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30.05.09 / Die Bodenhaftung nie verloren / Zum 200. Todestag des Komponisten Joseph Haydn – Seine Musik ging um die Welt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Die Bodenhaftung nie verloren
Zum 200. Todestag des Komponisten Joseph Haydn – Seine Musik ging um die Welt

Er zählt zu den bekanntesten Komponisten deutscher Sprache: Joseph Haydn. Vor 200 Jahren starb er nach einem erfüllten Leben in Wien.

Jeder kennt sie, nur wenige aber wissen, daß die Melodie unserer Nationalhymne vor über 200 Jahren von einem Österreicher für ein gekröntes Haupt komponiert wurde. Von seiner zweiten Englandreise 1794/95 zurück in Wien und vielleicht noch das englische „God save the Queen“ im Ohr, komponierte Haydn für das Oberhaupt des Heiligen Römischen Reichs die Kaiserhymne „Gott erhalte Franz, den Kaiser, unsern guten Kaiser Franz“.
Zum Geburtstag von Franz II. wird die neue Hymne am 12. Februar 1797 in allen Wiener Theatern gesungen, im Burgtheater in Gegenwart des Kaisers selbst. Dieser zeigt sich zufrieden mit der Komposition und schenkt Haydn dafür eine Dose mit seinem Bild. Bis 1920 und von 1929 bis 1946 ist sie in verschiedenen Fassungen die Nationalhymne Österreichs.

Am 26. August 1841 dichtet August Heinrich Hoffmann von Fallersleben in der Insel-Einsamkeit von Helgoland zu Haydns Melodie das Deutschlandlied. Schon gut fünf Wochen später, am 5. Oktober, ist „Deutschland, Deutschland über alles“ in Sängers Munde und in Hamburg erstmals öffentlich zu hören.
1922 wird das Hoffmann-Haydnsche Lied zur deutschen Nationalhymne erkoren, im Dritten Reich wird nur die erste Strophe gesungen, die um das nationalsozialistische Horst-Wessel-Lied erweitert wurde. 1952 wird das „Lied der Deutschen“ mit Hervorhebung der dritten Strophe „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“ Nationalhymne. Übrigens, schon Haydn selbst hatte die Melodie „zweitverwertet“, im zweiten Satz seines Kaiserquartetts.

Daß Haydn ein großer Musiker werden sollte, ließen die dörflich-einfachen Verhältnisse, aus denen er stammte, nicht erwarten. Als er am 31. März 1732 als zweites von zwölf Kindern in Rohrau an der Grenze zum Burgenland das Licht der Welt erblickte, mühten sich sein Vater als Wagenbauer und seine Mutter in der Schloßküche der Grafen Harrach redlich um den Lebensunterhalt der wachsenden Familie. Doch der liebe Gott hatte dem kleinen Joseph eine besondere Gabe mit in die Wiege gelegt: eine schöne Stimme. Die Eltern erkannten deren Chance, ließen sie von Verwandten im nahen Hainburg an der Donau ausbilden und hatten Erfolg.

Auf der Suche nach jungen Talenten entdeckte der musikalische Direktor des Stephansdoms den Knaben, nahm ihn mit nach Wien und beschäftigte ihn dort die nächsten neun Jahre als Chorsänger – bis dieser mit 17 Jahren die hohen Stimmen nicht mehr singen konnte.

Was folgte, waren zehn Jahre des Suchens und Findens: verschiedenste Tätigkeiten, Weiterbildung, frühe Kompositionen. 1757 hatte Haydn es geschafft. Er erhielt seine erste wichtige Stelle als Direktor eines kleinen Orchesters bei Graf Karl von Morzin auf Schloß Lukawetz (Lukavec) bei Pilsen.

Als dieser in finanzielle Schwierigkeiten geriet, waren es keine Geringeren als die Esterházys, einer der reichsten und verschwenderischsten Fürstenhöfe der österreich-ungarischen Monarchie, die ihn 1761 bis zu seinem Lebensende „übernahmen“ und für damalige Verhältnisse großzügig entlohnten, selbst als Pensionär.
Der Hofmusiker folgte den Esterházys zu ihren Residenzen und Palais, von Wien ins Burgenland, nach Eisenstadt und Esterháza, Ungarns prachtvollstes Barockschloß, und nach Ödenburg (Sopron). Die Abgeschiedenheit der Provinz beflügelte Haydns Schaffen, wie er selbst bekannte: „Ich war von der Welt abgesondert, niemand in meiner Nähe konnte mich an mir selbst irremachen und quälen, und so mußte ich original werden.“

