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09.05.09 / Ein Denken wie in der DDR / Eine Arbeit über die Hamburger Bombenopfer wirft Fragen auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-09 vom 09. Mai 2009

Ein Denken wie in der DDR
Eine Arbeit über die Hamburger Bombenopfer wirft Fragen auf

Malte Thiessen kann sich darüber freuen, daß man ihm ein zweijähriges Promotionsstipendium spendierte, damit er Zeitungen und Akten, Redema-nuskripte und andere Quellen durchforsten konnte auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wie sich Hamburg und die Hamburger an die 41000 Opfer des britischen Luftkrieges, speziell des „Unternehmens Gomorrha“ vom Juli 1943, erinnert haben und wie sich die Erinnerungskultur im Laufe der Zeit verändert hat. Daß die umfangreiche Dissertation auch noch mit einem Preis geehrt wurde, läßt darauf schließen, daß Thiessen sich einer politisch korrekten Haltung befleißigt hat, was die Lektüre des Buches vollauf bestätigt.

Hamburg war die erste deutsche Großstadt, die die Royal Air Force mit Hilfe ihrer viermotorigen Langstreckenbomber total vernichten wollte (was ihr allerdings nicht gelang). Bombenteppiche, vor allem auf dicht besiedelte Wohngebiete geworfen, sollten die Moral der Bevölkerung brechen (was auch nicht gelang). Das Ergebnis waren 41000 Tote, ganz überwiegend Zivilisten, davon 34000 innerhalb einer Woche im Juli 1943. Die allermeisten von ihnen sind in dem Massengrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt, in dessen Zentrum ein eindrucksvolles und würdiges Mahnmal von Gerhard Marcks steht.

Verständlicherweise wurde diese Stätte vor allem in den ersten Jahren nach dem schrecklichen Ereignis immer wieder von vielen Hamburgern besucht. Offizielle Gedenkfeiern, so etwa zu den Jahrestagen, vereinten oft Zigtausende Hamburger an dieser Stelle. Diese „Politik mit der Erinnerung“ war Thiessen suspekt, schließt er doch daraus, daß sich auch nach dem Kriege viele mit den Luftkriegsopfern solidarisch fühlten. Auch in den Quellen fand er manche Deutungen und Würdigungen der Toten, die ihm nicht behagten, las er doch von

„Schicksalsgemeinschaft“, die für ihn in verdächtige Nähe zur „Volksgemeinschaft“ steht, ja, er bemerkte sogar Heroisierung der Hamburger, die sich damals den Wirkungen der Luftangriffe entgegenstellten, die nichts anderes für unseren Autor waren als eine „Durchhaltegemeinschaft“, die die „Befreiung“ behinderte. Für Thiessen wäre es angemessener gewesen, die Luftkriegstoten hintanzustellen, um statt ihrer die Opfer des Faschismus zu ehren. Stattdessen aber habe man die Schuld der Deutschen zu verdrängen versucht, indem man die Solidargemeinschaft während des Krieges wie auch in den Jahren danach beschworen hat und sogar einen gewissen Stolz auf den seitdem vollbrachten Aufbau erkennen ließ. Wie unangebracht die Ehrung der Luftkriegstoten gewesen sei, meint Thiessen durch Hinweis auf die Ideologie, daß die Deutschen ausschließlich Täter, ja, daß die meisten Hamburger begeisterte Nationalsozialisten gewesen seien, begründen zu können.

Erst heute verläuft die „Gedächtnispolitik“ nach seiner Ansicht politisch korrekt, da nur noch wenige Menschen die Massengräber besuchen. Das Gedenken an die deutschen Kriegstoten ist im Rahmen des „Kampfes gegen Rechts“ zugunsten der Erinnerung an die Opfer des Faschismus in den Hintergrund gedrängt worden, und das, meint Thiessen, sei gut so. So hat man einen Zustand erreicht, der für die DDR typisch war.

Wie sehr der Autor ein Kind seiner Zeit ist, kann man auch an seinem Vokabular erkennen. Sein beliebtestes Wort ist „Narrativ“, das auf jeder Seite wenigstens einmal vorkommt. Es heißt nichts anderes als „Erzählung“. Auch „Kontextualisierung“ (im Duden nicht enthalten), „selbstreflektiert“, „konnotiert“, „Redundanz“, „Verortung“ zählen zu seinem verquasten Deutsch. Hans-Joachim von Leesen

Malte Thiessen: „Eingebrannt ins Gedächtnis – Hamburgs Gedenken an Luftkrieg und Kriegsende 1943 bis 2005“, Forum Zeitgeschichte, Band 19., herausgegeben von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, Dölling und Galitz Verlag, München und Hamburg 2008, gebunden, einige Abb., 504 Seiten, 30 Euro


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