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06.06.09 / Übersehene Schattenseiten / 85 Milliarden haben die Deutschen in offenen Immobilienfonds angelegt, gut ein Drittel da

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Übersehene Schattenseiten
85 Milliarden haben die Deutschen in offenen Immobilienfonds angelegt, gut ein Drittel davon liegt »fest«

In Zeiten der Krise suchen die Menschen nach sicheren Geldanlagen. Und da die Steuervorteile bietenden Immobilienfonds auch als sicher gelten, schließlich investieren sie in Substanzwerte, sind sie vor allem bei älteren und vorsichtigen Anlegern beliebt.

„Flexibel und renditestark investieren“, mit diesen Worten wirbt der offene Immobilienfonds Axa Immoselect auf seiner Internetseite. Daß der Axa-Immoselect derzeit seinen Kunden alles andere als Flexibilität bietet, ist nur indirekt zu erfahren. Denn gleich neben der Eigenwerbung weist der Axa-Fondsmanager Achim Gräfen darauf hin, daß die Anleger aus der „Aussetzung der Anteilscheinrücknahme“ nicht falsche Schlüsse ziehen sollten.

Die Formulierung „Aussetzung der Anteilscheinrücknahme“ besagt nichts anderes, als daß der an sich offene Fonds, bei dem ein Anleger jederzeit seine Anteile wieder verkaufen kann, derzeit geschlossen ist: Der Emittent nimmt derzeit die Anteile nicht zurück und der Kunde bekommt sein Geld nicht wieder. Axa-Immoselect ist nicht der einzige Anbieter, der heute so verfährt. Zehntausende deutsche Anleger mußten im September und Oktober letzten Jahres erfahren, daß offene Immobilienfons keineswegs immer „offen“ sind. Von den rund 85 Milliarden Euro in offenen Immobilienfonds in Deutschland sind derzeit fast 30 Milliarden nicht voll liquide. Im Rahmen der Finanzkrise hatten vor allem institutionelle Großanleger wie Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften Gelder aus den offenen Immobilienfonds abgezogen, um andere Lücken zu schließen. Dadurch entstanden Liquiditätsengpässe, denn da Immobilienfonds den größten Teil des bei ihnen angelegten Vermögens in Gebäuden investiert haben, ist nur wenig freies Vermögen vorhanden. Mal schnell ein Bürohochhaus in New York verkaufen oder ein Hotel in Bombay, weil in Deutschland ein Kunde seine 50000 Euro wiederhaben will, ist undenkbar, zumal derzeit  die Immobilienpreise fallen, so daß ein Verkauf meist ein Verlustgeschäft wäre. Aus demselben Grund funktioniert auch die an sich naheliegende Beleihung nicht wie üblich.

Ab Spätsommer wollen einige der namhaften Fonds wieder öffnen. Sie hoffen, daß der Markt sich bis dahin beruhigt hat, so daß die Bewirtschaftung der vermieteten Immobilien nicht gefährdet ist. Außerdem verkaufen Bankberater derzeit fleißig weiter offene Immobilienfonds, um Liquidität zu beschaffen. Denn auch die überall noch frei handelbaren offenen Fonds haben Finanz-Engpässe. Ankäufe neuer Immobilien sind selten, da Anleger fehlen, Banken ihre Kredite nur zögerlich vergeben und die weitere Entwicklung des Immobilien- und Mietermarktes durch die Krise ungewiß ist. Das führt auch dazu, daß die Rendite für die Anleger sinkt. Bei knapp drei Prozent liegt sie derzeit im Durchschnitt, das ist lausig, schließlich muß der Kunde bei Neukauf meist fünf Prozent Ausgabeaufschlag zahlen.

Daß die Renditeaussichten derzeit nicht mehr so rosig sind wie in den vergangenen Tagen, darauf weisen die Bankberater und auch die Immobilienfonds selber selten hin. Gerne wird die positive Rendite der letzten fünf Jahre im Verkaufsgespräch herausgestellt. Oder es werden Zeiträume angegeben, in denen die Entwicklung der letzten Monate oder gar des letzten Jahres den Schnitt noch nicht nach unten ziehen. Sätze wie „Auf Sicht von zwölf Monaten konnte das Fondsmanagement eine Wertentwicklung von 7,06 Prozent per 10. März 2008 erzielen“ klingen vielversprechend. Allerdings haben wir Juni 2009, dazwischen liegen 14 Monate Finanz- und Wirtschaftskrise.

Kunden der zwangsgeschlossenen Immobilienfonds müssen jedoch nicht verzweifeln: Die Fondsbörse in Hamburg nimmt ihnen ihre Anteile ab. Anfang des Jahres, als die Verunsicherung noch besonders groß war, mußten die Kunden bis zu zehn Prozent Abschlag in Kauf nehmen, inzwischen sind es nur noch drei bis vier Prozent. Dafür kommt man aber sofort an sein Geld.

Die Börse Hamburg hat aufgrund der aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich eine Steigerung von rund 600 Prozent zu verzeichnen, was noch ungewöhnlicher ist, wenn man bedenkt, daß das Wissen um die Existenz der Fondsbörse nicht weit verbreitet ist. Das würden die Banken auch gerne beibehalten, verdienen sie doch höchstens ein Prozent an diesem Geschäft. „Die Banken ärgern sich über uns“, so Kay Hofmann von der Fondsbörse. Unter www.fondsboerse.de können Kunden nachrechnen, was sie bei einem Verkauf ihrer Anteile erhalten. Dann muß nur noch eine Verkaufsorder an die Bank, in deren Depot die Anteile verwahrt werden, erteilt werden und der Kunde kommt an sein Geld.

Allerdings macht nicht jede Bank bei diesem Geschäft mit: „Wir bieten keinen börslichen Handel klassischer Fonds an“, heißt es von der Citibank.

Und auch die Immobilienfonds sehen die Aktivitäten der Fondsbörse nicht gerne, verschaffen diese ihr doch keine neue Liquidität, da nur vorhandene Anteile von einem Anleger zum anderen wechseln.            Rebecca Bellano

Foto: Rendite in Gefahr: In Metropolen wie London haben Immobilienfonds oft in Bürotürme investiert. Mit der Finanzkrise haben sie etliche Mieter verloren, die Bewertungen sind entsprechend gefallen.


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