29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
30.05.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-09 vom 30. Mai 2009

Verunsichert / Warum Gesine Schwan alles recht war, was für tolle Jahre uns entgangen sind, und wie die Linke das mit dem Kurras wieder hinbekommt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Hinter der Befriedigung  Horst Köhlers und seiner Anhänger, die Wahl im ersten Durchgang schon gewonnen zu haben, haben wir die Erleichterung der anderen Fraktionen kaum wahrgenommen. Die waren nämlich gar nicht enttäuscht, sondern vielmehr ebenfalls von einem Albdruck befreit.
Etwa die Vertreter der Linken: Wären sie nicht die Linken, hätten sie sich am liebsten bekreuzigt, daß sie nun nicht mehr jede Woche fürchten müssen, daß ihnen ihr Kandidat irgendein Ei legt. Peter Peinlich Sodann war als „Publikumsliebling“ ins Rennen ums höchste Amt geschickt worden. Was er ablieferte, war indes kommunistischer Proletengram der niedrigsten Sorte, ziemlich unangenehm für Gysi und Co.

Am lautesten atmeten SPD und Grüne auf, deren Kandidatin Gesine Schwan am Schluß auch immer unkalkulierbarer wurde. Ihr Geschwätz über „Unruhen“ bekam man mit Hilfe freundlich gesinnter Medienmacher ja noch irgendwie weg. Doch dann kam die Chose mit der DDR: Die könne man nicht als Unrechtsstaat bezeichnen, weil ja beispielsweise das Verkehrsrecht kein Unrecht gewesen sei.

Man hörte förmlich, wie sich die letzten Nationalsozialisten auf die Schenkel geklopft haben nach dieser Schwanerei. Die Straßenverkehrsordnung hatte schließlich auch in ihrer Herrschaftszeit gegolten. War der NS-Staat dann also ebenfalls kein Unrechtsstaat?

Einen ähnlichen Trick wie Frau Schwan wendeten schon die DDR-Propagandisten an, wenn es um das tödliche Grenzregime der roten Republik ging: Jedes Land dürfe doch seine Grenze schützen, oder? Also auch die DDR! Der Unterschied zwischen Hausrecht (niemanden hineinlassen müssen) und Freiheitsberaubung (jemanden gegen seinen Willen festhalten) wurde so virtuos vom Tisch gewischt und kaum einer hat’s bemerkt.

Immerhin räumte Frau Schwan ein, daß die DDR-Justiz „ein Instrument der SED“ gewesen sei. Dies habe „die Menschen verunsichert“. Verunsichert, so so. „Verunsichert“ bin ich, wenn ich mich am Buffet nicht zwischen Fisch und Vogel entscheiden kann. Wenn mir die politische Justiz einer totalitären Diktatur ihre Instrumente zeigt, hätte ich vermutlich intensivere Gefühle.

Wir ahnen, was uns entgangen ist. Als Bundespräsidentin wäre Gesine Schwan die hohe Aufgabe zugefallen, alle Bundesgesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Das wären tolle Jahre geworden bei dem Rechtsverständnis. Daß es beinahe soweit gekommen ist, „verunsichert“ mich noch nachträglich.
Was mal wieder typisch ist für so ein bürgerliches Weichei. Links ist man weitaus stabiler. Jetzt blicken alle von rechts der Mitte gespannt hinüber ins andere Lager, wie die das wohl schlucken mit dem Ohnesorg und dem Kurras. Ja wie wohl? So wie üblich: Gar nicht.

Im Moment mögen die Dinge durch diese unerfreuliche Enthüllung ein wenig verwurschtelt aussehen. Man muß aber nur abwarten, dann kehrt die politisch richtige Einordnung schon zurück, gänzlich unbeschmutzt von lästigen Tatsachen. Oskar Lafontaine reagierte mit einem Achselzucken darauf, daß Kurras, diese „Fratze des faschistischen BRD-Regimes“, in Wahrheit ein Genosse war.

Die Linke hat Übung im Überstehen solcher Zwischenfälle und Enthüllungen, sie ändern ihr Urteil grundsätzlich nicht: Den unglücklichen Heinrich Lübke entlarvte die Linke als KZ-Baumeister. Der Stempel blieb, auch als herauskam, daß die „Beweise“ von der Stasi gefälscht waren. Brandts Bestätigung im Bundestag war von der Stasi gekauft. Dennoch ist der Tag im Jahre 1972 bis heute eine gefeierte „Sternstunde der Demokratie“, in welcher die fortschrittlichen Kräfte des Lichts gegen die ewiggestrige Dunkelheit gesiegt hatten. Und war die Friedensbewegung nicht ein strahlendes Beispiel für bürgerschaftliches Engagement gegen einen repressiven Staat unter der Fuchtel der Rüstungslobby? So steht sie noch immer da, selbst nachdem längst öffentlich ist, daß Stasi-Agenten dort nicht nur überall mitredeten, sondern auch das große Wort führten. Finanziell ließ sich die DDR-Regierung ebenfalls nicht lumpen bei der Fütterung der Friedensfreunde hinter dem Antifaschistischen Schutzwall.

