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23.05.09 / Karrierechance trotz Krise? / Die Bundeswehr ist einer der größten Arbeitgeber im Land − Licht und Schatten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-09 vom 23. Mai 2009

Karrierechance trotz Krise?
Die Bundeswehr ist einer der größten Arbeitgeber im Land − Licht und Schatten

Die Arbeitslosigkeit steigt rasant. Vor allem in der Industrie gehen Arbeitsplätze verloren. Auf der Suche nach einem neuen Job entdecken immer mehr Menschen die Bundeswehr.

Tobias war eineinhalb Jahre arbeitslos. Nachdem die Telekom Personal reduziert hatte, fand der 24jährige keine neue Anstellung in seiner 80000 Einwohner zählenden Heimatstadt und der näheren Umgebung. Tobias merkte selbst, wie er antriebslos wurde und zunahm. Als ein Freund seines Bruders von seinem Gespräch beim Wehrdienstberater erzählte, horchte Tobias auf. Erstmals realisierte er, daß die Bundeswehr mit 340000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber Deutschlands ist. In den drei Waffengattungen Heer, Marine und Luftwaffe gebe es die vielseitigsten Aufgabenbereiche und auch im zivilen Bereich, in dem mehr als 100000 Mitarbeiter beschäftigt sind, könne er vom IT-Fachmann bis zum Verwaltungsangestellten oder Koch Anstellung finden, erfuhr er.

„Offiziere der Bundeswehr sind als Führungskräfte mit Managern in einem Großunternehmen vergleichbar“, las Tobias auf den Seiten der Bundeswehr. „Als Soldaten arbeiten Sie als Chef in den Kampfverbänden oder als Spezialisten in technischen Bereichen. Vom Strahlflugzeugführer bis zum Stabsarzt, vom Kommandanten eines Bootes der Marine bis zum technischen Leiter der Flugzeugwartung.“ Nach einem Informationsgespräch mit dem Wehrdienstberater war Tobias Feuer und Flamme, auch wenn für ihn die Offizierslaufbahn nicht in Frage kam. Das Gehalt war adäquat und der Arbeitsplatz sicher. Zudem hatte er endlich wieder eine Perspektive.

Im Juni 2009, fast ein Jahr nach Beginn seiner achtjährigen Verpflichtung, ist Tobias’ Begeisterung allerdings gewichen. Er hat gelernt, daß „Gammeldienst“ und zu viel Bürokratie sowie eigenwillige Strukturen in der Bundeswehr ihren Mitarbeitern viel Geduld und Beharrlichkeit abverlangen. Letzteres ist zugegeben nicht Tobias’ Ding.

Wilfried Stolze vom Bundeswehrverband sieht in Menschen wie Tobias den typischen Vertreter der heutigen „Computergeneration“. Statt aktiv zu werden, warten sie ab, bis man ihnen alles präsentiere. Die Bundeswehr selbst hat ihr letztes Arbeitspapier zum Thema „Gammeldienst“ in den später 80er Jahren gefertigt ... und was nicht erforscht ist, gibt es nicht. Doch Reinhold Robbe, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, belegt in seinem Jahresbericht 2008 (siehe Beitrag unten), daß „Gammeldienst“ und zu viel Bürokratie durchaus alltäglich sind und nur die wirklich Durchsetzungfähigen sich davon nicht zermürben lassen.

