18.04.2024

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06.06.09 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-09 vom 06. Juni 2009

Endlich bankrott / Warum jetzt alles besser wird / Vom Zauber eines jeden Anfangs / Was für die Mutter gut ist, ist für die Tochter tabu
Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

So vielversprechend waren Pleiten noch niemals. Jede Pleite eine Erfolgsstory. Jedenfalls seit jenen Tagen, als sich Politiker als oberste Insolvenzverwalter in das Geschehen einklinkten. Seit sie unabhängig von Parteibuch und Kenntnissen als Unternehmensretter agieren, gerät eine Pleite prachtvoller als die vorhergehende. Denn nun geht’s los. All das, was über Jahre verschlampt wurde, was immer schon hätte getan werden sollen und doch nicht getan wurde, soll endlich ange-packt werden. Denn wie es richtig gemacht werden muß, das haben schließlich alle gewußt, nur getan hat es halt keiner. Das wird nun anders. Egal in welcher Branche. Sind die Damen und Herren Mandatsträger erst einmal auf den Chefsessel gekrabbelt, zaubern sie plötzlich jene Produkte aus dem Ärmel, nach denen der Markt verlangt, entwerfen sie Produktionsabläufe, bei denen man keinen Cent dazu bezahlt. Wie schon der Dichter Herman Hesse sagte: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“ So viel Zauber wie in diesen Tagen war noch nie.

Seit es die Finanzkrise gibt, gibt es auch das Versprechen, Deutschland werde gestärkt daraus hervorgehen, wirtschaftlich gefestigter denn je. Noch merken wir nichts davon. Im Gegenteil, es kracht nicht mehr im Gebälk, das Gebälk bricht zusammen. Doch das muß man positiv sehen. Ohne Zusammenbruch gibt es keinen neuen Anfang.

Opel haben wir mit Ach und Krach nun endlich unter Dach und Fach gebracht, ehe General Motors pünktlicher als nach dem Fahrplan der Deutschen Bahn in der Pleite gelandet ist. Etliche Banken haben ihre Staatsknete bereits länger ins Trockene gebracht. Und schon befinden sich weitere Kandidaten hierzulande im Zielanflug. Der Handelskonzern Arcandor, der sich im Höhenflug wähnte und doch längst gefährlich im Tiefflug über den Wipfeln trudelte, wurde als nächster potentieller Anwärter auf Staatsknete ausgemacht. Die Landung wird bereits angezeigt. Aber noch ist nicht ausgemacht, ob nicht Schaeffler (verhoben an Conti) oder Porsche (verhoben an VW) zuvor aufschlagen. Und das sind nur die großen, die allgemein bekannten Fälle. Bereits 1200 Unternehmen haben einen Antrag auf Staatshilfe gestellt. Viele haben Schulden gemacht, für die jetzt andere sühnen sollen. Und wohl auch werden. Denn es ist Wahljahr. Da sind die Taschen der politischen Spendierhosen groß. Das hat sich schon lange herumgesprochen. Nicht nur unter jenen, die tief in die Taschen der Spendierhosen greifen möchten. Auch unter jenen Steuerzahlern, die diese Taschen immer wieder auffüllen müssen. Sie haben längst verstanden, wem genommen und wem gegeben wird – und wer sich mit dem Geld anderer Leute Freunde machen will. Das sollte die Träger der Spendierhosen eigentlich ein wenig zögerlicher machen. Macht es aber nicht. Es verkauft sich eben sehr viel besser, jemanden vor dem Ertrinken zu retten, als mit einem Geländer am Wasser dafür zu sorgen, daß niemand hereinfallen kann.

Selbst wer in gewöhnlichen Zeiten den Damen und Herren im politischen Amt selbstloses Handeln unterstellt, reibt sich jetzt verwundert die Augen, mit welcher Selbstverständlichkeit die Interessen der Parteien und die persönlichen Interessen als Entscheidung für das Gemeinwohl verkauft werden. Was selbstverständlich mit Empörung abgestritten wird.

Trotzdem drängt sich doch die Frage auf, warum für die Tochter schädlich sein soll, was der Mutter wieder auf die Beine helfen soll. Anders gefragt: Warum mußte für Opel die Insolvenz um jeden Preis verhindert werden und warum wurde die Muttergesellschaft General Motors um den Preis von insgesamt 50 Milliarden Dollar in genau solch eine Insolvenz geführt? Weil Deutschland vor der Wahl steht und die Vereinigten Staaten die Wahl hinter sich haben? Könnte dies eine Begründung sein? Es wäre eine Begründung, die viel Geld kostet. Denn in den USA, wo General Motors schon länger unter staatlicher Kuratel steht, hat man sehr genau registriert, daß man in Berlin Opel um jeden Preis vor der Insolvenz bewahren wollte. Jeder Besuch eines Politikers in Rüsselsheim verteuerte die Sache, jede Reise eines deutschen Politikers nach Detroit, Washington oder New York trieb die Kosten für den Deal hoch.

