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06.06.09 / Geschichte wird getilgt / Jetzt ist das Gröbenufer dran: Berliner Straßen werden reihenweise umbenannt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Geschichte wird getilgt
Jetzt ist das Gröbenufer dran: Berliner Straßen werden reihenweise umbenannt

Weil Linken ihr Name ideologisch verdächtig erscheint, verlieren zahllose Berliner Straßen ihre alten Bezeichnungen. Dahinter steckt eine dubiose „Geschichtswerkstatt“.

Am 27. Mai beschloß die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Kreuzberg-Friedrichshain mit den Stimmen der Grünen, der Postkommunisten und Teilen der SPD, das Gröbenufer aus dem Stadtbild zu tilgen und statt dessen nach May Ayim zu benennen, einer Aktivistin der Afrodeutschen, die sich 1996 im Alter von 36 Jahren aus dem Fenster eines Berliner Hochhauses stürzte.

Dies ist nicht die erste Straßenumbenennung im Sinne des 68er Zeitgeistes in der deutschen Hauptstadt – und es wird wohl auch nicht die letzte sein. Ein herausragendes Politikum war in den 80er Jahren die Umbenennung der Graf-Spee-Straße in Hiroshimastraße, zu einer Zeit, als die zuständige Bezirksverordnetenversammlung Tiergarten auch darüber debattierte, ob man den Bezirk zur „Atomwaffenfreien Zone“ erklären könnte.

Stichwortgeber dieser Umbenennungsinflation ist zumeist die „Geschichtswerkstatt“, an der Jürgen Karwelat, ein gut besoldeter leitender Beamter des Verbraucherschutzministeriums, Anteil hat. Als ihr Hauptanliegen bezeichnet die „Geschichtswerkstatt“ die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit. Dazu gehört neben der NS-Zeit auch der Kolonialismus. Karwelat, der sich selbst als Hobbyhistoriker sieht, schrieb 1988 in der „taz“: „In Berlin, wie nirgendwo sonst in Deutschland, finden sich bis heute im Straßenbild so viele Elemente ruhmloser deutscher Vergangenheit: Militarismus, Kolonialismus, Antisemitismus.“

Derweil hat die „Geschichtswerkstatt“ schon tiefe Spuren im Stadtbild hinterlassen. Prominente Beispiele waren die Reichssportfeldstraße und die Mackensenstraße. Die erstere hatte zwar keinen schlimmen Namen, aber einen schlimmen Namensgeber. Adolf Hitler weihte sie anläßlich der Olympischen Spiele 1936 ein. Dem Generalfeldmarschall August von Mackensen wurde vorgeworfen, daß er als seniler Greis einige Solidaritätsadressen an die NS-Staatsführung gerichtet hatte.

Karwelat treiben weitreichende Pläne. Über 100 Straßennamen will er noch „säubern“. Die Dimension erinnert Kritiker an den Umbenennungswahn totalitärer Regime, welche die Hauptstadt ertragen mußte. Bei ihnen dient die Umbenennung ganz im Orwellschen Sinne der Auslöschung der Erinnerung im Volk, um das so hergestellte Vakuum mit den ideologischen Mythen der „Bewegung“ füllen zu können. Das Fliegerviertel in Berlin-Tempelhof mit 14 „Fliegerhelden des Ersten Weltkriegs“, aber auch der Hindenburgdamm (schon in den 20er Jahren so benannt) sind im Fadenkreuz der Neubenenner, alles soll verschwinden. Dabei interessiert Hobbyhistoriker Karwelat im Falle Hindenburgs auch nicht, daß der linke Historiker Sebastian Haffner gerade diesen als letztes Bollwerk gegen Hitler beschrieben hatte.

Gesichert scheint zur Zeit nur die Weiterexistenz der Treitschkestraße. Der 1896 verstorbene Historiker gilt linken Scharfmachern als Wegbereiter des Nationalsozialismus. Die Zehlendorfer Bezirksversammlung wird seit der letzten Wahl von einer schwarz-grünen Zählgemeinschaft dominiert. Torsten Hippe, bekennender Konservativer und Fraktionschef der dortigen Christdemokraten, ließ in die „Koalitionsvereinbarung“ einen Umbenennungsverzicht festschreiben. Seither herrscht Ruhe.

Doch das Gröbenufer liegt im Nachbarbezirk. Otto Friedrich von der Gröben stand in den Diensten Brandenburg-Preußens, Polens und verschiedener anderer europäischer Mächte und errichtete im Auftrag des Großen Kurfürsten das Fort Groß Friedrichsburg im heutigen Ghana. Die Festungsüberreste existieren noch heute, wurden restauriert und zum Weltkulturerbe der Unesco erklärt. Nur von 1683 bis 1717 existierte diese preußische Kolonie, dann wurden die Preußen von den stärkeren Niederländern verdrängt, welche die Kolonie kauften. In den wenigen Jahren, in denen Großfriedrichsburg als Handelsplatz diente, wurden nach Angaben verschiedener Lexika 0,2 Prozent des afrikanischen Sklavenhandels von dort abgewickelt. Hauptakteur dieses einträglichen Geschäftes waren dabei die Briten und Niederländer, nicht die Preußen oder von der Gröben selbst. Doch das bloße Stichwort „Sklavenhandel“ reicht linken Ideologen aus, um eine Umbenennung zu verlangen.

Wo die Mehrheitsverhältnisse dies zulassen, müssen die Berliner nun mit weiteren Straßenumbenennungen rechnen. Das Problem: Da Umbenennungen bei den Bewohnern sehr unbeliebt sind − wer will schon vorhandene Visitenkarten und Briefpapier wegschmeißen und allen seinen Bekannten bis zu Versicherungen und Banken eine neue Adresse mitteilen? − machen bürgerliche Parteien einmal durchgesetzte Namensänderungen kaum je wieder rückgängig.        Hans Lody

Foto: Das Gröbenufer wird nun nach May Ayim benannt: Die Aktivistin der Afrodeutschen, Tochter einer Deutschen und eines Ghanaers, stürzte sich 1996 im Alter von 36 Jahren aus dem Fenster eines Hochhauses. Man hatte bei ihr Multiple Sklerose diagnostiziert.


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