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16.05.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-09 vom 16. Mai 2009

Peer Hyde / Wie sich unser Finanzminister plötzlich verwandelt hat, warum er in den Schrank muß, und wie FDP-Wähler zu Tieren gemacht werden
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Mit Vergleichen soll man vorsichtig sein. Daß Peer Steinbrück die Alpenländer und Luxemburg mit Burkina Faso (früher Obervolta) verglichen hat, brachte ihm auf  zwei Kontinenten Ärger nacheinander ein. Die europäischen Nachbarn waren sofort empört, die Burkinesen entzündeten sich wenig später. Am Südrand der Sahara verfolgt man die Fingerhakeleien des deutschen Finanzministers sonst ohne große Anteilnahme, weshalb die Sache da unten erst mit Verzögerung durchschlug.

Die Reaktion der Finanzbürgermeisterin der Hauptstadt Ouagadougou, Minata Ouédraogo, würde Peer Steinbrück peinlichst beschämen, wenn er nicht Peer Steinbrück wäre. Die kluge Frau klärte, statt beleidigt aufzugellen, den SPD-Politiker in ruhigen sachlichen Sätzen darüber auf, was für einen Bockmist er geredet hatte: Steueroase? Schlupfwinkel für „Reiche“? Welche Reichen? Die Hälfte der 1,2 Millionen Einwohner Ouagadougous müßten sich mit weniger als einem US-Dollar durch den Tag schlagen, so Ouédraogo, die andere Hälfte versuche zum Großteil, als Gelegenheitsarbeiter oder Straßenhändler zu überleben. Von denen gebe es kaum Steuern, und Nummernkonten hätten sie in Burkina Faso ohnehin nicht.

Bayerns Europaministerin Emilia Müller hat es endgültig dicke. Sie würde den Bundesfinanzminister am liebsten im Schrank verschwinden lassen, bevor er Deutschland noch weiter blamiert. Was treibt den Steinbrück eigentlich? Er stampft durch die Welt wie die Karikatur eines schlecht gelaunten Kleinbürgers, der alle haßt, die womöglich über ihm stehen („Kapitalisten“, vermeintliche Steueroasenwirte) und ebenso alle, die er unter sich wähnt („Ouagadougou“, „Indianer“).

Solche Leute werden immer dann unangenehm, wenn die Dämme brechen, und die Regeln des guten Benehmens nicht mehr so gründlich überwacht werden wie sonst. Denn im Grunde ihres Herzens sind ihnen Takt und Rück­­sichtnahme ein Graus, sie müssen sich immer mühsam zusammenreißen, quälen sich wie angeleinte Rabauken.

Zur Zeit reißt die Krise so manchen Damm dahin, daher zeigt sich der nette Nachbar Steinbrück über Nacht als Mr. Hyde der europäischen Politik. Er redet, wie wir es unter den hochentwickelten Ländern Europas über Jahrzehnte nur von britischen Politikern gewöhnt waren.

Die bayerische Ministerin hat also recht: Auf das Niveau gehen wir lieber nicht, dem Finanzminister muß Einhalt geboten werden. Andererseits wollen wir auch keine Unmenschen sein. Steinbrück genießt seine Bedeutung als Finanzminister in Krisenzeiten so sichtlich, daß wir ihm den Spaß internationaler Auftritte nicht ganz verderben sollten. Wohin aber können wir den Radaubruder noch lassen? In die Ukraine natürlich: Der dortige Innenminister Jury Luzenko hat sich gerade volltrunken eine Prügelei mit deutschen Sicherheitskräften am Frankfurter Flughafen geliefert. Nun besteht er für sich und seine drei Saufkumpane, darunter sein würdiger Sohn, sogar auf einer Entschuldigung der Deutschen. Sein Präsident Viktor Juschtschenko springt ihm bei und verlangt „Aufklärung“ von der deutschen Botschaft in Kiew.

Na, Steinbrück? Das sind Typen nach Ihrem Geschmack.

Doch wieso in die Ferne schweifen? Zuhause werden die Sitten ebenfalls erfrischend robust. Auf SPD-Plakaten werden FDP-Wähler als menschenfressende Raubtiere mit Schlips dargestellt, als zähnefletschender Hai im Anzug.

Da merkt man, wie sich die Zeiten verändert haben. Vor 30 Jahren in der Schule hielten uns linksdrehende Lehrer voller Abscheu ein CDU-Plakat aus den 50ern vor die Nase. Darauf war ein grimmig über den Horizont lugender Rotarmist zu sehen, mit dem Satz: „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau!“ Das Plakat wurde uns als ein Tiefpunkt rechter Hetze gegen die fortschrittlichen Kräfte präsentiert.  Der Moskowiter sah wirklich nicht freundlich aus, aber er war unverkennbar als Mensch dargestellt. Heute sind gefährliche oder Abscheu erregende Tiere angesagt, um den Gegner zu symbolisieren. Wir kommen voran.

