17.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.05.09 / Bismarcks »Draht nach St. Petersburg« gekappt / Vor 100 Jahren starb Friedrich August v. Holstein – Nach dem Sturz des Reichsgründers Graue Eminenz des Außenministeriums

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

Bismarcks »Draht nach St. Petersburg« gekappt
Vor 100 Jahren starb Friedrich August v. Holstein – Nach dem Sturz des Reichsgründers Graue Eminenz des Außenministeriums

Nach dem Ersten Weltkrieg stand die von der Niederlage geschockte deutsche Nation vor der Frage, wie es zu dem katastrophalen Zweifrontenkrieg hatte kommen können. Strahlender denn je stand der Reichsgründer da, der schon lange vor dem Kriegsausbruch vor einer russisch-französischen Koalition gewarnt hatte. Als Gegenspieler des „Eisernen Kanzlers“, der diesen gestürzt und anschließend als Graue Eminenz der deutschen Außenpolitik Deutschland aus dem Bismarckschen Bündnissystem in die Isolation getrieben habe, wurde auf der anderen Seite der starke Mann des Auswärtigen Amtes nach Otto von Bismarcks Sturz, Friedrich August von Holstein, dämonisiert.

In dem Maße wie heute, nach dem Zweiten Weltkrieg, Bismarcks Außenpolitik von der herrschenden deutschen Geschichtsschreibung kritischer gesehen wird, wird umgekehrt Holstein nicht mehr verdammt. So sei sein Einfluß auf die außenpolitischen Fehler des Reiches in der wilhelminischen Ära geringer gewesen, als früher angenommen, und vieler Intrigen sei er zu Unrecht beschuldigt worden. Allerdings gilt auch hier, daß wo Rauch auch Feuer ist. Holsteins Charakter war schwierig. Und seine Politik hat Deutschland sowohl Rußland als auch Großbritannien entfremdet, zwei Entwicklungen, denen sein großer Vorgänger bei der Gestaltung der deutschen Außenpolitik gerade mit allem seinen Können hatte entgegenwirken wollen.

Dabei hat Holsteins Karriere nicht etwa als Kritiker, sondern als Protegé Bismarcks angefangen. Nach Abitur und Jurastudium gelang es dem am 24. April 1837 in Schwedt an der Oder geborenen Sohn eines preußischen Offiziers und Kammerherren im Jahre 1860, vom Berliner Stadtgericht in Preußens diplomatischen Dienst zu wechseln. Es war wohl Bismarck, der dem Juristen den Wechsel ermöglichte. An der preußischen Gesandtschaft in St. Petersburg arbeitete der Attaché Holstein dem Gesandten Bismarck zu. Nach diversen anderen Stationen und der Reichsgründung kam Holstein an die deutsche Botschaft in Paris, wo er in die Arnim-Affäre verwickelt wurde. Als der dortige Botschafter Harry Graf von Arnim 1876 von Bismarck gestürzt wurde, wurde Holstein vorgeworfen, als dessen Mann gegen seinen Chef intrigiert zu haben. Verletzt und enttäuscht zog sich Holstein aus dem öffentlichen Leben zurück und es fortan vor, im Hintergrund zu wirken und von dort die Strippen zu ziehen. Das trug ihm das Image einer Grauen Eminenz ein. Wohl in treffender Selbsteinschätzung meinte Holstein über sich selber: „Zum heutigen Botschafter fehlen mir die elementaren Bedingungen.“ Holsteins Stärke war es nicht, Menschen für sich einzunehmen. Statt auf seine Mitmenschen offen zuzugehen, trat er ihnen mit Mißtrauen entgegen. Aber Holstein hatte auch Stärken. Er war fleißig, hatte ein vorzügliches Gedächtnis, kannte seine Akten und war durch rege Korrespondenz gut informiert. Holsteins Wunsche Rechnung tragend, holte Bismarck den unbeliebten, aber tüchtigen „Mann mit den Hyänenaugen“, wie er ihn selber nannte, nach Berlin in die Zentrale des Auswärtigen Amtes.

Mitte der 80er Jahre setzte dann die Entfremdung zwischen Mentor und Protegé ein. Knackpunkt war die Rußlandpolitik. Im Gegensatz zu Bismarck wollte Holstein eine klare Entscheidung für Großbritannien gegen Rußland. Im Vergleich zu früher ist man heute mit dem Vorwurf des Sturzes Bis-

marcks vorsichtiger, doch trug er ohne Zweifel das seinige zur Zerstörung von dessen Bündnissystem und damit Lebenswerk bei. Maßgeblichen Anteil hatte er an der Nichterneuerung des Rück-versicherungsvertrages. Allerdings erreichte er auch nicht das erhoffte deutsch-britische Bündnis, da er fälschlicherweise ein herzliches Einvernehmen Englands mit Frankreich oder Rußland ausschloß und deshalb glaubte, aus einer Position der Stärke mit den Briten verhandeln zu können. Nachdem auf der Algeciras-Konferenz von 1906 Deutschlands Isolation und damit Holsteins Scheitern deutlich geworden war, wurde ein von ihm eingereichtes

Rücktrittsgesuch angenommen. Drei Jahre später, am 8. Mai 1909, starb er in Berlin.     M. R.

Foto: F. A. v. Holstein: Der „Mann mit den Hyänenaugen“


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren