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09.05.09 / Verwegene Retter in Feldgrau / Bei der Rettung über die Ostsee leisteten neben der Marine auch die Landungspioniere Herausragendes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Verwegene Retter in Feldgrau
Bei der Rettung über die Ostsee leisteten neben der Marine auch die Landungspioniere Herausragendes

Vor 64 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Bis in die letzten Stunden dieses Krieges in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 1945 dauerte die Aktion zur Rettung von weit über zwei Millionen Menschen über die Ostsee.

Nachdem im Januar 1945 mit der Großoffensive der Roten Armee das Verhängnis über Ost- und Westpreußen hereingebrochen war, wurden weit über zwei Millionen Frauen, Kinder sowie verwundete und zuletzt vor sowjetischer Gefangenschaft zu bewahrende Soldaten aus den so lange wie möglich zäh verteidigten eingekesselten Brückenköpfen über See in den Westen gebracht.

Insgesamt wurden etwa 1,1 Millionen Menschen über kurze oder längere Strecken von Landungspionieren des Heeres transportiert. Zumeist unter Feindbeschuß mußten Flüchtlinge, Verwundete und versprengte Soldaten aus kleineren Kesseln herausgeholt und zu den Einschiffungshäfen der Brückenköpfe Gdingen (damals: Gotenhafen), Danzig und Pillau verbracht werden.

Generalmajor Carl Henke hat seit Anfang Februar 1945 von seinem Führerboot „Scharnhorst“ aus die Gesamtleitung aller Maßnahmen der in die Danziger Bucht und ins Frische Haff verlegten seegängigen Pionierfahrzeuge des Heeres innegehabt. Es handelte sich neben Leichten Sturmbooten um sechs Siebelfähren, 34 Pionierlandungsboote und mindestens 171 Schwere Sturmboote vom Typ Stubo 42. Aber sie hätten die großen Aufgaben nicht ohne die „Seeschlangen“ bewältigen können. Das waren von den Landungspionieren entwickelte schwimmende Ponton-Brückenfelder von jeweils 45 Metern Länge, die sich zu beliebig langen, geschleppten Trajekten zum Transport von Fahrzeugen und Menschen zusammenkoppeln ließen. Mit ihnen wurden mindestens 350000 Flüchtlinge und Verwundete beim Pendeleinsatz zwischen Pillau und Neutief / Frische Nehrung sowie mindestens 125000 weitere im Weichseldurchstich zwischen Nickelswalde und Schiewenhorst übergesetzt. Ohne die auch als Seebrücken verwendbaren Seeschlangengeräte wäre auch die Räumung des Brückenkopfes der 4. Armee, die Anfang März 1945 im Kessel von Heiligenbeil zusammengedrängt war, nicht geglückt. Es gelang, nicht weniger als 57765 Soldaten, 70535 Verwundete, 4911 zivile Flüchtlinge und 7061 russische Hilfswillige auf die Frische Nehrung und nach Pillau vorläufig in Sicherheit zu bringen.

Beim „Unternehmen Rettung“ waren in Ostpreußen sowie in der Danziger Bucht – nicht zuletzt auch im Raum Königsberg sowie im Samland – von den Landungs­pionieren Leistungen vollbracht worden, die des Erinnerns wert sind. Nach der Räumung Danzigs ergab sich das drückende Problem, Abertausend Flüchtlinge, die sich von dort den rettenden Abtransport erhofften, vom offenen Strand der Frischen Nehrung anzuholen. Die Landungspioniere bauten bei Kahlberg einen behelfsmäßigen Seesteg, von dem insgesamt 100000 Flüchtlinge von Fahr­zeu­gen der Marine und der Lan­dungs­pioniere abgeholt und zu den vor der Küste wartenden Transportschiffen gebracht wurden.

Nach dem Fall von Pillau wiederholte sich eine ähnliche Situation. Unweit von Neutief ermöglichte ein rasch zusammengezimmerter Seesteg die Abholung weiterer Flüchtlinge, die sich noch von Pillau auf die Nehrung hatten retten können.

Bis zur nachher unvermeidlichen Räumung der kleinen Seestadt Pillau am 25. April 1945 hatten allein von dort 418461 registrierte Flüchtlinge und Verwundete zur Evakuierung eingeschifft werden können. Sogar in der Räumungsnacht konnten noch 19200 Flüchtlinge, Versprengte und Verwundete über die Frische Nehrhung herausgebracht werden.

