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09.05.09 / Elendsviertel in Calais / TV blickt auf die Migranten, dabei sind Einheimische gefährdeter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Elendsviertel in Calais
TV blickt auf die Migranten, dabei sind Einheimische gefährdeter

Frankreich kann nicht das ganze Elend der Welt aufnehmen“, hatte im Jahre 1988 der damalige, sozialistische Premierminister Michel Rocard gesagt. Inzwischen ist jedoch viel Elend in Frankreich gelandet. Eine Hochburg davon ist das Aufnahmezentrum des Roten Kreuzes in Sangatte im Departement Pas-de-Calais, ganz im Norden an der Kanalküste.

Im Jahre 2002 war Nicolas Sarkozy als Innenminister dort gewesen und hatte die Schließung dieses Lagers beschlossen, in dem Tausende von Elends- und Wirtschaftsflüchtlinge aus aller Welt in prekären Behausungen darbten, bis sie eine Gelegenheit erhielten, meist als blinde Passagiere, nach England hinüberzufahren. Neulich war der Staatspräsident Sarkozy dort und freute sich, daß seine Entscheidung ein voller Erfolg gewesen war: Jetzt waren nur noch knapp 100 Flüchtlinge dort.

Doch stimmt die Zahl? Fünf Demonstranten waren mit Schildern erschienen, worauf zu lesen war: „Sarko schau, die Flüchtlinge frieren.“ „Wir sind gekommen, um zu sagen, daß das Problem gar nicht gelöst ist“, äußerte einer von ihnen, Mickaël Dauvergne. Er wies darauf hin, daß die Schließung des Zentrums die Immigranten nur unter die Brücken, in die Wälder, in Bauruinen vertrieben hat. Tatsächlich zeigte das Fernsehen, wie ein paar Hundert Afghanen in einem Zeltdorf in der Nähe von Sangatte hausten, wo sie nicht einmal Wasser haben und in schrecklichen Verhältnissen leben.

Doch die Migranten sind nur ein Randproblem in Frankreich. Während die Zahl der Immigranten mit oder ohne Personalausweis eher zurückgeht − will man den offiziellen Zahlen Glauben schenken −, stieg in Frankreich mit der Wirtschaftsrezession die Zahl der Einheimischen, die an den Rand geschoben werden. Die Zahl der Franzosen mit sehr schlechter Unterkunft, die in Slums wohnen, oder ganz ohne Unterkunft, wird auf drei Millionen geschätzt. Direkt auf der Straße leben 86500, früher nannte man sie  „Clochards“, heute „Obdachlose“. Nur sechs Prozent von ihnen haben diese Lebensweise gewählt. Drei von zehn gehen einer unregelmäßigen Arbeit nach und vier von zehn leben von Arbeitslosengeld. 30 Prozent von ihnen gelten somit als definitiv „entsozialisiert“. Als würden sie auf dem Mond leben. Oder auch im Dschungel, denn diese Unterwelt ist hart, es herrscht dort das Gesetz des Stärkeren.

Der Staat hat mit einem Dekret vom 17. Mai 2006 sogenannte „Bett-Unterkunft-Pflege-Gesundheit“-Stützpunkte gegründet, in denen „die Ärmsten der Armen“ auf ärztliches Attest bis zwei Monate kostenlosen Aufenthalt bekommen können. Alkohol und Krankheiten sind ihr Alltag. Viele leben von Nahrungsmitteln, bei denen das Verfallsdatum längst überschritten ist. 2008 sind jedoch „nur“ 338 von ihnen auf der Straße gestorben. Besonders im Winter patrouillieren Polizei und Sozialhelfer nachts im Auto und versuchen, Betroffene einzusammeln. Es gibt ja auch die „Restaurants du Coeur“ (Restaurants des Herzens), die von dem Komiker Coluche gegründet worden sind und Essen kostenlos verteilen. Die Vorräte dafür bekommen sie von Privatleuten und von Supermärkten.      Jean-Paul Picaper


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