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02.05.09 / US-Banken prüfen sich selbst / Warum der »Streßtest« nicht so stressig ist – Kritiker: 16

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

US-Banken prüfen sich selbst
Warum der »Streßtest« nicht so stressig ist – Kritiker: 16 von 19 US-Großbanken sind stehend k.o.

Deutsche Banken sitzen auf faulen Papieren im Bilanzwert von bis zu 816 Milliarden Euro. Während deutsche Politiker die Institute wieder einmal retten wollen, prüfen sich die US-Banken in einem sogenannten „Streßtest“ quasi selbst. Das Ergebnis: Alles halb so schlimm.

Vertrauen zurückzugewinnen sei eine der wichtigsten Herausforderungen, die es zur Bewältigung der Krise zu meistern gelte, so die einhellige Beurteilung von Politik und der Banken. Nur wenn wieder Vertrauen herrsche in die Stabilität des Finanzsektors, könne die Krise überwunden werden. Und an dessen Genesung hänge die gesamte Wirtschaft.

Daran gemessen brachte die vergangene Woche einen herben Rückschlag. Die in die Medien gelangte Problemliste der Finanzaufsicht Bafin, nach der deutsche Geldinstitute auf von der Krise betroffenen Papieren im Nennwert von 816 Milliarden Euro (mehr als das Dreifache eines Bundesetats) sitzen, hat für erhebliche Nervosität gesorgt.

Zwar bemühten sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Bundesbankpräsident Axel Weber umgehend, die Wogen zu glätten: Die aufgeführten Papiere seien in ganz unterschiedlicher Weise krisengeschüttelt. Einige zählten zwar zu den „toxischen“, also quasi verlorenen Werten. Andere wären jedoch bloß zur Zeit „nur“ unter Wert handelbar und hätten Aussicht auf Erholung.

Die Echtheit der Liste wird indes nicht bestritten. Die Bafin hat wegen ihrer Veröffentlichung sogar Anzeige gegen Unbekannt erstattet.

Besonders hart sind die Landesbanken betroffen, die unter unsicheren Papieren im Buchwert von 335 Milliarden Euro leiden, davon gut die Hälfte „toxische“ Anlagen. Privatbanken haben über 139 Milliarden unsichere Titel im Depot, davon 53 Milliarden Euro in toxischen Werten. Volks- und Raiffeisenbanken ächzen unter Wackelpapieren über 54 Milliarden Euro, davon 25 Milliarden toxisch. Allein die Pleitebank Hypo Real Estate schließlich sitzt auf kritischen Papieren für über 268 Milliarden Euro, die nicht näher aufgeschlüsselt wurden.

Kaum zur Beruhigung beigetragen haben dürfte eine Äußerung des Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Ole von Beust (CDU). Die HSH Nordbank (Landesbank von Schleswig-Holstein und Hamburg) steht in der Bafin-Liste allein mit gefährdeten Papieren über 105 Milliarden Euro zu Buche, davon nach bisheriger Einschätzung 13 Milliarden in giftigen Werten. Trotz des milliardenschweren Rettungspakets für die Nordbank wollte Beust vergangenes Wochenende einen Zusammenbruch des Instituts erstmals nicht mehr ausschließen. Dem Bremer „Weser-Kurier“ sagte er: „Ich hoffe, daß mit dem Paket die Krise abgewendet ist und die Bank gerettet wird. Aber garantieren kann ich das nicht.“

Mit Enthüllungen unsicherer Herkunft hat auch die US-Regierung zu kämpfen. Unter Berufung auf eine „undichte Stelle“ will ein amerikanisches Internet-Portal bereits Kenntnis bekommen haben vom Ausgang des sogenannten „Streßtests“ für Geldinstitute des Landes. Danach seien 16 von 19 großen US-Banken praktisch pleite. Das Portal nennt detaillierte Zahlen, in welchem Umfang einzelne Häuser überschuldet sein sollen. Skepsis an dessen Behauptungen ist jedoch angebracht: Angesichts der Tatsache, daß sich die Banken selbst testen, ist es äußerst unwahrscheinlich, daß sich gleich 16 von 19 selbst ihre baldige Insolvenz attestieren.

US-Finanzminister Timothy Geithner hatte kurz zuvor für Unverständnis gesorgt, als er das Ergebnis des „Streßtests“ positiv bewertete. In Frankfurter Börsenkreisen wurde dies als Schönfärberei abgetan. Zu den guten Ergebnissen, welche große US-Finanzhäuser wie Goldman Sachs im April vorgelegt haben, hätten insbesondere legale Bilanztricks beigetragen.

Da ist zunächst die schlichte Bewertung der Papiere. Bislang galt in den USA die Regel, daß Wertpapiere im Depot einer Bank zum jeweils aktuell gültigen Marktwert zu bilanzieren sind. In Zeiten, als sogar heute sogenannte Schrottpapiere immer höher gehandelt wurden, konnten sich die Banken täglich reicher rechnen. Mit dem Einbruch der Märkte lief diese Entwicklung nun

rückwärts ab: Ständig mußten die Häuser ihren Besitzstand kleiner rechnen („abschreiben“), was immer mehr Institute in Bedrängnis brachte. Nun änderte Washington die Bilanzierungsregel. Kritikern zufolge ist es den Banken nun weitgehend selbst überlassen, wie hoch sie ihre Depots bewerten.

Überdies verschoben sich für die ehemaligen reinen Investmentbanken wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley durch ihre Umwandlung zu „normalen“ Geschäftsbanken die Abrechnungsquartale um einen Monat. Zuvor dauerte das erste Quartal von Dezember bis Februar, nun von Januar bis März. Ein New Yorker Analyst meint, davon träumten Finanzchefs, denn nun hätten die Häuser ihre Verluste massenhaft in jenen Dezember verschoben, der quasi zu keinem Quartal mehr gehört.

Als Timothy Geithner kurz nach Amtsantritt den „Streßtest“ verkündete, sorgte dies kurzfristig für Aufregung im angeschlagenen Finanzsektor. Heute wächst eher die Sorge, daß der Test, mit dem bis Ende April die Überlebensfähigkeit der großen Banken überprüft werden sollte, zur Farce gerät. Hauptkritikpunkt ist, daß die Banken sich selbst zu überprüfen hatten. Im Lichte der oben genannten Buchungsspielräume sei der Schönfärberei damit Tür und Tor geöffnet.            Hans Heckel

Foto: Toxische Papiere: Erst in Jahren wird feststehen, welche Positionen wirklich wertlos sind.


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