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30.05.09 / Zu viel Verblödung / Autor kritisiert Gesellschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Zu viel Verblödung
Autor kritisiert Gesellschaft

Thomas Wieczoreks Schmöker läßt sich in einem Satz zusammenfassen: „Blöd sind immer nur die anderen.“ Der Autor ist Verfasser von Büchern mit solchen eingängigen Titeln wie „Die Stümper – Über die Unfähigkeit unserer Politiker“, „Schwarzbuch Beamte – Wie der Behördenapparat unser Land ruiniert“ sowie „Die Dax-Ritter – Wie Manager unser Land ruinieren“. In seinem jüngsten Werk klärt uns der 1953 geborene Journalist, der unter anderem für Reuters, die „Frankfurter Rundschau“, den Deutschlandfunk und das Satiremagazin „Eulenspiegel“ geschrieben hat, darüber auf, wer in dieser Republik seiner Meinung nach verblödet ist: Im großen und ganzen sind es die Bürger. Und wer ist schuld daran? Die Medien, die Wirtschaft und die Politik.

Es hat etwas Beruhigendes, wenn man für die eigene Dummheit nicht selbst verantwortlich ist, weil man beispielsweise Bohlen Benn vorzieht. Auch die Lehrer dürfen aufatmen: Endlich stehen sie mal nicht am Pranger. Ganz böse Dunkelmänner und -frauen sind die Herren und Damen, die hinter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) stecken. So wie Poldi dem Ballack im Länderspiel gegen Wales eine Backpfeife verpaßt hat, haut auch Wieczorek den sogenannten Experten von der INSM eine runter. Sie sind nämlich Neoliberale. (Das liest sich bei einigen Antikapitalisten fast so schlimm wie Kinderschänder.)

Es streift die Grenze zum Absurden, wenn der Autor selbst den Kirchen vorwirft, sie deckten „die neoliberale Entsozialisierung und Umverteilung als ‚notwendige Reformen‘ moralisch“ ab. Selbstverständlich trifft Wieczorek auch mal ins Schwarze. Zum Beispiel dann, wenn er andere zitiert. So stellte der Politologe Franz Walter über die SPD nach dem Abgang von Schröder, Schily und Clement fest: „Und all die vielen smarten Neusozialdemokraten, die sich 2004 schneidend sarkastisch selbst über die alte Identitätsformel von der ‚sozialen Gerechtigkeit‘ mokieren konnten, singen jetzt wieder, ohne rot zu werden, die alten Lieder von der Solidarität und der ‚Schutzmacht der kleinen Leute‘“. Diese machtmotivierte Beliebigkeit findet sich bei allen Parteien und zeigt, wie Politiker ihr Wahlvolk für dumm verkaufen wollen.

Wieczoreks Buch krankt daran, daß es die These von der allgegenwärtigen Verblödung überstrapaziert. Es gibt keinen politisch mündigen Bürger, es gibt keinen Sozialstaat und keinen Rechtsstaat, die Marktwirtschaft ist böse, die neoliberale Ideologie verlogen, die Medien sind seicht und oberflächlich, die „Bild“-Zeitung ist ganz schlimm und so weiter. Dieses Lamento ermüdet auf Dauer. Der Leser hat das Gefühl, daß der Autor sich irgendwann eine eingängige Grundthese zurechtgelegt hat, die er dann mit allerhand Beispielen auf 300 Seiten auswalzt.

Dabei ist der Ansatz ja gar nicht verkehrt. In der Tat gibt es kaum noch Überzeugungen in der Politik. Die Programme der Parteien basieren häufig darauf, die Leute an die Wahlurne und dann hinters Licht zu führen. Oder die Obama-Hysterie. Während unsere gleichgeschalteten Medien den neuen Präsidenten der USA nun wie einen Messias feiern und jegliche Distanz vermissen lassen, so übertrafen sie sich zuvor in der Verdammung George W. Bushs. Der „Kampf gegen rechts“ in all seiner wohlfeilen Verlogenheit böte weiteres Anschauungsmaterial. Wieczoreks Sammelsurium vermag indes nicht zu überzeugen – nicht zuletzt wegen seines staatsfixierten, alt-linken Weltbildes. Trotzdem liest man das Buch streckenweise mit Vergnügen, weil es nicht nur Ideologie, sondern auch Witz bereithält.             Ansgar Lange

Thomas Wieczorek: „Die verblödete Republik – Wie uns Medien, Wirtschaft und Politik für dumm verkaufen“, Knaur Verlag, München 2009, 319 Seiten, 8,95 Euro


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