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30.05.09 / Große Namen in der Krise / Opel-Rettung nicht um jeden Preis - Zukunftsaussichten zwingen Autoindustrie zu Anpassungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Große Namen in der Krise
Opel-Rettung nicht um jeden Preis - Zukunftsaussichten zwingen Autoindustrie zu Anpassungen

Um Überkapazitäten zu vermeiden, müssen Auto-Hersteller auf die demographische Entwicklung und Veränderungen im Statusdenken reagieren.

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg fürchtet offensichtlich, ihm könnten die ordnungspolitischen Felle wegschwimmen. Für Wahlkampfzeiten überraschend schnell und eindeutig wies der CSU-Politiker den Ruf des notleidenden Arcandor-Konzerns nach staatlicher Unterstützung zurück. Der Hilferuf von Arcandor bestätigte die Befürchtung, daß die Beihilfen für die Auto-Industrie nur den Beginn einer Welle von Rufen nach politischen Eingriffen in die Wirtschaft markieren könnten.
Vor diesem Hintergrund wird in Berlin auch die Zurückweisung aller drei Angebote für Opel gesehen. Weder Fiat noch Magna oder der Finanzinvestor Ripplewood vermochten die Bundesregierung zu überzeugen, denn aus Sicht Berlins haben alle eines gemeinsam: Ihre Konzepte bauen auf milliardenschweren Staatsbürgschaften, die ein enormes Risiko für die Steuerzahler mit sich brächten.

Angesichts der globalen Lage auf dem Automarkt prophezeien Skeptiker sogar den sicheren Verlust der Staatsgarantien. Sie argumentieren mit düsteren Zahlen: Danach haben alle Autobauer der Welt derzeit eine Produktionskapazität von 90 Millionen Wagen pro Jahr. 2009 aber würden voraussichtlich nur halb soviele Autos verkauft – ein fatales Überangebot.

Und alles deutet darauf hin, daß auch bei deutlich verbesserter Wirtschaftslage die Nachfrage nicht mehr annähernd an die Produktionskapazitäten herankommen wird, daß die Überkapazitäten also gewaltig bleiben werden. Dafür spricht schon ein Blick in die jüngste Vergangenheit: Selbst in den Zeiten bester Konsumlaune vor drei oder vier Jahren mußten sich die US-Hersteller mit ruinösen Rabatt-Angeboten unterbieten, um ihre Fahrzeuge loszuwerden. Auch das ist ein Grund dafür, daß Chrysler und GM schon am Beginn der derzeitigen Krise praktisch bankrott waren – normalerweise treten die Schwierigkeiten erst auf, wenn die Konjunktur schon eine ganze Weile schlecht läuft. Heute gibt es in den USA, dem mit Abstand größten Automarkt der Welt, mehr Automobile als Führerscheine.

Die existenziellen Probleme, denen sich die Autobauer in Europa, den USA oder Japan in der weiteren Zukunft gegenübersehen, rühren indes nicht allein aus den Überkapazitäten. Hinzu kommen psychologische und demographische Veränderungen in der Gesellschaft. Psychologisch gesehen hat das Auto nach Meinung von Trendforschern in weiten Teilen der wohlhabenden Industriegesellschaften seinen Rang als Prestigeobjekt eingebüßt. Keines zu besitzen, gilt nicht mehr als Ausweis für mangelnde finanzielle Möglichkeiten. Praktische oder gar ökologische Begründungen für Autolosigkeit werden heute geachtet, Autobesitz andererseits verschafft kaum noch Ansehensgewinn. Dazu kommen vor allem in Deutschland demographische Entwick-lungen: Es gibt weniger Fahranfänger wegen der schwächeren Jahrgänge. Hinzu kommt, daß es die Menschen im Unterschied zu den Jahrzehnten bis in die 1980er Jahre wieder in die Stadtzentren zieht statt an den grünen Rand. In den Kernen der Ballungsräume ist die Verkehrsdichte hoch, das Parkplatzangebot begrenzt und das öffentliche Verkehrsnetz gut ausgebaut, alles Argumente gegen einen Autokauf aus rein praktischen Gründen.

Schlußendlich steht nach den Japanern und Koreanern der nächste Angriff asiatischer Anbieter bevor, diesmal aus China und Indien. Marktbeobachter werten die ersten, wenig beeindruckenden Gehversuche der beiden auf dem europäischen Markt als wenig aussagekräftig. Sie würden es wieder und wieder versuchen, mit Billigstprodukten die westliche Konkurrenz zu bedrängen.

Hier indes könnte sich für deutsche Hersteller eine Eigenschaft als günstig herausstellen, der derzeit als ihr größtes Manko gehandelt wird: Ihre Fixierung auf den sogenannten   Premiummarkt der Ober- und Mittelklassewagen.

Mag dies ökologisch ein Nachteil sein und gerade in Zeiten schwächelnder Konjunktur zu harten Einschnitten führen. Auf den rasant wachsenden Märkten der aufstrebenden Schwellenländer, China und Indien voran, spielt das Auto als Prestigeobjekt noch eine wichtige Rolle. Der zu Wohlstand gekommene Inder oder Chinese aber dürfte die deutsche Limousine von der traditionsreichen Marke mit dem klangvollen Namen noch auf lange Sicht dem einheimischen Produkt (oder gar: Plagiat) vorziehen. Anders bei Kleinwagen: Hier zählen praktische Erwägungen weit mehr, weshalb europäische Anbieter solcher Autos die asiatische Billigwelle mit voller Wucht zu spüren bekommen werden.
Aber zu schmerzhaften Anpassungen wird es auch in Deutschland kommen, ein teuer subventionierter Aufschub der Entwicklung hinterläßt statt Lösungen nur Schulden. Wie sehr trifft dies den deutschen Arbeitsmarkt? Der Verband der Automobilindustrie (VDA) spricht gern von „jedem siebten Arbeitsplatz“, der in Deutschland „am Automobil“ hänge. Verstanden wird das meist so, als sei jeder siebte Arbeitsplatz davon abhängig, daß in Deutschland Autos produziert werden.

Doch so verstanden ist die Zahl schlicht falsch, denn hier werden auch Händler, Straßenbauer und alle anderen mitgezählt, deren Anstellung irgendwie mit Autos zu tun hat. Die aber verlören ihren Job natürlich nicht automatisch, selbst wenn hierzulande kein einziger Wagen mehr vom Band rollte. Wirklich mit der Autobranche verzahnt ist „nur“ jede 21. Stelle in Deutschland, wie die Zeitschrift „Capital“ errechnet hat. Das wären trotzdem noch 1,76 Millionen Beschäftigte.             Hans Heckel

Foto: Kleine Sensation: Die ganze Nachbarschaft bewundert die neuen Kleinwagen Tata Nano aus indischer Eigenproduktion.


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