Generalmajor Henke harrte am 25. April bis zur letztmöglichen Stunde in der hart umkämpften Stadt aus und setzte erst dann übers Seetief auf die Frische Nehrung über, allerletzte Nachhuten mitnehmend. Unglücklicherweise waren auch die Sowjets bereits dort gelandet. So geriet Henke mit seinen Getreuen aus dem Kessel Pillau in den noch kleineren Kessel von Neutief. Der Versuch, den Einschließungsring zu durchbrechen, mißlang.

Henke und seine Getreuen igelten sich in der noch intakten Marineflakstellung Lemberg ein und hielten mit Hilfe der drei 10,5-Zentimeter-Geschütze zwei Tage lang der erdrückenden russischen Übermacht stand. Erst als nach Ausfall auch der dritten Kanone das kleine Häuflein von 200 Mann nur noch Handfeuerwaffen zur Verfügung hatte, traten die Russen mit acht Sturmgeschützen zum Angriff an. Es kam zu einem erbitterten Nahkampf, bei dem Generalmajor Henke den Tod fand. Einer Zeugenaussage zufolge erschoß er sich, um nicht in Gefangenschaft zu geraten. Erst danach „fielen“ die drei Betonbunker.

Die Sowjets hatten offensichtlich den Befehl erhalten, Henke lebend in die Hand zu bekommen. Gleich darauf kam ein General der Roten Armee angefahren und erkundigte sich genau nach den Umständen des Todes von General Henke. Ein überlebender deutscher Stabsoffizier berichtete später: „Der russische General sprach dann uns allen seine Anerkennung für die tapfere Verteidigung aus und gestattete uns sogar, unseren General sofort zu beerdigen. Die dazu nötigen Mittel stellte er uns zur Verfügung. Wir Offiziere trugen Generalmajor Henke auf die höchste Düne, wo wir ihn mit dem Gesicht nach Osten beisetzten. Auf sein Grab setzten wir ein schlichtes, mit einer Inschrift versehenes Birkenholzkreuz.“

Über die Schlußphase der Rettungsaktion sagte der Kommandeur eines Landungspionier-Verbandes, Oberstleutnant Oswald Gantke, aus: „In einer Nacht habe ich elf Fahrzeuge verloren. Mehrere tausend Granaten wurden von uns an einem Tag verschossen. Eins meiner größten Fahrzeuge wurde mir auf der letzten Fahrt von Pillau nach Hela an einem Sonntagmorgen durch einen Torpedo in die Tiefe geschickt. Die 100 Mann, Besatzung und Flüchtlinge, habe ich selbst mit meinem Führungsboot ,Panther‘ gerettet. Die letzten Tage des Krieges waren eine richtige Hölle für uns. Zuletzt haben wir mit unserem Verband noch einige tausend Kameraden und Flüchtlinge auf Hela an Bord genommen, mit denen es am 8. Mai 1945 Kurs Westen ging, bis wir am 11. Mai gegen 15.30 Uhr in der Kieler Förde eintrafen.“

Auch nach dem Fall von Pillau und schließlich von Neutief war die Flüchtlingsevakuierung von den letzten festländischen Verteidigungsstellungen in der Weichselniederung zwischen Bohnsack, Schiewenhorst und Nickelswalde weitergegangen. Die Flüchtlinge hatte man nach Hela übergesetzt. Unterstützt auch von Marinefährprähmen, Kriegsfischkuttern und Flugbetriebsbooten der Luftwaffe holten vor allem die Pionierlandungsboote bis zum letzten Tag vor der Gesamtkapitulation am 8. Mai 1945 mit dem Mut der Verzweiflung die dort noch ausharrenden Flüchtlinge und soweit möglich auch die Verteidiger – bis auf die schweren Herzens geopferte Nachhut – heraus.

Die allerletzten an der „Ablandung“ beteiligten Boote konnten Hela gar nicht mehr ansteuern. So vollgepfercht sie auch waren, liefen sie gleich direkt in den We­sten ab.          Hans Georg Prager

Foto: „Seeschlange“ im Einsatz: „Ablandung“ von Soldaten und Flüchtlingen aus dem eingekesselten Balga


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