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30.05.09 / Opas Kahn in Loye / Was bleibt ist die Erinnerung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Opas Kahn in Loye
Was bleibt ist die Erinnerung

Mein Herz hängt sehr an dem idyllischen Fischerdorf Loye am Kurischen Haff in der Memelniederung im nördlichen Ostpreußen. Was ich bei den Großeltern in den Jahren 1931 bis 1940 erlebte, gehört zu den schönsten Kindheitserinnerungen.
Opas kleiner Handkahn hatte es mir angetan. Schon 1931, im vorschulischen Alter von sechs Jahren, durfte ich mit Opa auf das Haff hinaus segeln. Für eine Segelfahrt mußte der Kahn zuerst vorbereitet werden. Großvater holte den Mast mit dem Segel und Spriet, die Mastbank, das Holzschwert, das Stechruder und die Wasserschippe vom Hof, wo die Segelausrüstung in der Fahrenszeit, Frühjahr bis Herbst, unter dem überhängenden Stalldach aufbewahrt wurde. Meine herzensgute Oma half dabei und verstaute fürsorglich das Vesperbrot in der kleinen Kajüte hinten, der Deckel ließ sich abnehmen. Ich selbst beschäftigte mich mit dem dunkelgrün gestrichenen Kinderpaddel, denn schon von klein auf machte der verständnisvolle Opa seine Enkel mit Aufgaben der Erwachsenen vertraut.I

n eine Joppe warm eingehüllt, saß ich, vor Fahrtwind und Unbilden des Wetters geschützt, vorn im Steven des Kahns. Hart klatschten die Haffwellen gegen den Bug, und öfter ergoß sich die abprallende weiße Gischt, ohne mich groß zu berühren, seitwärts in die Bootsmitte, von Opa sofort über Bord geschippt. Sicher steuerte er den leichten Kahn mittels eines Stechruders (Paddel), bediente das Sprietsegel und beim Wenden das an der Mastbankmitte kettenbefestigte, zierliche Holzschwert, das statt eines Kieles an der Leebordwand tief ins Wasser gedrückt werden mußte. Angst verspürte ich nie, denn Opa war für mich der Inbegriff der Sicherheit. Mit ihm hätte ich bis ans Ende der Welt segeln können.

Einmal legte Opa weit draußen im Haff an einem Keitelkahn an und verhandelte mit der Besatzung wegen einer Mahlzeit frisch gefangener Fische. Wohl von den Fischern unerwartet, rief ich mit hoher aber fester Stimme: „Opa, soll ich den Korb bringen?“ Worauf der in Ölzeug steckende und mit Südwester kopfbedeckte Fischer spontan lachte und zurückgab: „Ei, kick moal an, dat Jungche ist ock schon oppjedaut!“
Nach dem Einkauf segelten wir nach Hause, wo uns Oma am nächsten Tag den fein schmeckenden Fisch in pikanter heller Soße kochte und dazu Pellkartoffeln reichte.

Diese Aufzeichnungen aus meiner Kinderzeit zeigen, wie tief ich mit Oma und Opa aus Loye verbunden war. Beide sind im Zweiten Weltkrieg auf der Flucht 1945 im 78. Lebensjahr ums Leben gekommen.

Meine Geschwister und ich werden unsere Großeltern Ida und Gustav Prange stets in guter, dankbarer Erinnerung behalten, gleichfalls die Menschen und die Schule im lieblichen Fischerdorf am Loyefluß, die Kähne, das Haff und die Elche.             Helmut Prange


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