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06.06.09 / Mit Preußen gegen die Flügelmächte / Klemens von Metternich versuchte mit Deutschlands zweiter Großmacht Zentraleuropa zu stabilisieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Mit Preußen gegen die Flügelmächte
Klemens von Metternich versuchte mit Deutschlands zweiter Großmacht Zentraleuropa zu stabilisieren

Am 11. Juni 1859 starb in Wien der legendäre Fürst Metternich, der bis zum Ausbruch der Revolution von 1848 österreichischer Staatskanzler war. Ab 1809 österreichischer Außenminister, ab 1821 auch Staatskanzler, hatte er seine Epoche so geprägt, daß man ihn den „Kutscher Europas“ nannte. Besonders interessant ist das Verhältnis dieses Politikers zu Preußen.

Damals galten neben Österreich fünf Staaten als „Großmächte“, die die Geschicke Europas bestimmten: Frankreich, Großbritannien, Rußland, und seit Friedrich dem Großen auch Preußen. Also war auch letzteres für den Staatskanzler eine unumgängliche Adresse. Wie stand Metternich zu Preußen?

Ähnlich den Briten war Metternich ein überzeugter Vertreter des „europäischen Gleichgewichts“, das zusammen mit dem sogenannten Konzert der Großmächte den Frieden sichern sollte. Metternich mußte deshalb, anders als die österreichischen Staatsmänner des 18. Jahrhunderts, ganz grundsätzlich auf ein kooperatives Verhältnis mit Preußen Wert legen. Dieses galt um so mehr, als Preußen als die schwächste der fünf Großmächte galt, und von daher von ihr die geringste Gefahr für das Gleichgewicht der Kräfte auszugehen schien. Metternichs Sorge hinsichtlich einer Gefährdung des Gleichgewichts galt eher den kontinentalen Flügelmächten Rußland und Frankreich, denen er einen mehr oder weniger latenten Drang in Europas Zentrum unterstellte. Bei der Abwehr dieses Druckes auf Zentraleuropa war die zweite deutsche Großmacht in Metternichs Augen Österreichs natürlicher Verbündeter. Wie hat sich das nun in seiner Tätigkeit ausgewirkt?

Während seiner Zeit als Gesandter in Berlin (1803–1805) betrachtete Metternich, der mit vollem namen Klemens Wenzel Nepomuk Lothar Fürst von Metternich-Winneburg zu Beilstein hieß, Preußen als unerläßlichen Bündnispartner. Mit ihm sowie nach Möglichkeit auch mit Rußland und Großbritannien wollte Österreich der sich ausbildenden Hegemonie Napoleons auf dem Kontinent entgegentreten. Er wollte 1805 Preußen in die österreichisch-russische Koalition gegen Napoleon mit einbeziehen, aber Berlin bestand auf seiner Neutralität. Als der von Friedrich dem Großen geformte Staat nach dem Dritten Koalitionskrieg Österreichs und Rußlands gegen Frankreich von 1805 im darauffolgenden Vierten Koalitionskrieg von 1806/07 zusammenbrach, empfand Metternich keinerlei Häme darüber, da Preußen weiterhin sein Wunschpartner blieb.

In den folgenden Jahren tat Metternich alles, um Österreich als Großmacht gegen den übermächtigen Napoleon zu bewahren. Ähnlich wie Friedrich Wilhelm III. von Preußen war dabei auch er zu einer Zusammenarbeit mit dem Usurpator bereit. Bei ihm währte diese Bereitschaft aus zwei Gründen sogar noch länger. Zum einen hat Bonaparte Österreich im Gegensatz zu Preußen nicht vernichten wollen, so daß der Haß auf die Franzosen im Kaiserreich geringer war als im Königreich. Zum anderen sah Metternich schon frühzeitig in Rußland eine potentielle Gefahr für das „europäische Gleichgewicht“. Deshalb spielte er mit dem Gedanken, das napoleonische Kaiserreich als Gegengewicht gegen Rußland zu erhalten. Das setzte allerdings voraus, daß die Franzosen sich als Gleiche unter Gleichen in das „Konzert der europäischen Mächte“ integrierten und sich hinter ihre sogenannten alten Grenzen (welche auch die heutigen sind) zurückzogen. Metternich mußte jedoch erkennen, daß der Franzosenkaiser zu dieser Selbstbescheidung nicht bereit war, und da erst fiel die Entscheidung Österreichs, sich in den Befreiungskriegen auf die Seiten Rußlands, Preußens und Großbritanniens zu schlagen: Napoleons Schicksal war besiegelt.