Doch Bundeswehrangehörige wissen auch von Verbesserungen zu berichten. Ein Offizier, dessen Verpflichtung Ende Juni nach zwölf Jahren ausläuft, bezeugt, daß die Ausstattung in den letzten zehn Jahren durchaus besser geworden ist, auch wenn Robbe einige spektakuläre Gegenbeispiele zu benennen weiß. Allerdings bestätigt der scheidende Offizier, daß die Truppe wegen der vielen Auslandseinsätze überlastet sei. Wehrpflichtige litten darunter, daß meist einer ihrer beiden zugeteilten Ausbilder im Auslandseinsatz sei. Das habe zur Folge, daß ihre Ausbildung leide und manchmal Leerlauf herrsche. Als störend empfindet er die langen Entscheidungswege. Selbst bei einem simplen Wasserschaden in der Kaserne dauere es vier Wochen, bis der Schaden überhaupt aufgenommen würde. Es erinnere ihn alles manchmal ein wenig an eine Verwaltung oder an eine Schule. Vor allem sei aber die Informationsweitergabe bis zur untersten Ebene mies und „Nachfragen verlaufen im Sande“.

Allerdings ändere das nichts daran, daß die Bilanz seiner zwölf Jahre bei der Bundeswehr positiv aussähe. Viel komplizierter sei es für ihn derzeit, einen neuen Job zu finden. Denn obwohl die Bundeswehr eine Ausbildung finanziell unterstützt, zeigt sich doch, daß die Arbeitgeber von heute ehemalige Soldaten als Mitarbeiter nicht mehr so schätzen wie früher. Das läge allerdings nicht an der Bundeswehr, sondern an geänderten Wertvorstellungen der Gesellschaft.            Rebecca Bellano

Foto: Üben für den Ernstfall: Ein Ausbilder unterweist Bundeswehrsoldaten vor ihrem Auslandseinsatz.

 

Zeitzeugen

Reinhold Robbe – Der Ostfriese ist seit 2005 Wehrbeauftragter des Bundestages. Obwohl der 1954 geborene SPD-Politiker 1976 lieber Zivildienst geleistet hat, fühlt er sich offenbar recht erfolgreich in die Befindlichkeiten der Soldaten der Bundeswehr ein. Auch nimmt der ehemalige Vorsitzende eines Betriebsrates kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Interessen der Truppe geht. „Zwei Drittel von ihnen gehören zu den unteren Einkommensgruppen“, klagte er bereits 2007 über die „ausbaufähige“ Entlohnung der Soldaten. Auch im Bericht für das Jahr 2008 beklagte er die Besoldung, hier jedoch die der Ärzte im Sanitätsdienst. Über 500 verließen bereits 2008 die Bundeswehr. Ab sofort gibt es für sie mehr Geld. Auch beim Zustand der Kasernen weist er auf Mängel hin. Hier liegt es jedoch nicht nur am Geld, sondern auch an den langen Entscheidungswegen.

 

Wolfgang Schneiderhan – Der ranghöchste Offizier in der Spitzengliederung der Bundeswehr sieht eine neue Bedrohungsqualität im Afghanistan-Konflikt auf die deutschen Truppen zukommen. „Die bisherige Taktik war ,hit and run‘, schießen und wegrennen“, so der Generalinspekteur der Bundeswehr. „Das ist jetzt etwas anderes.“ Wie die Bundeswehr auf die neue, militärische Taktik der Taliban reagieren soll, wird der 1946 Geborene nur noch bedingt mitbestimmen: 2010 tritt er voraussichtlich in den Ruhestand.

 

Franz Josef Jung – „Ich halte es für falsch, von einem Krieg zu sprechen. Es ist ein Stabilisierungseinsatz“, beteuert Verteidigungsminister Jung (CDU) über den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr und verweist auf die Wiederaufbauleistung. Doch die Zweifel an dieser Einschätzung wachsen.

 

Wolfgang Schäuble – Trotz massiver Kritik möchte der Innenminister den Paragraphen 87a, Absatz 5 des Grundgesetzes wie folgt ändern: „Außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland dürfen die Streitkräfte nach den Regeln des Völkerrechts, auch zur Unterstützung der zuständigen Bundesbehörden, eingesetzt werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Dies soll es der Bundeswehr ermöglichen, Geiseln aus der Hand von Piraten zu befreien. Bisher darf das nur die Bundespolizei. (siehe Seite8)


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