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23.05.09 / Geschichtsvergessenes Land / Was bei den Gedenkreden dieser Tage aus dem Blickfeld geraten ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-09 vom 23. Mai 2009

Geschichtsvergessenes Land
Was bei den Gedenkreden dieser Tage aus dem Blickfeld geraten ist

Seit Tagen läuft der dreifache Gedenkmarathon „60 Jahre Bundesrepublik, 60 Jahre Grundgesetz, 20 Jahre Wiedervereinigung“. In Zeiten der Krise werden zu Recht die guten Erfahrungen des Wiederaufbaus beschworen. Anderes gerät völlig aus dem Blickfeld oder wird sogar verdreht.

Keine Scherzfrage: Wie alt ist die Bundesrepublik Deutschland? 60 Jahre oder knapp 142? Die richtige Antwort: Da mit der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 kein Staat gegründet wurde, sondern sich nur das Deutsche Reich, das im Jahre 1945 besiegt worden war, aber nicht untergegangen ist, in einem Teil seines Staatsgebietes eine neue verfassungsmäßige Ordnung gegeben hat, ist die Bundesrepublik Deutschland um einiges älter als das Grundgesetz.

Diese Sichtweise ist weit mehr als das Steckenpferd einiger historisch interessierter Menschen, sondern staats- und völkerrechtlich ein klarer Fall. In rund einem Dutzend Urteilen hat das Bundesverfassungsgericht in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder bekräftigt, daß die Bundesrepublik eben nicht „Rechtsnachfolgerin“ des Deutschen Reiches, sondern mit diesem als Rechtspersönlichkeit und Völkerrechtssubjekt identisch ist.

Aus staatsrechtlicher Sicht steht fest: Der am 18. August 1866 zunächst als Militärbündnis unter preußischer Führung gegründete Norddeutsche Bund, aus dem am 1. Juli 1867 der gleichnamige Staat hervorging, ist die juristische Person, die ab 1871 „Deutsches Reich“ hieß und seit 1949 „Bundesrepublik Deutschland“ heißt. Den Norddeutschen Bund und Preußen muß man nicht mögen, und politisch mag aus dem erwähnten Faktum wenig folgen, doch für das Selbstverständnis eines Staates kann es nicht belanglos sein, wann er gegründet wurde. Noch eindeutiger relevant ist, wenn die politische Klasse eines Landes sich in keiner Weise dafür interessiert, wann und unter welchem Namen der von ihr geführte Staat überhaupt entstanden ist.

Wer aber die Gedenkreden dieser Tage und das Informationsangebot amtlicher Stellen abklopft, schüttelt den Kopf über die Geschichtsvergessenheit des bevölkerungsreichsten Landes in Europa nach Rußland, die an Amnesie zu grenzen scheint (s. Seite 8).

Eine direkte Folge davon ist, daß zunehmend alles Positive der deutschen Geschichte auf die Jahre nach 1949 verlagert wird. Die politischen und moralischen Einbrüche nach diesem Datum − insbesondere seit 1969 − werden dabei ebenso ausgeblendet wie Leistungen und Verdienste davor.

Nicht einmal die Redenschreiber der Bundeskanzlerin sind historisch halbwegs sattelfest. So verblüffte Frau Merkel vor wenigen Tagen am Ort der Varusschlacht mit der ahnungslosen Frage, warum eigentlich bei den Germanen nach der für sie sieg-reichen Schlacht im Jahre 9 „keine Ruhe einkehrte, warum sie weiterhin permanent Krieg führten“ (siehe Seite 11 und Leitartikel rechts).          Konrad Badenheuer


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