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02.05.09 / »Bosse sind Gauner« / Französische Arbeiter wehren sich und setzen ihre Chefs gefangen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

»Bosse sind Gauner«
Französische Arbeiter wehren sich und setzen ihre Chefs gefangen

Französische und deutsche Arbeitnehmer der deutschen Reifenfirma Continental haben vor einer Woche gemeinsam und vor allem friedlich vor dem Unternehmenssitz in Hannover protestiert.

„Wenn die Bosse sich verstecken und nicht zu uns kommen, dann gehen wir zu ihnen“, war das Stichwort. Die Mitarbeiter der französischen Filiale in Clairoix (Ostfrankreich) wissen jedoch, daß für ihren Betrieb kaum Aussichten bestehen. Sie wollen aber immerhin höhere Abfindungen vor allem für die jüngeren Kollegen erhalten. Ihre bloße Anwesenheit setzte die deutsche Unternehmensführung unter Druck, denn ganz abgesehen von der Guillotine haben die Franzosen die Barrikaden, die Straßenschlachten … und die Einsperrung von Arbeitgebern in deren Büros erfunden. Bei Continental, Caterpillar, Sony und Molex sowie anderen von Schließung bedrohten Konzernen wurden in den letzten zwei Monaten in Frankreich Firmenchefs in ihren Arbeitsräumen festgehalten. Sie mußten mit aufgebrachten Arbeitern reden: für französische Bosse kaum erträglich.

Bereits in den 80er Jahren nahmen Arbeiter bankrotter Stahlwerke ihre Arbeitgeber gefangen. Im Jahre 2000 wollten Arbeiter von Celatex in den Vogesen ihren Betrieb sprengen. In kleinen und mittleren Unternehmen geschieht das kaum, weil die Firmenchefs ihren Leuten näherstehen und mit ihnen über den Stand des Unternehmens reden. Soll es geschlossen werden, sorgen sie rechtzeitig mit ihnen für einen glatten Übergang. Kleine Betriebe werden oft durch Opfer der Geschäftsführung und der Bediensteten gerettet.

Kurz vor der Kundgebung in Hannover hatten einige Unzufriedene die Büros der Regionalpräfektur von Compiègne im Departement Oise verwüstet, um die französische Regierung zu zwingen, auf die deutsche Unternehmensleitung Druck auszuüben. Sie riskierten schwere Strafen, aber Paris hat jetzt eine Beratung von Regierung, Firmenleitung und Gewerkschaften einberufen.

Die T-Shirts der Demonstranten trugen kämpferische Aufschriften, vor allem der Kriegsruf: „Patrons = voyous“ (Bosse sind Gauner) war häufig zu lesen. Vor der Abreise nach Deutschland hatte jedoch ein führender Gewerkschafter um Zurückhaltung geworben: „Es ist nicht unsere Absicht, in Hannover etwas kaputt zu machen“, sagte er. „In Deutschland finden Entlassungen im Rahmen von Verhandlungen statt und werden sozial abgefedert, obwohl sie immer ein schmerzhafter Prozeß sind.“

In französischen Großunternehmen bringen meist nur „Faustschlag-Aktionen“ bessere Abfindungen. Bei dem Pharmaunternehmen „3M“ war das nach einer Nacht „Gefangenschaft“ der Betriebsleitung der Fall. Auf diese Aktionen stehen fünf Jahre Zuchthaus und 75000 Euro Strafe. Aber die Unternehmen reichten bisher nie Klagen ein.       Jean-Paul Picaper


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