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02.05.09 / Breslau pflegt sein deutsches Erbe / Gelungene Ausstellung »Tausend Jahre Breslau/Wroclaw« im Neuen Historischen Museum der Stadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

Breslau pflegt sein deutsches Erbe
Gelungene Ausstellung »Tausend Jahre Breslau/Wroclaw« im Neuen Historischen Museum der Stadt

Die schlesische Hauptstadt Breslau hat ein neues Historisches Museum. Am 19. April wurde es in den Räumen des einstigen preußischen Königsschlosses Friedrichs des Großen eröffnet. Das 1719 erbaute und später von Carl Gotthard Langhans erweiterte Barock­ensemble war in den vergangenen acht Jahren mit Hilfe der Europäischen Union komplett instandgesetzt worden. Es bietet jetzt Platz für über 3000 Exponate einer Dauerausstellung unter dem Titel „Tausend Jahre Breslau/Wroclaw“. Daneben gibt es einen eigenen großen Bereich mit Kunstwerken aus und über Breslau, und auch die ehemaligen königlichen Wohnräume im Mittelteil des dreiflügeligen Schlosses sind Teil des Museumsrundgangs.

Spiritus rector des Historischen Museums ist Dr. Maciej Lagiew­ski. Der 1955 in Breslau geborene Jurist und Historiker leitet seit dem Jahr 1991 das alte Historische Museum und seit 2000 auch das Städtische Museum. Er ist zugleich der erste polnische Träger des bundesdeutschen Kulturpreises Schlesiens (1991) sowie Verfasser und Herausgeber von zahlreichen Veröffentlichungen aus dem Bereich der Geschichte und Architektur Breslaus um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert. Lagiewski machte unter anderem durch die von ihm angeregte „Galerie der berühmten Breslauer“ im Breslauer Rathaus von sich reden. Diese ist dem Vorbild der Walhalla nachempfunden und stellt vor allem Büsten deutscher Persönlichkeiten aus der Oderstadt zur Schau.

Gegenüber der Zeitschrift „Schlesien heute“ betonte Maciej Lagiewski im Frühjahr 2005: „Ich versuche, das deutsche Kulturerbe zu erhalten, zu restaurieren und sichtbar zu machen.“ In einem aktuellen Interview für das in Görlitz erscheinende Magazin ging er noch weiter. Auf die Frage, ob er bei der Darstellung der preußischen Geschichte der Stadt und des Schlosses auch mit Widerständen kämpfen müsse, antwortete der Museumsleiter: Hier „hat man zum ersten Mal eine Exposition geschaffen, die von den politischen Emotionen und parteiischen Kommentaren befreit wurde, die sich ausschließlich an authentische Objekte und Zeugnisse aus zehn Jahrhunderten anlehnt ... Die Idee dieses Ortes ist, die Geschichte von der Abrechnungsneurose zu befreien ... In Breslau wird die Geschichte von uns definiert und nicht deformiert. Wir zeigen die ganze Wahrheit anhand der Fakten.“ Und zum Thema schlesische Identität der heutigen polnischen Bewohner von Breslau stellte er fest: „Ja, seit der politischen Wende im Jahr 1989 hat die soziale Toleranz für das Kulturerbe auch das deutsche Erbe umfaßt. Die Breslauer interessieren sich für die Geschichte des Ortes, in dem sie leben, diskutieren gerne – auch in der Presse – über deren strittige Momente und überlegen, wie heutzutage die Gestalt dieses Kultur- und Sozialtiegels ist, den das jetzige Breslau zweifelsohne bildet. Ich muß die Einwohner auch für ihre gute, bürgerliche Einstellung gegenüber den gefährdeten Objekten und Kulturdenkmälern, auch deutscher Herkunft, loben.

Sie fotografieren ganz penibel ihre Stadt und übergeben dann dem Stadtarchiv die Bilder, als letzte Zeugnisse des Alltags aus der Periode vor fast hundert Jahren: Geschäftsschilder, Schlammfänge, erhaltene Treppenhäuser, Wandgemälde aus den alten deutschen Mietshäusern.“

Maciej Lagiewski gehört zu den gebildeten polnischen Schlesiern, die jenseits aller tagespolitischen Gegensätze zwischen Warschau und Berlin viel dazu beigetragen haben, daß Breslau mittlerweile neben dem Hirschberger Tal als Musterbeispiel für die Wiederentdeckung schlesischer deutscher Kultur zwischen Oder und Neiße gilt. In der noch immer beziehungsweise erneut sehenswerten Metropole wurde das einstige Stadtwappen wieder eingeführt, und es gibt eine funktionierende evangelisch-lutherische deutsche Gemeinde, die heimatverbliebene alte Schlesier, etliche Volksdeutsche aus Mittelpolen und aus dem Bundesgebiet zugezogene deutsche Neubürger vereint. So manche Autos sind mit dem polnischen Aufkleber „Ich bin ein Schlesier“ versehen. Erst kürzlich wurde auf einer Tafel an einem ökumenischen Denkmal auf dem ehemaligen Friedhof Breslau-Gräbschen eine Tafel mit folgender Inschrift in deutscher Sprache eingeweiht: „Zum Andenken an die früheren Einwohner unserer Stadt, die auf Friedhöfen beigesetzt wurden, die heute nicht mehr bestehen.“

Die vielen in der Stadt lebenden Nachfahren von Vertriebenen aus dem einstigen Ostpolen, speziell aus Lemberg, haben ein offenes Herz für die jahrhundertelange Historie dieser einst reichen Handelsstadt und deren bauliche Zeugnisse. Sie identifizieren sich mit den deutschen Spuren, pflegen diese nicht selten liebevoll und verstehen sie als Baustein einer neuartigen schlesischen Identität, getragen von hier aufgewachsenen Polen. Insbesondere der im alten Glanz erstrahlende Breslauer Ring mit seinen prachtvollen Bürgerhäusern veranschaulicht den Schwung dieser Entwicklung, die mit dem neu eröffneten Historischen Museum im zentral gelegenen preußischen Königsschloß auf erfreuliche Weise bekräftigt wurde. Martin Schmidt


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