29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.06.09 / Ein Bürgerlicher zwischen Reuter und Suhr / Vor 125 Jahren wurde Berlins Regierender Bürgermeister von 1953 bis 1955 Walther Schreiber geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Ein Bürgerlicher zwischen Reuter und Suhr
Vor 125 Jahren wurde Berlins Regierender Bürgermeister von 1953 bis 1955 Walther Schreiber geboren

Walther Schreiber wurde am 10. Juni 1884 in Pustleben im Harz als Sohn eines Rittergutsbesitzers geboren. Er besuchte das Gymnasium, studierte Rechts- und Staatswissenschaften, promovierte und ließ sich 1911 als Rechtsanwalt in Halle an der Saale nieder. 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger zur Armee und stieg bis Kriegsende bis zum Schwadronsführer auf. Während der Novemberrevolution wurde er in den Arbeiter- und Soldatenrat gewählt.

Bereits schon vor dem Kriege war er als 20jähriger mit Friedrich Naumann in Berührung gekommen und hatte sich in einer linksliberalen Gruppe engagiert. 1919 trat er der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei. Als 1921 der Landtag des Freistaates Preußen seine Arbeit aufnahm, war er für die DDP dabei. 1924 übernahm er den Fraktionsvorsitz. Im darauffolgenden Jahr trat er in die preußische Regierung ein und wurde deren jüngstes Mitglied. Als Minister war er zuständig für Handel und Gewerbe.

Der Ersetzung der preußischen Regierung durch einen Reichskommissar im Zuge des sogenannten Preußenschlages kostete Schreiber das Ministeramt. Der linksliberale Jurist blieb in Berlin, wandte sich in der NS-Zeit aber wieder seinem Rechtsanwaltsberuf zu, den er seit seinem Eintritt in die Regierung nicht mehr ausgeübt hatte.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der NS-Herrschaft fand Schreiber in der CDU eine neue politische Heimat. Mit Andreas Hermes übernahm er die Leitung der Ost-CDU. Ihr Widerstand gegen die Bodenreform kostete jedoch den Packmeister- und den Rittergutsbesitzersohn noch 1945 die Parteiführung.

Schreiber engagierte sich nun im Westen Berlins, übernahm 1947 den Landesvorsitz der CDU, 1949 zusätzlich den Fraktionsvorsitz in der Stadtverordnetenversammlung. Aus der Abgeordnetenhauswahl von 1950 gingen die Bürgerlichen als Sieger hervor. Trotzdem stellte sich neben Schreiber auch der bisherige sozialdemokratische Amtsinhaber Ernst Reuter zur Wahl um das Amt des Regierenden Bürgermeisters. Bei der Abstimmung im Abgeordnetenhaus kam es zum Patt. Gemäß der erst 1950 in Kraft gesetzten Verfassung von Berlin hätte nun das Los entscheiden müssen, aber Schreiber verzichtete darauf, eine derart wichtige Entscheidung dem Zufall zu überlassen. Statt einer von ihm geführten bürgerlichen kam es zu einer Allparteienkoalition unter der Leitung Reuters.

Als jedoch 1953 der charismatische und auch im bürgerlichen Lager geschätzte Reuter starb, kam Schreibers Stunde. Auf einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses setzte er sich gegen den sozialdemokratischen Gegenkandidaten Otto Suhr durch. Wie schon zuvor bildete auch als Regierender Bürgermeister die Finanz- und Wirtschaftspolitik den Schwerpunkt seiner politischen Arbeit. Hier bot sich Schreiber mit der Aufgabe, die Exklave in die Bundesrepublik zu integrieren, ein breites Betätigungsspektrum.

Bei den zweiten Abgeordnetenhauswahlen 1954 legte Schreibers Partei zwar zu, aber durch die Stimmenverluste der FDP gelang es den Sozialdemokraten, die Mehrheit der Mandate zurückzuerobern. Suhr bildete daraufhin 1955 eine von ihm geführte SPD-CDU-Regierung, der sein Vorgänger nicht mehr angehörte. Noch im selben Jahr wurde Schreiber zum Ehrenvorsitzenden seines CDU-Landesverbandes gewählt. Am 30. Juni 1958 starb er in Berlin.  Manuel Ruoff


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren