korruptions-skandale. Vor vier Jahren wurde sein Finanzberater Schabir Shaik zu 15 Jahren Haft verurteilt; Präsident Thabo Mbeki entließ Zuma als Vize. Ende 2008 wurde er in einem erneuten Bestechungsprozeß auf mysteriöse Weise wegen „Verfahrensfehlern“ freigesprochen; so war der Weg nach oben frei.

Ungewöhnliche Freiheiten gönnt sich Zuma auch im Privatleben. Nach offizieller Lesart hat er 17 Kinder von neun Frauen; die genaue Zahl seiner derzeitigen Ehefrauen ist nicht bekannt. Daneben fand er noch Zeit zu Vergewaltigungen, die allerdings nicht gerichtlich geahndet wurden – auf ebenfalls msysteriöse Weise.

Landesweit ließ sich die Wählermehrheit jedoch von Zumas vollmundigen Versprechungen blenden. Als Präsident will er die Wirtschaft sanieren, die Arbeitslosigkeit (40 Prozent!) herunterfahren, die Gewaltkriminalität bekämpfen und dem Land eine friedliche und sportlich erfolgreiche Fußball-WM bescheren.

Nur in der wirtschaftlich florierenden Kap-Provinz glaubte ihm die Mehrheit der Wähler das jetzt schon nicht mehr. Hier siegte die Demokratische Allianz (DA) der deutschstämmigen Helen Zille. Die Bürgermeisterin von Kapstadt, eine engagierte Kämpferin gegen jede Form von Apartheid, steht für ein Miteinander von Schwarz und Weiß. In ihrem öffentlichen Auftreten ist sie der absolute Gegenentwurf zum künftigen Präsidenten Zuma. So verkörpert die Großnichte des Berliner Malers Heinrich Zilles rund ums Kap endlich wieder „Gute Hoffnung“.     H.-J. Mahlitz

Foto: Seriosität ist ihm egal: Jakob Zuma macht Stimmung bei seiner Rede, als wäre er ein Rockstar.

 

Zeitzeugen

Helen Zille – Die 58jährige Journalistin, geboren in Johannesburg, ist seit drei Jahren Bürgermeisterin von Kapstadt und seit zwei Jahren Vorsitzende der Demokratischen Allianz (DA). Ihr Vater stammt aus Berlin, ihre Mutter aus Essen; sie hatten sich aber erst in Südafrika kennengelernt. Die Großnichte des Berliner Milieumalers Heinrich Zille ist wegen ihrer klaren Haltung in der Apartheidsfrage, aber auch wegen ihrer Vielsprachigkeit (Englisch, Afrikaans, Deutsch und Xhosa) bei allen Bevölkerungsgruppen Südafrikas hochangesehen. Profiliert hat sie sich unter anderem in der Bildungspolitik sowie im Kampf gegen Drogen und Aids. Bei verschiedenen Gelegenheiten hat sie ein hohes Maß an Mut bewiesen.

 

Nelson Mandela – Der 80jährige Jurist und ANC-Aktivist hat ein Drittel seines Lebens hinter Gittern verbracht, größtenteils auf der Zuchthausinsel Robben Island. Am 11. Februar 1990, dem Tag seiner Freilassung, rief er vor 120000 Zuhörern im Stadion von Soweto „alle Menschen, die die Apartheid aufgeben wollen“, zur Versöhnung auf. 1993 erhielt er gemeinsam mit Präsident de Klerk den Friedensnobelpreis, 1994 wurde er der erste schwarze Präsident Südafrikas. In seiner Amtszeit (bis Ende 1997) konnten die hohen Erwartungen der Nichtweißen nicht erfüllt werden. Obwohl das Land tief in Kriminalität und soziale Not abrutschte und schätzungsweise ein Viertel der Bevölkerung Aids-infiziert ist, blieb Mandela das Symbol der Befreiung von der Apartheid.

 

Frederic Willem de Klerk – Der 73jährige Friedensnobelpreisträger des Jahres 1993 war Südafrikas letzter weißer Präsident. Ab 1990 setzte er schrittweise die Aufhebung der Rassentrennung um, erreichte für diesen fast schon revolutionären Reformkurs sogar die breite Zustimmung der weißen Bevölkerung und amtierte nach den ersten freien und allgemeinen Wahlen von 1994 (Sieger: Mandelas ANC) noch zwei Jahre als Vizepräsident, um einen friedlichen Übergang zu erleichtern. Danach zog er sich aus der Politik zurück.

 

Desmond Tutu – Der 77jährige anglikanische Erzbischof hat sich jahrzehntelang als energischer Kämpfer gegen das Apartheidsregime Südafrikas hervorgetan – trotz verbaler Bekenntnisse zur Gewaltlosigkeit oft am Rande der Legalität. So rief er in den 70er Jahren zum weltweiten Wirtschaftsboykott auf. 1984 wurde ihm, wohl auch, um ihn vor drohender Verhaftung zu schützen, der Friedensnobelpreis verliehen. Nach dem Machtwechsel wurde er Vorsitzender der Wahrheits- und Versöhnungskommission, bislang mit eher mäßigem Erfolg.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren