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30.05.09 / Neuer Blick auf 60 Jahre / Was alle Jubiläumsreden nicht geschafft hatten, vermochte ein Aktenfund

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Neuer Blick auf 60 Jahre
Was alle Jubiläumsreden nicht geschafft hatten, vermochte ein Aktenfund

Man muß kein Miesmacher sein, um an den Staatsfeierlichkeiten vom 23. Mai wenig Freude gehabt zu haben. Der in den Reden beschworene Zusammenhalt von Ost und West bekam plötzlich von ganz anderer Seite her Aktualität.

Das große „Bürgerfest“ am Brandenburger Tor mag den mehreren Hunderttausend Besuchern Spaß gemacht haben. Schmucke Zelte, in denen sich die Verfassungsorgane präsentierten, die Ministerien und das Verfassungsgericht, die Bundeswehr und natürlich die 16 Bundesländer – das alles bei gutem Wetter, da kommt Volksfeststimmung auf. Bürger, die das Spektakel nur von ferne wahrnahmen, freute wohl am meisten, daß die Festivitäten nicht so kolossal ausgefallen sind, wie unbekümmerte Beamte es sich zunächst ausgedacht hatten.

Daß dem Jubiläum etwas abging, wurde vor allem bei den politischen Reden deutlich. Kaum einer der dort geäußerten Gedanken über Demokratie und Freiheit, die beste deutsche Verfassung aller Zeiten, den Erfolg des Wiederaufbaus und der europäischen Einigung, über die Verpflichtung der Bundesrepublik zum Frieden und gezogene Lehren, aber auch andauernde Verpflichtungen aus dem Nationalsozialismus hatte in den Nachrichtensendungen des Wochenendes eine Chance gegen den letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga und die Entscheidung über „Germany’s next Topmodel“.

Das Gute daran: Die deutsche Demokratie ist auch in Zeiten der Krise stabil bis an die Grenze der Langeweile. Das Schlechte: Neue Ideen grundsätzlicher Art zur Lösung ebenso grundsätzlicher Probleme scheint es nicht zu geben.

In einem Punkt freilich eröffnete sich just am vergangenen Wochenende ein neuer Blick auf die zurückliegenden 60 Jahre. Die Nachricht, daß die Stasi an einem entscheidenden Punkt der sogenannten Studentenrevolte, bei den tödlichen Schüssen auf Benno Ohnesorg am 2. Juni 1968, ihre Finger im Spiel hatte, ist eine Sensation. Vieles muß nach dieser Enthüllung neu bedacht und neu bewertet werden, und klar ist jetzt schon: Auch in den Jahrzehnten der Teilung hat die deutsche Geschichte nie aufgehört, eine einzige, eben gesamtdeutsche zu sein.

Es war ja schon bekannt, daß im April 1972 ohne Eingreifen der Stasi mit hoher Wahrscheinlichkeit der CDU-Politiker Rainer Barzel, ein gebürtiger Ostpreuße, Bundeskanzler geworden wäre. Aber in wie vielen weiteren, gravierenden Punkten war die Bundesrepublik weniger frei und selbstbestimmt als man bisher dachte, weil anderswo die Strippen gezogen wurden? Was davon wirkt bis heute fort, sei es durch fortwirkende Loyalitäten und Erpreßbarkeiten, sei es durch die geschaffenen Fakten? Die unsäglichen Aktivitäten der Stasi im Gebiet der alten Bundesrepublik müssen endlich voll aufgeklärt werden. Erst dann wissen wir auch, wie tief die Zäsur des Jahres 1945 wirklich war. Konrad Badenheuer


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