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30.05.09 / Diamanten verlieren Glanz und Schliff / Wirtschaftskrise stoppt Förderung, Produktion und Verkauf - Minenstädte werden zu Geisterstädten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Diamanten verlieren Glanz und Schliff
Wirtschaftskrise stoppt Förderung, Produktion und Verkauf - Minenstädte werden zu Geisterstädten

Galten Diamanten in den 80er Jahren weltweit noch als eine der wertbeständigsten Geldanlagen, so lehrt die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise das Gegenteil. Während etwa Gold angesichts des Finanzdebakels mit Wertpapieren in der Gunst der Anleger immer höhere Wertzuwächse erzielte, sackten die Preise für Rohdiamanten bis Mai um 30 bis 60 Prozent ab. Kurzarbeit, Stellenabbau, Entlassungen, Minenschließungen in aller Welt sind die Folge eines zusätzlich stagnierenden Absatzes in den Förderländern von Indonesien und Rußland über Afrika bis Kanada.

Bei den 1800 Juwelieren in der Welthandelszentrale für die glitzernden Steine im belgischen Antwerpen grassiert die Angst vor einem hochkarätigen Bankrott. Vor allem bei Industrie-Diamanten brachen die Exporte Belgiens bereits Ende 2008 um 35 Prozent ein. Die Ausfuhr in die USA sank schon im September um 13 Prozent, die Lage im ebenfalls wichtigen Italiengeschäft ist nicht viel besser, verkündete Phillip Claes, Leiter der Welt-Diamanten-Börse.

Immerhin wurden in Antwerpen in den vorher gegangenen Glanzzeiten rund 16,2 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt und zusammen mit Vermögensberatern auf einen weiterhin stürmisch wachsenden Markt hingearbeitet. Der gegenwärtige Preisverfall dürfte diese Anlageform in der Zukunft allerdings schwächen.

Die bekanntesten Schürfer De Beers (Südafrika) und Alrosa (Rußland) fuhren wegen des dramatischen Preisverfalls für Diamanten inzwischen ihre Produktion drastisch zurück.
De Beers fördert in Botswana, Südafrika und Namibia. Mehrere Gruben des Branchengiganten wurden geschlossen, eine neue Mine im Kongo gestoppt, die Förderung in Kanada gedrosselt. De Beers, einst führend in der Branche, mußte ohnehin in den letzten Jahren einen Rückgang seines weltweiten Marktanteils durch neue Wettbewerber außerhalb Afrikas von 80 auf 40 Prozent verkraften. Die ersten Verkaufsveranstaltungen, die sogenannten „Sights“, zu Beginn des Jahres brachten dem zu 45 Prozent zum britisch-südafrikanischen Konzern Anglo American gehörenden Unternehmen (weitere 40 Prozent im Besitz der südafrikanischen Familie Oppenheim) lediglich 220 Millionen US-Dollar gegenüber 1,3 Milliarden im Vorjahr ein. Wurden 2008 noch für sechs Milliarden Glitzersteine abgesetzt, so erwarten Analysten für 2009 nur noch einen Umsatz von 3,5 Milliarden – ein mächtiger Aderlaß für den wegen seines Kanada-Engagements mit 3,6 Milliarden Dollar hoch verschuldeten Konzern.

Die Aussichten der glitzernden Branche für 2010 beurteilen Marktexperten nicht besser. Der israelische Diamantenveteran Chaim Even-Zohar sieht eine Erholung erst mit dem Weih-nachtsgeschäft 2010 kommen. Lediglich geschliffene Steine finden noch – wenn auch schleppend und mit Preisverfall – Absatz, denn auch die Frauenwelt der High-Society spart. In Hollywood etwa purzeln die Gagen selbst der großen Filmstars. Die rückläufigen Bonuszahlungen in der Finanzindustrie werden ebenfalls für den Einbruch bei den edlen Steinen verantwortlich gemacht. Besonders deutlich spürte das die amerikanische Kette Tiffany: Sie erlitt im letzten Weih-nachtsgeschäft einen Einbruch um 35 Prozent. Der Chefökonom der Rapaport-Gruppe, Yariv Segev, spricht sogar von „katastrophalen Verkaufszahlen“.

Chaim Even-Zohar sieht in dem weltweiten Vertrauensschwund in Bankeinlagen allerdings einen Hoffnungsschimmer für den Edelsteinabsatz, obwohl Experten vor der Problematik dieser Anlage warnen: Diamanten sind zwar leicht zu erwerben, aber nur schwer zu verkaufen, meinen sie.

Die größten Vorkommen des edlen Steins befinden sich in Rußland, Afrika, in Australien und Kanada. Die Weltproduktion an Naturdiamanten (etwa durch de Beers oder Rio Tinto) liegt normalerweise bei 20 Tonnen pro Jahr. Dazu kommen synthetisch erzeugte Diamanten für den Industriebedarf, der bereits in den Zeiten guter Konjunktur 80 Prozent des Marktes abdeckten. Künstliche Steine wurden erstmals 1953 durch den schwedischen Physiker Erik Lundblad erzeugt.

Nur ein Viertel aller Natursteine ist qualitativ als Schmuckstein geeignet. Der Rest geht als „Bort“ an die Industrie, etwa zur Herstellung von Schneidwerkzeugen und Schleifmitteln.
Bei kleinen Steinen bis 1,2 Karat hält die Nachfrage noch an, bei Drei- bis Fünfkarätern, so berichtet Juwelier Horst Knop in Namibia, hingegen herrscht totale Flaute. Knop: „Trotz bis zu 60 Prozent Rabatt seitens des Großhandels, niemand will sie haben.“

Gerade Namibia, das zwei Millionen Karat je Jahr zu Lande und mit Spezialschiffen zur See fördert und damit elf Prozent zum Bruttosozialprodukt beiträgt, sieht sein Rückgrat in ernsthaften Schwierigkeiten, die Diamantenverkäufe tendieren gegen Null. Das trifft natürlich auch die verarbeitende Industrie. In 35 Jahren Berufsdasein hat beispielsweise Mark Nevesteen, Manager der Diamantschleiferei Hardstone Processing, „so etwas“ noch nie erlebt. Der namibische Konzern Namdeb hat 1500 von 3100 Arbeitern entlassen, doch nur noch 320 arbeiten regulär. „Wir sitzen auf großen Vorräten, da macht eine weitere Förderung keinen Sinn.“

Die weltweiten Lagerbestände werden auf gut 50 Milliarden Dollar geschätzt. Und die muß der angeschlagene Markt erst einmal wieder aufnehmen, bevor die Förderbänder erneut anlaufen können. Minenstädte wie Oranjemund in Namibia, so weiß die Ladenkette Spar, sinken deswegen bereits auf das Niveau von Geisterstädten ab, Restaurants schließen, Häuser stehen leer. An den Börsen sinken die Kurse für Diamant-Minenaktien stärker als die anderer Rohstoffkonzerne.
„Diamanten sind für die Ewigkeit“, tönt eine alte James-Bond-Titelmelodie von Shirley Bassey. Das kann gegenwärtig nur jene Händler und Konzerne trösten, die das derzeitige Desaster überstehen und sich dann den Markt der Zukunft teilen. Joachim Feyerabend


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