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13.06.09 / Erheblicher Flurschaden / Das ungute Erbe Gustaf Kossinnas – Mehrfache Absurdität

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-09 vom 13. Juni 2009

Erheblicher Flurschaden
Das ungute Erbe Gustaf Kossinnas – Mehrfache Absurdität

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gehörte der in Tilsit geborene Sprachwissenschaftler, Archäologe und Prähistoriker Gustaf Kossinna (1858−1931) zu den prägenden Persönlichkeiten der deutschen Vor- und Frühgeschichtsforschung. Kossinna war masurischer Herkunft, fühlte jedoch deutschnational bis in die Knochen, 1928 wurde er sogar ein öffentlicher Förderer der „Nationalsozialistischen Gesellschaft für Deutsche Kultur“.

Kossinna gehört zu den Begründern der sogenannte „Siedlungsarchäologischen Methode“, deren Credo war folgende Idee: „Scharf umgrenzte archäologische Kulturprovinzen decken sich zu allen Zeiten mit ganz bestimmten Völkern oder Völkerstämmen.“ Daß das so nicht ganz stimmen kann, hätte Kossinna eigentlich schon mit Blick auf seine eigene Herkunft erkennen können: Die Grenzen zwischen den Völkern sind nun einmal fließend, es gibt Vermischung, Integration aber auch Dissimilation und Trennung. Gerade der überlieferte Teil der Geschichte der germanischen Völkern ist voller Beispiele dafür.

Bei der Machtergreifung der NSDAP im Jahre 1933 lebte Kossinna nicht mehr, doch die Nazis nahmen seine Ideen begierig auf. Kossinnas Freude an der Vermessung ausgegrabener Schädel, sein glühender Patriotismus und sein Ruf nach einem wehrhaften Deutschland machten ihn zu einer Art wissenschaftlichem „Kronzeugen“ der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie. Daß Kossinna selbst slawischer Herkunft war, spielte dabei keine Rolle.

Dieser Liebe tat noch nicht einmal Abbruch, daß Kossinna zu denjenigen gehörte, die Skandinavien als den Raum favorisierten, in dem sich in der Bronzezeit die germanischen Völker herausgebildet hätten. Davor war bis etwa 1890 eine mitteleuropäische (also auch „deutsche“) Urheimat der Germanen angenommen worden, was zur NS-Ideologie eigentlich noch besser gepaßt hätte.

Das Ganze ist aus heutiger Sicht doppelt absurd, weil neuen Forschungen zufolge nun doch wieder das südliche Niedersachsen sowie Sachsen-Anhalt und Thüringen als Ausgangspunkt der später als „Germanen“ bezeichneten Völker als wahrscheinlich gelten. Vor allem die Ortsnamenforschung spricht klar dafür.

Betrachtet man heute, ein Menschenalter nach seinem Tode, die Spuren, die Gustaf Kossinna im Bereich der deutschen Vor- und Frühgeschichte hinterlassen hat, so kann man sich auch sonst des Eindrucks der Absurdität schwer erwehren: Die prinzipiell richtige, von Kossinna aber mit unzulänglichen Methoden und deswegen falschen Ergebnissen betriebene Kooperation von Vorgeschichte und Paläolinguistik wurde in Deutschland nach 1945 ruiniert, die prinzipiell meist ebenfalls richtige – von Kossinna aber überspitzte und zudem ideologisch verzerrte – Übereinstimmung von archäologischen und ethnischen Grenzen wurde desavouiert. Dagegen feiert Kossinnas wahrscheinlich falsche Theorie der germanischen „Urheimat“ in Skandinavien trotz ihres massiven Mißbrauchs durch das NS-Regime fröhliche Urständ.         K.B.


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