Allerdings ist das SPD-Plakat wohl nur die vorläufige Spitze des Müllhaufens, der sich in diesem Wahlkampf vor uns auftürmen wird. Mit „Millionäre abkassieren“ als Plakatparole haben die Linken ebenfalls einige Hemmungen abgestreift. Erinnern Sie sich noch an die gespreizten Kommunistensprüche von einst? Natürlich wollten die damals auch nur anderen Leuten ans Geld und an die Freiheit, sie umgarnten das aber mit einem Tätärä aus pathetischen Sätzen und marxistischem Kauderwelsch. Nunmehr kommen sie gleich zur Sache: „Abkassieren“, das Wort benutzen Kellner und Kneipiers. Wenn es dabei aber um Millionen geht, taucht die Vokabel nur noch bei Berichten über Ganovenverhöre der Polizei auf, als szenetypischer Euphemismus für rauben oder stehlen.

Neben den SPD- und Linke-Plakaten wirken die von Union und FDP ziemlich lau und mau. Bloß die üblichen Köpfe der Kandidaten zur anstehenden Europawahl. Darunter sind bestimmt auch Slogans. Aber die sind so langweilig, daß wir sie gleich vergessen haben. Keine Raubfische, keine Gangstersprache, nur Blabla.

Aber was sollten sie auch draufschreiben? Die Haltung der CDU zu Steuersenkungen ist nach monatelanger Debatte so klar wie Kartoffelsuppe. Da schwimmen alle möglichen Meinungen durch den Topf. Diesen Montag konnte man CDU-General Ronald Pofalla im Berliner Konrad-Adenauer-Haus durch das Gebräu von Unklarheiten schwimmen sehen: Auf die Frage, was er von der Aussage des baden-württembergischen CDU-Ministerpräsidenten Oettinger halte, daß Steuersenkungen erst nach der Haushaltskonsolidierung erfolgen könnten, drechselte Pofalla: „Über diese Konditionierung ist im (CDU-)Präsidium nicht gesprochen worden.“ Klar, so geht es natürlich auch: Man läßt die entscheidende Frage (ob auch auf Pump oder erst bei deutlich besserer Haushaltslage die Steuern runter dürfen) einfach aus, und verkauft die so erzielte Ruhe als Zeichen der Einigkeit. Das Signal an die Wähler lautet: Wir sind uns einig, wissen nur noch nicht genau, worin, und wir werden entschlossen vorgehen, vielleicht ein bißchen hierhin, oder ein wenig dorthin, mal sehen.

Die CDU scheint begierig, ihren in die Parteigeschichte eingegangenen Wahlkampf von 2005 neu aufzulegen. Damals zerfiel das anfangs arg einseitige politische Profil der CDU nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl zu einem bunten Strauß von Möglichkeiten, unter dem sich manche vieles und viele gar nichts mehr vorstellen konnten. Die haushohe Umfragemehrheit vom Frühsommer 2005 schmolz bis zum Urnengang im September auf ein paar Stimmen zusammen.

Schwacher Trost für die Schwarzen, daß es der SPD derzeit kaum besser geht, auch wenn es sich Franz Müntefering nicht nehmen läßt, bei jeder Gelegenheit ein öffentliches Bad im unionsinternen Steuerstreit zu nehmen.  Aber mit welcher Mehrheit will man denn regieren? Juso-Chefin Franziska Drohsel möchte mit den Dunkelroten packeln. Doch das wollen Münte und Steini in diesem Jahr wohl noch nicht wagen. Das wäre ja was: Keine 20 Jahre nach dem Mauerfall nimmt die umgetaufte SED die Zügel wieder in die Hand! Müntefering und seinen Kanzlerkandidaten sitzt der verstolperte Anlauf in Hessen noch immer im Nacken. Was, wenn uns so etwas auf Bundesebene ... ? Da wartet man lieber noch.

Was aber sonst? Rot-Grün scheint derzeit kaum eine Mehrheit zu bekommen. Und Schwarz-Gelb? Noch ein paar solche Pofalla-Sätze, und das hätte sich auch, zumal die FDP kaum zu sehen ist trotz ihrer Umfrage-Stärke. Bliebe also abermals die Große Koalition, was uns sagen soll: Politik kann ja so spannend sein, sie muß aber nicht.


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