Der Sohn von SDS-Vorreiter Rudi Dutschke hat unterdessen erzählt, sein Vater habe gemeint, auch der Schütze, der ihn 1968 schwer verletzt hatte, sei von der Stasi gewesen. Dutschke starb 1979 an den Spätfolgen, das Attentat auf ihn hatte die Osterkrawalle 1968 ausgelöst. Sollte sich Dutschkes Verdacht als richtig herausstellen, fragt man sich, was wohl noch kommt?

Übrigens, Chef der DDR-Auslandsspione war schon in den 60ern der allseits bekannte und später überaus medienpopuläre Markus Wolf. Bis er 2006 verstarb, hatte „Mischa“, wie sie ihn liebevoll nannten, noch Zeit, ein Kochbuch zu schreiben und im Fernsehen als weltgewandter Gourmet aufzutreten. Ansonsten gab er allerhand entspannte Interviews oder nahm an lockeren TV-Runden teil. Im Zwang, sich für irgendetwas zu rechtfertigen, sah er sich nie. Und selbstredend war auch kein Journalist (den er huldvollst vorließ) so taktlos, den guten Chefspion zu irgendwelchen Rechtfertigungen oder gar Reuebekundungen zu drängen.

So schied Wolf ganz unbehelligt aus dem Leben wie irgendein Promi, der früher mal einen recht interessanten Job ausgefüllt hatte. Auch so kann Vergangenheit bewältigt werden.
Ja, die goldene Vergangenheit: Sehen Sie auch manchmal die Wiederholungen von „Ein Herz und eine Seele“ aus den frühen 70ern im Fernsehen? Mit „Ekel-Alfred“ Tetzlaff als Inbegriff des tumben Unionswählers und seinem von Dieter Krebs gespielten fortschrittlichen SPD-Schwiegersohn als dessen aufgeklärtes Gegenstück? Die Serie hat mit den Jahrzehnten eine komische Note dazubekommen, welche die Macher ganz bestimmt nicht beabsichtigt hatten: Der unsympathische Giftpilz Tetzlaff hatte in seinen platten Urteilen über die Linke („Das ist doch wieder alles vom Osten gesteuert!“) erstaunlich oft recht, wie wir heute wissen. So kann es kommen: Eine erfundene Witzfigur nimmt späte Rache an ihren eigenen Erfindern, führt ihre durchsichtigen politischen Absichten gnadenlos vor.

Rache macht nicht glücklich, tut aber manchmal gut: Jahrelang hatten uns Amis und Briten genervt mit unserer veralteten Wirtschaftsordnung, und hielten uns ihr Modell als leuchtende Zukunft vor die verschnupfte Nase. Dann, rums! In England fällt eigentlich alles auseinander, die Bankenwelt, die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt und nun auch noch das Parteiengebälk. Man möchte Mitleid mit ihnen haben, wären sie früher nicht so hämisch gewesen, als die noch boomten und wir in der zyklischen Konjunktur-Pfütze hockten. Jetzt bestrafen wir sie mit etwas viel Schlimmerem als Häme: Wir traktieren sie mit guten Ratschlägen.
Nicht nur die Briten: In New York hat eine deutsche Initiative ein großes Plakat im Stadtzentrum gehängt, auf dem für die „Soziale Marktwirtschaft“ geworben wird. Damit denen mal ein Licht aufgeht, den Idioten.

Die Kampagne verfängt indes nicht recht, wie man hört. Das hat dem Vernehmen nach zwei Gründe: Erstens wissen die Angelsachsen gar nicht, was „Social Market Economy“ überhaupt sein soll. Nirgends steht geschrieben, ab welcher Höhe der staatlichen Sozialleistungen eine Marktwirtschaft als „sozial“ zu gelten hat.
Der zweite Grund für das Mißtrauen der Amerikaner gegenüber der deutschen Nabelschau liegt darin, daß statistische Wirtschaftsdaten rund um die Erde frei zugänglich sind. So kam dummerweise heraus, daß Deutschland nach Island so ziemlich die miesesten Wachstumszahlen unter den wohlhabenden westlichen Industrienationen aufweist. Da könnten dem New Yorker, der die deutsche Eigenwerbung sieht, Zweifel kommen, ob das Modell aus Berlin wirklich soviel weiterhilft als seines.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren