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16.05.09 / Tauziehen um den Libanon geht weiter / Parlamentswahlen: Die Wahlkampfargumente werden vom Ausland bestimmt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-09 vom 16. Mai 2009

Tauziehen um den Libanon geht weiter
Parlamentswahlen: Die Wahlkampfargumente werden vom Ausland bestimmt

Bei der libanesischen Parlamentswahl am 7. Juni wird erstmals das auf der „nationalen Versöhnungskonferenz“ 2008 ausgehandelte neue Wahlgesetz angewendet. Es bringt Änderungen im Wahlmodus, doch sind die 128 Parlamentssitze auch weiterhin je zur Hälfte für christliche und für muslimische Gruppierungen reserviert. Wegen der Vorauswahl innerhalb der Parteien steht außerdem meist jetzt schon fest, wer ins Parlament einzieht.

Dennoch sind die Wahlen keineswegs belanglos. Denn da Christen und Sunniten deutlich niedrigere Geburtenraten und höhere Auswanderungsquoten haben, hat sich in den letzten Jahrzehnten die Bevölkerungsstruktur des Vier-Millionen-Staates zugunsten der Schiiten verschoben. Die Stimmenverhältnisse haben daher fast den Charakter einer Volkszählung. Sie werden ein gewichtiges politisches Argument bei künftigen Entscheidungen sein und auch vom Ausland nicht ignoriert werden können.

Für den „Westen“ – de facto für die USA und Israel, mit der EU und Ägypten als Anhängseln – war der Libanon bisher ein Nebenkriegsschauplatz im Kampf gegen die „Schurkenstaaten“ Syrien und Iran. Ganz in diesem Sinn wurde die schiitische Hisbollah als „Terrororganisation“ eingestuft. Syrien wurde für die Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Al-Hariri im Februar 2005 verantwortlich gemacht und daraufhin zum Abzug seiner Truppen gezwungen, die einst im Auftrag der Arabischen Liga in den Libanon entsandt worden waren. Und bei der Wahl 2005 siegte eine „antisyrische“ Koalition, geleitet von Saad Al-Hariri, dem Sohn des Ermordeten.

Heute ist die Ausgangslage anders: Die israelische Libanon-Invasion im Juli 2006 brachte der Hisbollah einen gewaltigen Zuwachs an Popularität. Das monatelange Tauziehen um die Nachfolge des prosyrischen Präsidenten Emile Lahoud endete damit, daß die Hisbollah seit 2008 wieder in der Regierung ist und sogar ein Veto-Recht hat. Und der neue Präsident Michel Suleiman – davor Oberkommandierender der Armee – ist ebenfalls kein „Antisyrer“ und war bereits auf Staatsbesuch in Teheran. Auch sonst hat sich vieles geändert: US-Präsident Obama scheint eine weniger konfrontative Iran- und Syrien-Politik anzustreben – allerdings hat er soeben die US-Sanktionen gegen Syrien verlängert. Die neue israelische Regierung, die eine „Zweistaaten-Lösung“ in Palästina ablehnt, hat Argumentationsprobleme mit den USA und der EU. Syrien selbst ist bemüht, seine Isolation – auch innerhalb der Arabischen Liga – zu beenden, unter anderem durch indirekte Verhandlungen mit Israel unter türkischer Ägide. Der im syrischen Exil lebende Chef der palästinensischen Hamas Khaled Maschal erklärte sich vorige Woche sogar bereit, eine Zweistaaten-Lösung in den Grenzen vor 1967 zu akzeptieren. Und Irans Präsident Ahamedinedschad erklärte seinerseits, daß sein Land nichts gegen Lösungen habe, mit denen die Palästinenser zufrieden seien.

Den wohl bedeutendsten Beitrag zum libanesischen Wahlkampf lieferte das internationale Sondertribunal in Den Haag, das den Hariri-Mord aufklären soll: Es veranlaßte die Freilassung von vier „prosyrischen“ libanesischen Generälen, die als „Hauptverdächtige“ seit 2005 ohne Anklage im Libanon inhaftiert waren. Die Verhaftung hatte der damalige Chefermittler und heutige Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis veranlaßt, für den bei dem Attentat einzig eine syrische Urheberschaft in Frage kam.

Die von Mehlis zusammengetragenen „Beweise“ entpuppten sich allerdings als politisches Wunschdenken, und sein „Kronzeuge“ wurde als Betrüger entlarvt. Gegen Mehlis sind in Frankreich sogar Klagen wegen Beweisfälschung anhängig. Die Freigelassenen hingegen wurden stürmisch gefeiert und vom Staatspräsidenten persönlich beglück-wünscht. Dazu kommt, daß bereits im April ein pensionierter General festgenommen worden war – wegen jahrelanger Spionage für Israel, und das wirft ein neues Licht auf zumindest einige der politischen Morde der letzten Jahre.

Besondere Beachtung verdienen auch die jüngsten Äußerungen des „Drusenfürsten“ Walid Dschumblatt, der bisher eine Zentralfigur der antisyrischen Front war und offenbar nun bereit ist, die Seiten zu wechseln. Die neue Regierung dürfte also gar nicht nach westlichem Geschmack sein.            RGK


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