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23.05.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-09 vom 23. Mai 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

er hat es geschafft, unser Landsmann Horst Potz aus Hannover. Was in ersten Vorträgen über Flucht und Vertreibung in niedersächsischen Schulen noch sehr zögerlich begann, dann auf ein immer größer werdendes Interesse bei Lehrern und Schülern stieß, hat nun seine behördliche Anerkennung gefunden: Die Landesschulbehörde Niedersachsen legt den Schulen den Vortrag von Horst Potz als Fortbildungsangebot im Rahmen des Geschichtsunterrichts vor. Unter dem Titel „Nationalsozialismus, Flucht und Vertreibung – Ein Zeitzeuge berichtet“ kann dieser von Herrn Potz frei gestaltete Vortrag von ihm direkt angefordert werden, es handelt sich also um eine in Behördendeutsch formulierte „Abruffortbildung“. Schulen aus ganz Niedersachsen können also nun mit Herrn Potz direkt Kontakt aufnehmen und einen Termin vereinbaren. Das erweitert natürlich den bisher auf den Großraum Hannover beschränkten Radius erheblich, und es ist unserem so aktiven Landsmann nur zu wünschen, daß von diesem Fortbildungsangebot reichlich Gebrauch gemacht wird – Niedersachsen reicht schließlich von der Nordsee bis zum Harz und ist das zweitgrößte Bundesland. Der 79jährige, der schon früh Besuchsreisen in das nördliche Ostpreußen organisierte und leitete, ist auch heute für seine Heimat tätig, denn er unterstützt mit seinem Förderkreis seinen Geburtsort Popelken, wo bereits soziale Einrichtungen geschaffen und unterstützt werden konnten. Daß nicht nur die Vergangenheit vor der Vertreibung und die Flucht, sondern auch die heutigen Verbindungen so authentisch behandelt werden, ist als besonders positiv anzusehen, wie ein Lehrer bestätigte: „Auf diese Weise kann der Geschichtsunterricht um authentische Informationen und mehr Unmittelbarkeit ergänzt werden.“ Was die Gymnasiasten und Berufsschüler, vor denen Herr Potz hauptsächlich spricht, besonders beeindruckt, sind die Schilderungen seiner von der Flucht gezeichneten Jugend: Als 15jähriger mußte er im Januar 1945 für seine 13köpfige Familie die Verantwortung übernehmen und den Fluchtwagen lenken, bis sie nach sechs Wochen voller Hunger und Leiden in Niedersachsen ankamen. Die Gleichaltrigen von heute ziehen dann doch Vergleiche mit ihrem eigenen Leben, wie Herr Potz aus den Reaktionen seiner jungen Zuhörer entnehmen kann. Wir wünschen unserem Landsmann, der unserer ostpreußischen Familie eng verbunden ist, viel Kraft für die Ausweitung seiner nur auf Eigeninitiative beruhenden Aktion. Und werden weiter berichten!

Was ostpreußische – na, sagen wir ruhig: – Dick­schädel erreichen können, wenn sie es wollen – dafür gibt es ein weiteres schönes Beispiel. Und unsere Ostpreußische Familie mischt da auch mit. Es begann vor einem Jahr beim Ostpreußentreffen in Berlin. Da standen zwei Landsleute vor mir, mit denen ich schon seit längerer Zeit schriftlichen Kontakt hatte und die sich trotz weit entfernter Wohnorte in gemeinsamer Sache gefunden hatten: Ingrid Nowakiewitsch aus Haiger-Allendorf und Benno Krutzke aus Wismar. Das Ostpreußentreffen bot eine gute Gelegenheit, die von beiden Seiten gefaßten Pläne zu koordinieren: Eine Aufführung des Oratoriums „Ostpreußenland“ des Komponisten Herbert Brust, dessen Schlußchoral „Land der dunklen Wälder“ schon längst zu unserem Ostpreußenlied geworden ist. Ich wies auf die Schwierigkeiten hin, die einer Aufführung im Wege stünden, denn wo, wie und durch wen sollte sie zustande kommen, zumal es nicht bekannt war, ob es überhaupt noch eine Partitur des 1933 im Reichssender Königsberg uraufgeführten Oratoriums gibt. Wenn, dann hatte sie der Sohn des Komponisten, Munin Brust, den ich gut kannte, weil er vor einigen Jahren in meinem Seminar über den Rundfunk in Ostpreußen über seinen Vater gesprochen hatte. Frau Nowakiewitsch wie Herr Krutzke setzten sich mit Munin Brust in Verbindung, und siehe da: Er hatte die Partitur und stellte sie auch gerne für eine Wiederaufführung zur Verfügung. Leider stieß diese auf die von mir vermuteten Schwierigkeiten, es fanden sich weder Orchester noch Chor, die sich dafür bereit erklärten. Auch die von Frau Nowakiewitsch angesprochenen Schulorchester mußten passen, entweder genügte der Chor nicht oder die entsprechenden Instrumente fehlten. Das Projekt schien gescheitert.

Aber nicht ganz. Denn vor einigen Monaten meldete sich bei Ingrid Nowakiewitsch der Stellvertretende Direktor des Dillenburger Wilhelm-von-Oranien-Gymnasiums, Eckhard Scheld, mit dem Vorschlag, nicht das ganze Oratorium, sondern nur den Schlußchoral nach der Original-Partitur von Herbert Brust einzustudieren. Der Choral und vor allem das Orchester seien durch Ehemalige und Schülereltern ergänzt und aufgestockt worden. Man wolle eine CD herstellen und sie zum Gumbinner Heimatkreis-Wettbewerb einreichen. Mit diesem Preis, der jährlich verliehen wird, war das Dillenburger Gymnasien schon einmal für eine Dokumentation über das Schick­sal der Königsberger Diakonissen ausgezeichnet worden. Dieser Film wurde auch auf dem Kulturreferenten-Seminar der LO im April gezeigt, eine gute Arbeit. Frau Nowakiewitsch stellte die Verbindung zu Munin Brust her und hörte nichts – bis kurz vor Weihnachten Herr Scheld vor ihrer Türe stand und ihr die CD überreichte. Auf der Delegiertentagung der LOW Hessen in Gießen im Februar war diese erste Aufnahme des Ostpreußen-Liedes nach der Original-Partitur zu hören. Und nun kommt der Schmandbonbon: Die CD erhielt tatsächlich den diesjährigen Gumbinner-Heimatpreis! Am 7. Mai erfolgte die Verleihung auf einer festlichen Abendveranstaltung im Beisein des gesamten LO-Vorstandes und vieler Gäste, da­runter auch Munin Brust. Die Initiatoren konnten sich freuen – und wir gratulieren herzlich!

Der rührige Benno Krutzke, der die Kreisgruppe der Ost- und Westpreußen Wismar leitet, war aber noch auf einem anderen Gebiet für unsere Ostpreußische Familie tätig. Als er in unserer Kolumne die Frage nach dem bis dahin unbekannten Grab des Schriftstellers Louis Passarge fand und die kurz darauf von Herrn Martin Böttcher übermittelte Lösung – Lindenfels im Odenwald – ließ es ihm keine Ruhe. Es interessierte ihn, ob das Grab des 1912 Verstorbenen noch vorhanden ist, und er schrieb deshalb an den Vorsitzenden der Wandergruppe Birkenau im Odenwaldklub, Herrn Günter K. Hillemann. Und jetzt kam die Antwort, die nicht nur Benno Krutzke erfreute, sondern auch mich und mit Sicherheit auch kulturell interessierte Leser, denn sie erweitert die Vita des vor allem durch seine einfühlsamen Schilderungen von Landschaft und Landleben bekannten Ostpreußen erheblich. Herr Hillemann konnte nach eingehenden Recherchen in Lindenfels folgendes mitteilen:

Louis Passarge wollte im Frühsommer 1912 mit seiner Frau auf einer Deutschlandreise auch den Odenwald durchwandern und stieg im Hotel Deutsches Haus am Löwenbrunnen in Lindenfels ab. Hier erkrankte das Ehepaar so schwer, daß zuerst im Juni Frau Passarge verstarb und dann am 19. August Louis Passarge. Sie wurden auf dem Friedhof in Lindenberg beerdigt, die Grabstätte ist nicht mehr erhalten. Heute befindet sich dort das Grab „Vogel-Böhme“. Herr Hillemann kann die Lage so genau angeben, daß sie leicht zu finden ist. Der Grabstein ist leider „entsorgt“ worden, unter den als erhaltenswert bewahrten Steinen ist er nicht zu finden. Herr Krutzke wird wohl in diesen Tagen dort weilen, denn er beabsichtigte mit einer Reisegruppe eine Odenwaldfahrt. Aber vorher schon äußerte er seine Überlegung, ob man nicht in der Odenwaldregion wohnende Ostpreußen bewegen könne, eine Gedenktafel für Louis Passarge an der Grabstelle zu errichten, das sei man doch Louis Passarge schuldig. Das ist ein guter Vorschlag, wenn ich auch meine, daß vielleicht ein anderer Weg für die Errichtung einer Gedenktafel gefunden werden könnte, jedenfalls was die Kosten betrifft. Schließlich hat der – dem Namen nach Urostpreuße prussischer Herkunft aus dem Kreis Heiligenbeil – einen bedeutenden Platz in der deutschen Kulturgeschichte, Man sollte darüber nachdenken!

Nachfassen muß ich auch für unseren Landsmann Horst Doerfer aus Nordheim, dem das Schicksal seines vermißten Vaters Kurt Doerfer noch immer keine Ruhe läßt. Vor drei Jahren haben wir seinen Suchwunsch veröffentlicht, es kamen auch kleine Hinweise, die wenigstens einige Spuren aufzeigten, eine brauchbare Lösung ergab sich aber nicht. Immerhin versuchte Herr Doerfer dann noch andere Informationsquellen zu erschließen, aber es kam keine Reaktion. So wendet er sich noch einmal an uns und bittet vor allem die ehemaligen Heiligenbeiler, ihm bei seinem Hauptanliegen zu helfen. Und das betrifft das ehemalige Feldlazarett, das sich vor dem Russeneinfall in der Haushaltsschule in Heiligenbeil befand. Aus diesem Behelfskrankenhaus, in das Kurt Dörfler als erkrankter Zivilist eingewiesen wurde, schrieb er noch an einen Bekannten in Berlin. Das war die letzte Nachricht von ihm, danach gab es kein Lebenszeichen mehr. Kurt Doerfer, * 4. November 1898, stammte aus dem Kreis Insterburg, er wohnte in Baginsky, später Freimannsdorf, südwestlich von Insterburg. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er eingezogen, dann aber zurückgestellt, kam auch nicht zum Volkssturm. Auf der Flucht ist er dann bis Heiligenbeil gekommen und dort erkrankt in das Behelfskrankenhaus in der Haushaltsschule eingewiesen worden, das dann aufgrund der Kämpfe zum Feldlazarett wurde. Durch eine Heiligenbeilerin, die sich auf unsere Veröffentlichung hin gemeldet hatte, erfuhr Horst Doerfer, daß dieses Lazarett kurz vor dem Russeneinfall verlegt wurde, aber wohin? Blieb Kurt Doerfer unter den Verwundeten, ist er vielleicht mit ihnen umgekommen oder den Russen in die Hände gefallen, verstarb er irgendwo auf der Flucht, oder kam er auf andere Weise vielleicht noch aus Ostpreußen heraus? Vielleicht kommt doch noch einmal ein brauchbarer Hinweis – darauf hofft jedenfalls der Sohn noch immer. (Horst Doerfer, Allensteiner Straße 22 in 74226 Nordheim, Telefon 07133 / 7167.)

Zwar stand jetzt zu Hause die Maibowle auf dem Programm, natürlich aus gesammeltem Waldmeister – „unter Buchen sollst du suchen!“ –, aber wir kommen noch einmal zurück auf die Trauben, die auch bei uns wuchsen und die nicht immer sauer waren, wie manche Leserinnen und Leser schrieben. Ein nettes Briefchen kam dazu von Frau Lucie Ludszuweit aus Waldhut-Tiengen, und als Beweis für geglückten Weinanbau auch in Ostpreußen legte sie ein altes Bildchen bei. Aufgenommen vor ihrem Elternhaus am Amselstieg 27 in Gumbinnen. Frau Ludszuweit schreibt dazu: „Wir hatten an unserm Haus auch zwei Weinstöcke mit weißen und blauen Trauben, die am Spalier hochrankten. Zwar nur zum Hausgebrauch und sie schmeck­ten, denn sie waren süß. Es handelte sich um eine amerikanische Sorte. Zum Winter wurden sie in Stroh gut verpackt. Das Bild zeigt meine Eltern Eda und Gustav Ludszuweit sowie meine Schwester Ruth und mich, die Kleinste.“ Vielen Dank, liebe Frau Luszuweit, für diesen sichtbaren Beleg, daß auch am Pregel Reben wuchsen. Ehe mich einer korrigiert: in diesem Fall an einem seiner Quellflüsse, der Pissa!

Eure Ruth Geede

Foto: Eda und Gustav Ludszuweit mit ihren Kindern Ruth und Edith: An ihrem Haus am Amselstieg in Gumbinnen um 1942/43


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