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30.05.09 / Russki-Deutsch (19): Papirossy

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Russki-Deutsch (19):
Papirossy
von Wolf Oschlies

Ende 2006 schlugen britische Zöllner in Warschau Alarm: Die Hälfte aller in England illegal verkauften Zigaretten wurde aus Polen eingeschmuggelt. Der polnische Zoll zuckte die Achseln: „Polacy pala polskie papierosy“ – Polen rauchen polnische Zigaretten. Sprachlich ist das falsch, denn „papirossy“ sind immer russisch!

Die Zigarette kam um 1850 in Westeuropa auf, 1862 eröffnete in Dresden die „Cigarettenfabrik Yenidze“, und aus deutschen Landen kam die Zigarette nach Rußland. Sprachlich behielt sie ihren deutschen Charakter, denn vom deutschen „Papier“ leitete sich der Gattungsname „papirosy“ (Plural) ab. Allerdings sahen russische „papirossy“ anders als deutsche Zigaretten aus: Sie hatten eine bis vier Zentimeter lange „gilsna“ (Hülse), um russische Bärte vor Anbrennen zu schützen (wie Spötter behaupten). Der eigentliche Tabakteil war nur zwei Zentimeter lang, und die „papirosa“ im Mundwinkel kennzeichnete den echten Russen.

Nach Meinung von Russen und Touristen sind „Papirossy schlimmer als Asbest“. So übel waren  sie nicht, denn das zweifach gekniffte „mundschtuk“ kühlte den Rauch und verbesserte den Geschmack. Im heutigen Rußland findet man sie vor allem dort, wo die Armee dominiert, beispielsweise im Königsberger Gebiet. Dort qualmen noch die einst bekannten Sorten „Belomorkanal“ und „Herzegowina Flor“, letztere die Lieblingsmarke Stalins, der seine berühmte Pfeife nur in der Öffentlichkeit rauchte. Der deutsche Schriftsteller Emil Ludwig hat ihn im Dezember 1931 darauf angesprochen: „Sie rauchen eine Zigarette. Wo ist Ihre legendäre Pfeife?“ „Ich habe die Pfeife zu Hause liegengelassen.“

1975 waren die Hamburger Hauni-Werke, weltgrößter Hersteller von Zigarettenmaschinen, mit den Russen ins Geschäft gekommen dank einer elektronisch gesteuerten Anlage, die „pro Minute 3000 Papirossy produziert, zehnmal soviel, wie die jetzt in der russischen Produktion eingesetzten Aggregate“ (wie es damals in den Medien hieß). Moderne Russen rauchen kaum noch „Papirossy“, nennen aber alle Zigaretten so. Wie es die Polen seit je halten, die schon Karten haben, wo man in Berlin „tyton & papierosy“ kaufen kann, Tabak und Zigaretten.


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