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16.05.09 / Kein Modell für Deutschland / Die Zwischenbilanz von Schwarz-Grün in Hamburg ist ernüchternd – CDU um zwölf Prozentpunkte abgerutscht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-09 vom 16. Mai 2009

Kein Modell für Deutschland
Die Zwischenbilanz von Schwarz-Grün in Hamburg ist ernüchternd – CDU um zwölf Prozentpunkte abgerutscht

Vor einem Jahr begann der schwarz-grüne Senat der Hansestadt Hamburg mit der Arbeit. Bietet die bundesweit erste Koalition zwischen Grünen und Christdemokraten auf Landesebene eine bundespolitische Option? Angesichts der Finanzkrise und einer inakzeptablen Schulreform droht die als „Vernunftehe“ gestartete Koalition derzeit zu scheitern. Auch über einen Rück-zug des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust wird spekuliert.

Beim Abschluß des Koalitionsvertrages fabulierte der CDU-Landesvorsitzende Michael Freytag vor einem Jahr noch von einer „wunderbaren Freundschaft“ zwischen den beiden ungleichen Partnern. Davon ist bereits seit Monaten keine Rede mehr. Auch das Bild einer „sehr glücklichen Vernunftehe“, das einige Medien seinerzeit bemühten, paßt kaum. Dafür sind die Konfliktfelder zu groß und auch durch höfliche hanseatische Umgangsformen kaum beherrschbar.

Das erhoffte harmonische Miteinander, das sich nach den überaus schwierigen, über 100 stündigen Koalitionsverhandlungen einstellen sollte, blieb weitgehend aus. Zwar lassen die Parteispitzen nur wenige Konflikte an die Öffentlichkeit dringen, aber schon mehrmals mußte sich Ole von Beust öffentlich vor die unbeliebte Schulreform seiner grünen Bildungssenatorin stellen. Sie erreicht mit nur 24 Prozent Zustimmung den schlechtesten Wert aller Senatoren.

Die Aufgabenteilung der Koalitionäre – hier die Christdemokraten für Wirtschaft und Finanzen und dort die Grünen für Bildung und Justiz – klappt nicht wie vorgesehen. Das liegt nicht an konservativen Wertvorstellungen des christdemokratischen Bürgermeisters, der mit seinem rechtspopulistischen Partner Ronald Schill 2001 an die Regierung gekommen war: Inzwischen hat sich von Beust zum linksliberalen Merkel-Vertrauten gewandelt. Auch die Grünen haben eine Wende hinter sich, da sie sich von ihren fundamentalistischen Mitgliedern emanzipieren konnten und in bürgerliche Wählerschichten vorstießen.

Die vereinbarte Arbeitsteilung zwischen den Koalitionären hätte gut funktionieren können, wären nicht fundamentale Probleme aufgetaucht, die das schwarz-grüne Projekt auch als Koalitionsoption für Deutschland nach der nächsten Bundestagswahl in Frage stellen. Hatte man von christdemokratischer Seite gehofft, man werde auch mit dem grünen Partner keine neue Schuldenpolitik machen müssen, sah man sich hier getäuscht. Gleich nach Beginn der Regierungsarbeit verlangten die Grünen für ihre Schulreform, die Einführung der sechsjährigen Primarschule, Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe. Auch viele Sozialleistungen sollten aufgestockt werden. Um diese Forderungen zu erfüllen, willigte die CDU in den Kompromiß ein, dem lebenswichtigen Hafen genau diese Investitionen zu entziehen. Das brachte den Wirtschaftsflügel der Partei auf die Barrikaden.

Ihr eigentliches Waterloo erlebten die Christdemokraten aber mit der HSH-Nordbank. Unter der Aufsicht von CDU-Finanzministern hat diese Landesbank offenbar unverantwortliche Geschäfte gemacht. Die Finanzkrise brachte nun ans Licht, daß die Bank nach jüngsten Schätzungen der BaFin Risiken von 105 Milliarden Euro aufgetürmt hatte. Damit ist die HSH-Nordbank nach der Hypo-Real-Estate der zweitgrößte Problemfall der Republik. Wie Hamburg eine solche Last mit einem Jahresetat von nur rund zehn Milliarden Euro schultern soll, kann sich niemand vorstellen. Die bisherigen Kreditspritzen von fünf Milliarden für die nördlichste Landesbank wirken angesichts der im Raum stehenden Summen fast klein.

Zu dieser finanziellen Schieflage, die zur Pleite des Stadtstaates führen kann, kommen Abwanderungsbewegungen von der Stammwählerschaft der CDU. Die bürgerliche Klientel der Partei ist über die Verlängerung der Grundschulzeit auf sechs Jahre bei gleichzeitiger Verkürzung der Gymnasien auf sechs Jahre so erbost, daß bereits eine Demonstration von 5000 Eltern und Schülern vor dem Rathaus stattfand. Ein Volksentscheid und eine Partei („Wir wollen lernen!“) sind geplant. Nach jüngsten Umfragen liegt die CDU der Hansestadt, die bei der Bürgerschaftswahl 2008 noch 42,6 Prozent erreichte, bei nur noch knapp über 30 Prozent. In dieser Situation wirken die Dementis aus dem Munde Ole von Beusts, er wolle nicht nach Berlin gehen, wie ein angekündigter Abgang. Als ausgesprochener Merkel-Freund wird er bereits als Umweltminister in einem Kabinett Merkel nach der Bundestagswahl im September gehandelt.      Hinrich E. Bues


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