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16.05.09 / Zankapfel Judenmission / Ein Streit mit vielen Dimensionen – Die Grundfrage: Gibt es absolute Wahrheit?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-09 vom 16. Mai 2009

Zankapfel Judenmission
Ein Streit mit vielen Dimensionen – Die Grundfrage: Gibt es absolute Wahrheit?

Sollen Christen Juden Jesus von Nazareth als den Messias verkünden und versuchen, sie für die Taufe zu gewinnen? In beiden großen Konfessionen wird derzeit über die Judenmission gestritten. Dabei geht es um weit mehr als um eine vielschichtige theologische Frage.

Etliche Male blitzte in den vergangenen Monaten in aktuellen Debatten in Deutschland eine fast zweitausend Jahre alte Frage auf: Ist christliche Mission unter Juden zulässig, wenn ja in welcher Form? Sowohl beim innerkatholischen Streit um die Pius-Bruderschaft und um die „Karfreitagsbitte“ in der überlieferte Liturgie als auch bei der Israel-Reise des Papstes spielte diese Frage eine bedeutende Rolle.

Im deutschen Protestantismus spielt die Frage der Judenmission  seit jeher eine große Rolle. Martin Luther hoffte noch, sein reformatorisch überarbeitetes christliches Bekenntnis würde die Juden spontan überzeugen und sie die Taufe begehren lassen. Als dieser Effekt ausblieb, wurde Luther auf seine alten Tage zum Antisemiten, der in seiner Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ die Verbrennung von Synagogen nahelegte. Diese Auswüchse wurden bald korrigiert, doch die Überzeugung, Jesus Christus sei der Erlöser aller Völker, auch und gerade seines eigenen, des jüdischen, blieb im deutschen Protestantismus bis in die sechziger Jahre hinein Konsens. Gestritten wurde nur über das Wie, nicht über das Ob der Judenmission, denn zu eindeutig schien der biblische Befund: Pries nicht der Apostel Paulus − ein „Judenchrist“ wie ausnahmslos alle Apostel der ersten Generation − das Evangelium als „Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst“ (Römer 1, 16)? Und heißt es nicht im 1. Johannesbrief mit Blick auf Israel klar und eindeutig: „Wer den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht“ (1. Joh 2, 23)?

Dennoch begann vor knapp 50 Jahren eine intensive Debatte zunächst in der protestantischen Theologie, ob es nicht (über die immer klarer als fortdauend verstandene Erwählung Israels hinaus) einen eigenen jüdischen „Heilsweg“ gebe, der letztlich ein christliches Zeugnis unter Juden für den Glauben an Jesus von Nazareth und die Annahme der trinitarischen Taufe überflüssig oder sogar unzulässig mache.

Die Tendenz in dieser Richtung wurde immer eindeutiger, wofür die Haltung des Deutschen Evangelischen Kirchtentags (siehe rechts) als „Seismograph“ gelten kann. Seit Anfang der neunziger Jahre haben schließlich sogar mehrere evangelische Synoden Beschlüsse gegen eine Judenmission gefaßt, deren Formulierungen im Laufe der Zeit immer dezidierter wurden. Im November 2008 beispielsweise erklärte die Bayerische Landeskirche, Aktivitäten mit dem Ziel einer Bekehrung von Juden zum Christentum seien „undenkbar“ – eine Formulierung, von der Landesbischof Johannes Fried-rich bisher nicht abgerückt ist.

Dieser Grundsatzstreit berührt nicht nur die Frage der Verbindlichkeit und Wahrheit der Bibel und des trinitarischen Gottesbildes. Man kann in ihm geradezu den Brennpunkt des Streits um die philosophische und theologische Strömung des Relativismus sehen, der die Existenz absoluter Wahrheiten in Abrede stellt. Schließlich definiert das Neue Testament Jesus Christus ja (auch) als die absolute und personifizierte Wahrheit.

Im deutschen Katholizismus schwelt dieser Grundsatzstreit ebenfalls, und zwar sowohl auf der akademisch-theologischen als auch auf der kirchenpolitisch-praktischen Ebene. Hier hat unlängst ein Gesprächskreis des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ein Papier mit der programmatischen Überschrift „Nein zur Judenmission“ vorgelegt. Selbst der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch und sein Vorgänger, Karl Kardinal Lehmann, die beide als sehr dialogorientiert gelten, erklärten daraufhin, dieser Text werde „dem Christusbekenntnis der Kirche in seiner Fülle nicht gerecht“ und stelle „die Sendung der Kirche verkürzt dar“.

Nicht zuletzt deswegen konnte vor wenigen Tagen erstmalig ein neuer ZdK-Präsident sein Amt nicht antreten. Die katholischen Bischöfe verweigerten dem bereits gewählten hessischen Kultus-Staatssekretär Heinz-Werner Brock-mann (61) die laut ZdK-Statut notwendige Bestätigung mit Zweidrittelmehrheit. K. Badenheuer

Foto: Missionare unerwünscht: Aus jüdischer Sicht sind christliche Bekehrungsbemühungen völlig unzulässig.

 

Zeitzeugen

Apostel Paulus – Der große Völkerapostel verfolgte zunächst die junge Christengemeinde in Jerusalem − bis zu seinem Bekehrungserlebnis vor Damaskus, wohl im Jahre 32 oder 33. Seitdem missionierte er, der sich zeitlebens dem jüdischen Volk zurechnete, unermüdlich. Vor den anderen Aposteln mußte er sich sogar dafür rechtfertigen, daß er das Evangelium nicht ausschließlich Juden verkündigte.

 

Chaim Z. Rozwaski – Der liberale Berliner Rabbiner lehnt jede Judenmission ab – und spricht damit im Grunde für alle Strömungen des Judentums: „Ob man einen Juden in der Gaskammer tötet oder durch Konversion – in beiden Fällen ist er als Jude tot.“ Soweit missionarische Aktivitäten von „messianischen Juden“ durchgeführt werden, spricht Rozwaski von einem „giftigen Bonbon in einer Schokoladenhülle“. Die jüdische Position ist insofern konsequent, als Juden auch nicht unter Christen missionieren.

 

Theo Sorg – Der frühere Landesbischof von Württemberg (* 1929) hat die konservativ-evangelische Haltung zur Judenmission folgendermaßen in Worte gefaßt: „Es ist mir bewußt, daß das Christuszeugnis in Israel eine andere Qualität hat als die Mission unter Heiden. Deshalb vermeide ich den Begriff ,Judenmission‘... Es ist mir weiter bewußt, daß unser christliches Zeugnis an Israel aufs Schwerste belastet ist durch das, was an Schrecklichem gerade durch unser deutsches Volk an Israel ... geschehen ist. Dies alles kann nicht aufheben, daß Jesus, der Sohn Gottes, zuerst für Israel gekommen ist, daß er auch für Israel am Kreuz gestorben und am dritten Tag wiederauferstanden ist. Jesus ist der Heiland der Völker und der Messias Israels. Man muß dem Neuen Testament Gewalt antun, wenn man diese biblische Linie abblenden und auf die Seite legen will.“

 

Benedikt XVI. – Der 1927 als Joseph Ratzinger geborene Papst hat wiederholt zu verstehen gegeben, daß sich die in Jesus Christus angebotenen Heilszusagen auch auf das jüdische Volk beziehen. Eine im Februar 2008 von ihm vorgelegte Karfreitagsfürbitte lautet: „Laßt uns auch beten für die Juden, auf daß Gott, unser Herr, ihre Herzen erleuchte, damit sie Jesus Christus erkennen, den Retter aller Menschen.“

 


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