Das Leben in der Provinz förderte auch seine Produktivität. Haydn schuf mehr als 1200 Werke, darunter 107 Sinfonien, 83 Streichquartette, 24 Opern, 14 Messen, sechs Oratorien sowie Solokonzerte, Kammermusik, Klaviermusik, Motetten, Lieder und Kantaten. Kein anderer Komponist hat ein ähnlich buntes und umfangreiches Oeuvre hinterlassen. Vollständig erfaßt hat es der niederländische Musikwissenschaftler Anthony van Hoboken (1887–1983), nachzulesen im Hoboken-Verzeichnis.
Haydns sagenhafte Karriere wurde 1791 noch dadurch gekrönt, daß die Universität von Oxford den Musiker zum Ehrendoktor ernannte. Die Bodenhaftung verlor Haydn jedoch nie. Glaubt man seinen Zeitgenossen, muß er sogar der sympathischste Komponist aller Zeiten gewesen sein: von geradlinigem Charakter, fleißig, umgänglich und stets zu Scherzen aufgelegt – wie sie so oft auch in seiner Musik zu erkennen sind.

Er liebte gutes Essen und Trinken, das Angeln und die Jagd – und seine Mitmenschen. Selbst bei seinen Künstlerkollegen war er so beliebt, daß Mozart, Beethoven und viele andere ihn „Papa Haydn“ nannten.

Der Esterházysche Kapellmeister machte seine Arbeit ohne Fehl und Tadel. Skandale wie etwa Mozart hinterließ er der Nachwelt nicht. Auch wenn seine 1760 geschlossene Ehe zum Desaster geriet, er seine Frau in einem Brief abschätzig „questa bestia infernale“ nannte, er jahrelang Affären hatte – die er allerdings mit äußerster Diskretion behandelte.
Mit dem Ableben von Fürst Nikolaus I. im September 1790 wurde Haydn in Dankbarkeit entlassen. Sohn Anton bevorzugte die Konsolidierung der Finanzen. Haydn stand die Welt offen. Er ließ sich 1791 zu einer Englandreise überreden und hatte so großen Erfolg, daß er 1794 London ein zweites Mal besuchte und sogar kurzzeitig damit liebäugelte, ganz auf der Insel zu bleiben.

Zurück in Wien ging Haydn mit Feuereifer weiter ans Werk. Als er im April 1798 sein Oratorium „Die Schöpfung“ im Palais Schwarzenberg erstmals dirigierte, war der Andrang überwältigend. Während sich drinnen die Spitzen der habsburgischen Hocharistokratie auf goldenen Stühlen drängten, versammelten sich draußen Tausende, die keinen Einlaß fanden, auf dem Wiener Mehlmarkt.

Immerhin hatten zwölf der adligen Herren dem damals 66jährigen Komponisten ein Honorar von 500 Dukaten für sein neues Stück gezahlt, umgerechnet 50000 Euro. Und als am 24. Mai 1801 das Oratorium „Die Jahreszeiten“ in Wien uraufgeführt wurde, übernahm die Kaiserin höchstpersönlich die Sopranpartie.

Haydns Musik war ein einziger Siegeszug, der sich am 31. Mai 2009 wiederholen könnte. Dann soll Eisenstadt zum Epizentrum des „World Creation Day“ werden. Auf drei Kontinenten werden zeitversetzte Aufführungen des Oratoriums „Die Schöpfung“ stattfinden, von Seoul bis Toronto und Boston und in zwölf europäischen Städten. Aus dem Haydnsaal in Eisenstadt wird das Werk dazu auch per Radio rund um die Welt erklingen.

Der Tod ereilte Haydn in Wien am 31. Mai 1809 im stolzen Alter von 77 Jahren. Der „Vater der klassischen Sinfonie und des Streichquartetts“, als der er in die Musikgeschichte eingegangen ist, wurde auf dem Hundstumer Friedhof, heute Haydnpark, beigesetzt.

Eine Gedenktafel weist darauf hin, daß seine Gebeine am 6. November 1820 in die Eisenstädter Bergkirche überführt wurden. Zu Haydns 200. Geburtstag stiftete Paul V. Esterházy ihm dort sogar ein Mausoleum. Helga Schnehagen           

Foto: Joseph Haydn: Nach einem Porträt von Thomas Hardy (1791)


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