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09.05.09 / »Widersinnig und unfair« / Die Bundesregierung will eine Rentenkürzung 2010 verhindern, doch das ist kaum finanzierbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

»Widersinnig und unfair«
Die Bundesregierung will eine Rentenkürzung 2010 verhindern, doch das ist kaum finanzierbar

Vor wenigen Tagen haben Meldungen die Rentner aufgeschreckt, daß im Jahr 2010 eine Kürzung von 2,3 Prozent zu befürchten sei. Sofort haben Politiker aller Parteien versichert, Rentenkürzungen seien völlig ausgeschlossen, auch bei sinkenden Löhnen. Während die Regierung an einem entsprechenden Sondergesetz arbeitet, wird über die Folgen der geplanten „Ausnahme von der Ausnahme“ diskutiert.

Mit dem Thema Rente werden in Deutschland schon seit langem  Wahlen gewonnen und verloren. 1956 bröckelte Adenauers Popularität kräftig ab, doch eine großzügige Rentenreform verhalf seiner CDU im Herbst 1957 zur absoluten Mehrheit. Während Adenauer  für die dauerhafte Finanzierbarkeit seiner Reform auf nie versiegenden Kindersegen hoffte („Kinder kriegen die Leute immer!“), ignorierte Gerhard Schröder 1998 die Mathematik. Trotz miserabler demographischer Lage sei der von der Regierung Kohl eingeführte „demographische Faktor“ in der Rentenformel unnötig, erklärte er kühn. Nicht zuletzt dieses Wahlversprechen − im Grunde eine Kampfansage nicht an die Union, sondern an Adam Riese − brachte Schröder im Herbst 1998 die Kanzlerschaft. Schröder löste das kaum haltbare Versprechen zunächst sogar ein − doch Adam Riese schlug nach wenigen Jahren in Form gähnend leerer Rentenkassen zurück. „Das war ein Fehler“, mußte Schröder im Frühjahr 2003 vor dem Bundestag eingestehen.

Die politische Entscheidung der letzten Tage, ein Absinken der Renten auch in Zeiten der tiefsten Krise zu verhindern, ist kaum weniger problematisch als Schröders Rentengeschenk der Jahre 1999 bis 2003. Die drei wichtigsten „Stellgrößen“ in einem umlagefinanzierten Rentensystem − Realeinkommen, Jahrgangsstärken und Lebenserwartung − sind nun einmal für die Politik nicht oder nur in sehr langer Frist zu beeinflussen. Es bleiben die drei Parameter Renteneintrittsalter, Beitragssatz und Rentenhöhe. Nachdem Rentenbeginn und Beitragssätze politisch „festliegen“, entscheidet am Ende nur noch die Rentenhöhe über das aus dem Bundeshaushalt zu deckende Defizit im Umlagesystem.

Bei Redaktionsschluß dieser Zeitung war die für den Mittwoch angekündigte Einigung des Bundeskabinetts über die Veränderung der Altersbezüge im Jahr 2010 noch nicht bekannt. Der politische Wille, Kürzungen unter allen Umständen zu verhindern, verbindet jedoch Politiker aller drei Koalitionsparteien. Das von Arbeitsminister Olaf Scholz zusammen mit Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und Kanzleramtsminister Thomas de Maizière auszuhandelnde Vorgehen ließ noch viel Dissens erkennen: Der SPD-nahe Vize-Regierungssprecher Thomas Steg hatte eine Gesetzesänderung angedeutet, zu Guttenberg diese dagegen für „nicht unbedingt notwendig“ erklärt. Die Einlassung Stegs, man wolle für die geplante Absicherung der Renten gegen Kürzungen nicht in die Rentenformel eingreifen (in Übereinstimmung mit zu Guttenberg), warf erst recht Fragen auf: Wie soll das möglich sein ohne eine einmalige Aufstockung der Zahlungen, die dann aber hinter der Zusicherung des Arbeitsministers zurückbleiben würde, man wolle Kürzungen auch für alle Zukunft ausschließen?

Auch weitere Wortmeldungen in dieser aktuellen Diskussion werfen Fragen auf. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, man rechne noch mit leicht steigenden Bruttolöhnen im Jahre 2010, weswegen auch bei der jetzigen Rentenformel gar nicht mit Kürzungen zu rechnen sei. Diese Einlassung galt Beobachtern jedoch als mysteriös. Denn die geltende Formel setzt gar nicht direkt bei den Bruttolöhnen an, sondern bei der gesamtwirtschaftliche Lohnsumme dividiert durch die Zahl der Beschäftigten. Nur hier droht durch den massiven Anstieg der Kurzarbeit ein Rück-gang, denn Kurzarbeiter bekommen weniger Lohn, zählen aber als Beschäftigte. Rechnet zu Guttenberg womöglich mit der massenhaften Entlassung von Kurzarbeitern noch in diesem Jahr oder spekuliert er auf eine unaufmerksame Öffentlichkeit?

Schon jetzt zeichnet sich ab, daß jeder nun mit Blick auf den Wahltermin vermiedene Einschnitt bei den Rentnern nachgeholt werden muß − genau diese Erfahrung hatte Schröder bereits im Jahre 2003 gemacht. Bis dahin belastet ein Abweichen von einmal getroffenen Entscheidungen bei der Rente die Aktivgeneration entweder über höhere Beiträge oder aber über die Steuern. Außerdem erleidet die Glaubwürdigkeit und Berechenbarkeit der Regierung Einbußen.

Kritik an der Entscheidung der Bundesregierung kam denn auch von den Arbeitgeberverbänden, von Wissenschaftlern und von jüngeren Politikern. Erstere warnten davor, getroffene Renten-Regelungen immer wieder zu ändern. „Wir lehnen erneute Eingriffe in die Rentenformel ab und fordern, jegliche Entscheidungen zu unterlassen, die zu Steigerungen des Beitragssatzes führen“, sagte der Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Heinz Schmitz. Als „widersinnig und unfair gegenüber der jüngeren Generation“, bezeichnete der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen das Vorhaben von Scholz.

Auch Nachwuchspolitiker von Union und FDP kritisierten diese Pläne. „Es geht doch darum, wie wir das System so erhalten, daß auch die heute Jungen in 40 Jahren noch etwas daraus bekommen“, sagte der bayerische JU-Chef Stefan Müller. Der Thüringer CDU-Fraktionschef Mike Mohring bestätigte: „Was Scholz sagt, ist Wahlkampfgeplänkel. Die Höhe der Rente zu garantieren, das ist nicht erfüllbar.“        Konrad Badenheuer


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