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02.05.09 / Wo auch schon der Schah von Persien übernachtete / Das »Atlantic« in Hamburg feiert 100. Geburtstag – Ein Grandhotel im Wandel der Zeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-09 vom 02. Mai 2009

Wo auch schon der Schah von Persien übernachtete
Das »Atlantic« in Hamburg feiert 100. Geburtstag – Ein Grandhotel im Wandel der Zeiten

Wenn diese Wände reden könnten, was hätten sie alles zu erzählen ...?“ Das fragt sich so mancher Gast, der die Empfangshalle des Atlantic Hotels Kempinski in Hamburg betritt. Die im Raum verteilten Sitzgruppen laden zum Verweilen ein, werden von Hotelgästen wie Hamburgern gern genutzt, um im Flair eines historischen Grandhotels bei Kaffee, Tee oder einem Drink zu plaudern. Dabei hat der Gast die Qual der Wahl: Der Drehtür zugewandt sitzend, verfolgt er das Kommen und Gehen, das Leben in der Hotelhalle. Zugleich aber hat er ein schlechtes Gewissen: Wendet er doch seiner Majestät Kaiser Wilhelm II., dessen Bild die Wand über dem Kamin ziert, den Rücken zu!  Zur Eröff-nung des Atlantic Hotels am 2. Mai 1909 war das lebensgroße, auf blaue Majolika-Kacheln aus Cadinen gemalte Kaiserbildnis angebracht worden. Nach Ende des Kaiserreiches wurde das Bild 1918 zugemauert und darüber ein Steuerrad gehängt als Symbol für die maritime Verbundenheit des Hauses. Erst 1979, im Zuge umfangreicher Restaurierungsmaßnahmen, wurde der Kaiser entdeckt, „freigelegt“ und 1984 zum 75jährigen Jubiläum des Hotels wieder ausgestellt. Seitdem gilt das Bild ebenso wie die Weltkugel mit den beiden Karyatiden auf dem Dach als Wahrzeichen des Hauses. 

Nur knapp zwei Jahre lagen zwischen dem ersten Spatenstich und der Hoteleröffnung. 14 Millionen Goldmark waren in das aufsehenerregende Projekt investiert worden, dessen Größe und Pracht alle anderen Hotels der Stadt weit in den Schatten stellte. Als „Gründervater“ hatte der Hamburger Unternehmer Adolf C. Eberbach den Anstoß für ein Grandhotel an der Außenalster gegeben, konnte jedoch die finanziellen Mittel allein nicht aufbringen und sah sich gezwungen, kurz vor Fertigstellung an die Berliner Gesellschaft Kaiserhof-Hotel AG zu verkaufen.

Zur feierlichen Einweihungsgala erschien zwar nicht der Kaiser, dafür Bernhard Fürst von Bülow als sein Gesandter. Die Freie und Hansestadt Hamburg war durch ihren Ersten Bürgermeister Dr. Johann Heinrich Burchard vertreten. Zu den Ehrengästen zählte auch Albert Ballin, der die Hapag- Reederei an die Weltspitze geführt hatte. Ihm war es zu verdanken, daß das neue Hotel bereits am ersten Freitag nach Eröffnung voll belegt war. Ein Dampfschiff der Hamburg-Amerika-Linie und eines der Hamburg-Süd, die zeitgleich auslaufen sollten, brachten dem Atlantic auf einen Schlag 240 Gäste. Beide Reedereien machten es von da an zu einem schönen Brauch, ihre Erste-Klasse-Passagiere zur Einstimmung auf die Reisen über den Nord- und Südatlantik in dem „weißen Schloß an der Außenalster“ einzuquartieren, um ihnen einen Auftakt nach Maß in der attraktivsten deutschen Hafenstadt zu bieten.