Wer also die kommende Bundestagswahl nicht als preistreibend ausschließen will, muß bedenken: vor der Wahl ist bald nach der Wahl. Sicher, noch handeln viele nach dem Motto: Nach mir die Sintflut. Und nach der Wahl auch. Da wird ohnehin so mancher heftig im Regen stehen.

Ausgerechnet mit den Banken fing alles an. Ausgerechnet dies Sinnbild des Kapitalismus öffnete die Tore zur Staatswirtschaft. Privatisierung staatlicher Unternehmen, das war gestern. Nun kommt der Staat in die Betriebe. Zwar versichert er, seine Beteiligung sei nur auf Zeit und in die laufenden Geschäfte wolle er sich nicht einmischen, aber warten wir es mal ab. Politiker können gar nicht anders, sie mischen sich ein, wenn sie es dürfen (anderenfalls wären sie keine Politiker und für diese Aufgabe denkbar ungeeignet). Und wie soll ein politischer Vertreter im Verwaltungsrat entscheiden, wenn es darum geht, aus wirtschaftlichen Erwägungen Arbeitsplätze zu streichen? Jene Arbeitsplätze, deren Erhalt gerade zuvor noch mit Steuergeldern gesichert wurde? Wird der Politiker dann wie ein Unternehmer handeln? Oder wie ein Politiker?

Die Staatswirtschaft ist in der Wirtschaft angekommen. Mit der Insolvenz von General Motors wird der US-Staat Mehrheitseigentümer. Die Bundesrepublik Deutschland wird als Treuhänderin nur für einige Zeit Eigentümerin von Opel. Dann wird verkauft. An den „kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna“, wie es seit Wochen heißt. Allenfalls im Nebensatz fand Erwähnung, daß auch russische Investoren an dem Konglomerat beteiligt sind. Ja, warum auch nicht? Bei genauerem Hinsehen allerdings teilt sich die künftige Beteiligung an Opel deutlich anders auf. Da hat Magna plötzlich nur noch einen Anteil von 20 Prozent. Zehn Prozent halten die Beschäftigten und die Händler, 35 Prozent bleiben bei General Motors (sofern der Autobauer wie Phönix aus der Asche steigt). Und 35 Prozent hält ein russisches Konsortium um die Sberbank.

Spätestens jetzt kommt Gerhard Schröder ins Spiel, der frühere Bundeskanzler auf russischer Gehaltsliste. Und dann ist da sein Buddy, Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der sich für die sogenannte Magna-Lösung stark machte. Für das russisch-kanadisch-österreichische Konsortium hat sich das ausgezahlt. Vorerst. Die Endrechnung wird später präsentiert. Wenn es schiefgeht, begleicht sie der Steuerzahler. So wie seinerzeit, als Gerhard Schröder den Baukonzern Holzmann rettete. Gestandene Bauarbeiter haben damals geweint vor Glück. Sie ließen den Retter mit „Gerhard, Gerhard“-Sprechchören hochleben. Das „Rettungspaket“ hielt drei Jahre, dann brach der Baukonzern endgültig zusammen. Gemessen an den heute gehandelten Summen war der Beitrag der Regierung seinerzeit vergleichsweise bescheiden: 250 Millionen Mark, locker gerechnet also 125 Millionen Euro. Über solch eine Lappalie würde heute niemand sprechen. Trotzdem ist der Vorgang in der Rubrik staatlicher Pleiten-Pech-und-Pannen im kollektiven Gedächtnis geblieben.

Für bestimmte Dinge haben die Wähler ein feines Gespür und ein langes Gedächtnis. Wenn am  Sonntag die Abgeordneten für das Europaparlament gewählt werden, wird man aus dem Ergebnis auch ablesen können, ob sich der Wettbewerb um die großzügigste Spendierhose gelohnt hat. Oder ob der Wähler es nicht vorgezogen hätte, wenn die Taschen etwas sorgsamer zugeknöpft worden wären.

Auf jeden Fall ist es schade, wenn ab Montag die Wahlplakate wieder eingesammelt werden. Es war doch mal ganz interessant zu sehen, wer uns europäisch vertritt. Sonst hört und sieht man ja nicht viel von den Damen und Herren Mandatsträgern. Weshalb sie sich allerdings auch mehrheitlich besonders lange im Amt zu halten scheinen.

Hans Heckel hat sich eine Woche Auszeit genommen und ist in der nächsten Ausgabe wieder für Sie da.


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