Es kam, wie Metternich es befürchtet hatte: Nach der gemeinsamen Niederwerfung des napoleonischen Frankreichs wurde das Zarenreich dessen Nachfolger als stärkste Macht des Kontinents, was Metternich um so mehr beunruhigte, als ihm Zar Alexanders liberale Anwandlungen zutiefst suspekt waren. Allerdings war Österreich in den Befreiungskriegen das Zünglein an der Waage gewesen, und es war dessen Hauptstadt Wien, in der nun 1814/15 nach dem Ende der napoleonischen Ordnung ein Kongreß Europa neu ordnete.

Auf dem Wiener Kongreß, der das Gleichgewicht unter den Staaten in Europa wieder herstellen sollte, nutzte Metternich seine beträchtlichen diplomatischen Gaben dazu, die aufstrebende, nicht saturierte preußische Großmacht in die Schranken zu verweisen. Zum einen zügelte er den patriotischen Haß der Preußen gegen das nach Napoleons Sturz wieder von den Bourbonen beherrschte Frankreich, damit dieses für das Gleichgewicht der Großmächte nicht zu schwach wurde. Zum anderen sah Metternich mit Besorgnis, daß der Preußenkönig ganz auf Rußland setzte, um sich des gesamten Königreichs Sachsen zu bemächtigen und mit russischer Rückendeckung seinen Einfluß in Deutschland auf Kosten Österreichs zu erweitern.

Metternich erkannte, daß der Nationalliberalismus mit seinem Streben nach Nationalstaaten Gift für den Habsburger Vielvölkerstaat war und setzte deshalb zum Leidwesen vieler deutscher Patrioten in Preußen und auch anderswo eine stark föderale Lösung der deutschen Frage durch. Mit dem auf dem Wiener Kongreß geschaffenen Deutschen Bund hatte Deutschland nun eher einen Staatenbund als den von den Patrioten erstrebten Bundesstaat.

Im Deutschen Bund gelang es Metternich, Preußen bei der Wahrung und Verteidigung der alten, vorrevolutionären gesellschaftlichen Ordnung ins Schlepptau zu nehmen. Um den russischen Zaren zu besänftigen, dessen Potential zur europäischen Hegemonie er fürchtete, ging er auf dessen wolkige Idee einer „Heiligen Allianz“ zwischen Wien, Berlin und St. Petersburg ein. Aus der Alexander I. vorschwebenden religiösen Gemeinschaft machte er jedoch einen gar nicht überirdischen Pakt zur Wahrung des gesellschaftlichen Status quo.

Eine Konfrontation wie einst zwischen Maria Theresia und Friedrich dem Großen versuchte er zu vermeiden. Das ging auch so lange gut, wie Preußen sich mit der Rolle des Juniorpartners begnügte und keine Männer wie Friedrich den Großen an seiner Spitze hatte. Auch die Herrscher der deutschen Mittel- und Kleinstaaten arrangierten sich mit Österreichs Rolle eines Ersten unter Gleichen im Deutschen Bund. Österreich war zumindest bezüglich Deutschland saturiert, so daß österreichische Annexionen hier nicht zu fürchten waren, und die von Metternich im Bund betriebene föderalistische Politik ließ den deutschen Landesfürsten ihre Macht.

Das ging so lange gut, bis Otto von Bismarck die Leitung der preußischen Regierung übernahm und mit seinem diplomatischen Talent, dem militärischen und ökonomischen Potential Preußens und der Unterstützung der deutschen Nationalbewegung die kleindeutsche Lösung der deutschen Frage durchsetzte. Doch da lebte Metternich nicht mehr.     Bernd Rill / M. R.

Foto: „Versammlung bedeutender Staatsmänner zur Zeit des Wiener Kongresses“: Das Gemälde von Engelbert Seibertz zeigt neben dem Kongreßpräsidenten Klemens von Metternich (rechts sitzend) auch den Chef der preußischen Kongreßdelegation, Staatskanzler Karl August von Hardenberg (Mitte).


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