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09.05.09 / Wahlkämpfer einst und jetzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Wahlkämpfer einst und jetzt
von Konrad Badenheuer

Ein politischer Beobachter wunderte sich vor einiger Zeit über Wahlkämpfe in Lateinamerika. Noch immer, so das Fazit nach mehreren Jahren, könne es sich in diesem Teil der Welt kein Politiker leisten, vor einem Urnengang darauf zu verzichten, den Bürgern ein Eigenheim und ein schmuckes Auto innerhalb weniger Jahre zu versprechen. Ein moralischer Vorwurf an die Verantwortlichen war damit nicht verbunden, denn offenbar wollten die Leute es so hören. Gerade in der Demokratie sind nicht nur Wahlergebnisse, sondern auch bereits die Wahlkämpfe ein Spiegel, in dem das Bildungsniveau und die politische Kultur der Bevölkerung eines  Landes erkennbar werden.

Auch in der Bundesrepublik waren Wahlkämpfe noch nie frei von krassen Vergröberungen und Verzerrungen. Und doch ist hier eine bedeutende Verschiebung erkennbar. Während es bis in die achtziger Jahre hinein weit verbreitet war, den politischen Gegner zu beschimpfen, so überwiegt heute − sozusagen nach lateinamerikanischem „Vorbild“ − die Belügung des Publikums.

Zu den allein in den Protokollen des Bundestages bis 1985 festgehaltenen Beschimpfungen gehören Begriffe wie Brunnenvergifter, Erpressungsminister, Mini-Goebbels, Nazi-Flegel, Pogromhetzer, Roßtäuscher, Verbrecher und Wühlratte. Kein deutscher Politiker würde heute mehr so reden, aber nicht aus moralischer Erhebung, sondern weil es sich für ihn nicht lohnen würde. Das Publikum denkt und „tickt“ anders, es würde solche Ausfälligkeiten eher dem Angegriffenen zugute halten und jedenfalls dem Schimpfenden negativ ankreiden.

Natürlich ist das erfreulich, aber es ist nur die eine Seite der Medaille. Denn auf der anderen Seite hat die Belügung des Publikums eine bedrückend steile Karriere gemacht. Die Liste der glasklaren und dennoch rabiat gebrochenen Wahlversprechen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren immer länger geworden. Wohlgemerkt handelt es sich nicht nur um allgemeine Wachstums- und Wohlstandsversprechen, bei denen die Verantwortung für die Unerfüllbarkeit hinterher leicht beispielsweise auf die Weltkonjunktur geschoben werden kann. Nein, es geht um klare und spezifische Sachaussagen, etwa über eine Erhöhung einer bestimmten Steuer oder um die Regierungszusammenarbeit mit dieser oder jener Kraft.

Hier wird seit einigen Jahren gelogen, daß sich die Balken biegen. Offenbar will das Wahlvolk es so haben, jedenfalls haben Edmund Stoiber und mit Abstrichen auch Angela Merkel in den Jahren 2002 und 2005 schlechte Erfahrungen mit vergleichsweise ehrlichen Wahlkämpfen gemacht. Die Konsequenzen sehen wir heute: Im Wahlkampf 2009 zeichnet sich schon jetzt eine Publikumsbelügung ab, die es so noch nicht gab. Dafür sind die Politiker umso netter zueinander.

Foto: Lange Nase: Ein als Pinocchio verkleideter Mann demonstriert in Frankfurt am Main vor der Zentrale der hessischen SPD gegen den Wortbruch in Sachen Linkspartei. Auch in Sachen Mehrwertsteuer und Staatsfinanzen wurde das Volk vor Wahlen schon dreist belogen.


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