Dann kam die „Imperator“: Mit dem gigantischen, 52117 BRT großen Passagierdampfer stellte Ballin den damals größten und schnellsten Transatlantik-Liner in Dienst, dessen Name eng mit dem des Hotels verbunden ist. Beide, das Grandhotel und der vom Kaiser persönlich im Mai 1912 getaufte schwimmende Palast, richteten sich nicht nur an dieselbe Zielgruppe, sie waren Ausdruck ein und desselben auf Luxus und Prachtentfaltung gerichteten Zeitgeistes. Mit dem Ende des Kaiserreiches war damit Schluß: Während die „Imperator“ als Reparationsleistung an die Engländer ging, wurde das Hotel 1919 an ein Konsortium um den Stinnes-Konzern verkauft und mußte sich neue Gästekreise erschließen. Dazu gehörten die Bühnen- und Filmstars der 20er und 30er Jahre wie Emil Jannings, Willy Birgel, Lil Dagover und der unvergessene Hans Albers, dessen Wiege um die Ecke in der Langen Reihe gestanden hatte und der häufiger und gern gesehener Gast im Hause war. 1935 veranstaltete die Reichsfachschaft Film ihren ersten offiziellen Filmball im „Atlantic“. Auch der Prince of Wales und spätere englische König Edward VIII. logierte Mitte der 30er Jahre mit seinem Bruder im „Atlantic“. Dennoch waren die Zeiten schwierig; auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 1932 war der Besuch solventer Gäste so rar geworden, daß die laufenden Kosten nicht mehr zu decken waren und das Hotel vor dem Kollaps stand.

Daß es so weit nicht kam, ist zwei Persönlichkeiten zu verdanken: Hugo Stinnes, der die Fehlbeträge mit Gewinnen aus seinen anderen Unternehmen ausglich, und dem genialen Hoteldirektor Oskar H. Geyer, der das Haus 1932 auf dem Tiefpunkt übernahm, es zu neuen Höhen führte und mit viel diplomatischem Geschick durch die Zeiten des NS-Regimes steuerte. Über den „Führerbesuch“ im Februar 1939 anläßlich des Stapellaufs des Schlachtschiffes „Bismarck“ bei Blohm & Voss berichtet Geyer ausführlich in seinen Memoiren und zeigt sich dabei als ebenso scharfer wie kritisch-entlarvender Beobachter.

Bis 1964 stand Geyer erfolgreich an der Spitze des „Atlantic“. Nach dem Krieg sowie fünf Jahren Beschlagnahme durch die englische Besatzung, die das Haus als Offizierswohnheim nutzte, erfolgte 1950 die offizielle Freigabe. In Windeseile arbeitete sich das Hotel wieder nach oben, wie die Liste der prominenten Gäste aus Politik und Wirtschaft, Film und Showgeschäft dokumentiert. Den Beginn machten 1953 Bundespräsident Theodor Heuss und Reeder Aristoteles Onassis, 1955 der Schah von Persien mit Kaiserin Soraya. Es folgten Berühmtheiten wie die Primadonna Maria Callas, Filmdiva Liz Taylor oder der „King of Pop“ Michael Jackson. Sie und viele andere erwählten für die Zeit ihrer Staatsbesuche, Auftritte oder Dreharbeiten das Hotel Atlantic zu ihrem Domizil.

Und daran hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn es in jüngster Zeit die eine oder andere Negativschlagzeile gab: Etwa die, daß das seit 1986 unter Kempinski-Flagge segelnde Haus mit den anstehenden Renovierungsmaßnahmen nicht rechtzeitig zum 100. Jubiläum fertig werde und daß es für die Dauer der Bauarbeiten seine fünf Sterne abgelegt habe. Alles richtig und wahr – aber läßt sich eine ehrwürdige alte Dame durch derlei Widrigkeiten davon abbringen, in Würde ihren 100. Geburtstag zu feiern? Vielleicht nicht so pompös wie einst die Eröffnung, aber ganz gewiß mit Stil!

Und wer wie sie 100 Jahre lang die Stürme der Geschichte überlebt hat, wird auch die Prozedur einer weiteren Schönheitsoperation ertragen und gelassen abwarten, bis ihre fünf Sterne wieder glänzen.         Angelika Fischer

Foto: Hotel Atlantic: Kaiser Wilhelm II. wacht über allem.


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